Gastarbeiter und Döner-Morde

Wir Gastarbeiterkinder in der 2. Generation und wie der sensible Umgang mit Worten helfen könnte…

Ich habe Glück. Meine Großeltern sind zwar Gastarbeiter gewesen – aber eben „nur“ Italiener. Italiener sind nach über 50 Jahren in der deutschen Gesellschaft angekommen und „integriert“. Ich bin nicht zweisprachig aufgewachsen. Leider. Mein Vater hat darauf verzichtet, weil man in der Gegend aus der er stammt, einen starken Dialekt spricht. Richtig Hochitalienisch hat er nie gelernt, denn da wanderte seine Familie schon nach Deutschland aus. Er hatte damals einen Schulabschluss, der in Deutschland natürlich nicht anerkannt wurde. Sein Weg zum Ingenieursstudium war lang und steinig. Aber er war ehrgeizig und hat sich nicht unterkriegen lassen. Mein Ohr hört es kaum, aber sein Deutsch ist nicht das Deutsch eines Muttlersprachlers. Manchmal vertauscht er Artikel und nicht jeden Umlaut spricht er aus. Wenn unser jüngstes Kind fröhlich „Tschuuuss“ statt „Tschüss“ ruft, schenkt es mir jedesmal einen Gruß von meinem Vater.

Die Sprache war für die Karriere meines Vaters ein Hindernis. Ich denke, dass das ein weiterer Grund war mir kein Italienisch beizubringen, um gar nicht erst zu riskieren, dass mein Deutsch am Ende nicht 100% perfekt ist. Heute macht mich das sehr traurig, denn in die andere Richtung ist Sprache wieder ein Hindernis. Wenn ich meine Nonna in Italien anrufe, können wir nur über Allgemeines sprechen, nie über Kompliziertes oder gar Philosophisches oder Emotionales. Meine Nonna ist 91 und sie ist geistig so fit und jung, dass sich so mancher eine Scheibe abschneiden könnte. Es wäre so schön ohne die Sprachbarriere mit ihr sprechen zu können.

Ich habe über Italiener wenig diskriminierende Bemerkungen gehört. Persönlich habe ich in der Schule nur ein Paar Spaghettifresser-Witzchen abbekommen. Nichts weltbewegendes. Die Assoziationen zu Italien gefallen den Menschen. Das gute Essen, Sonne, Urlaub, Kultur. Das war sicherlich nicht immer so. Meine Mutter ist Deutsche und als sie meinen Vater heiratete, waren die Bedenken groß. Die Palette der Sachen, die sich meine Eltern anhören mussten, war breit gefächert. Man fürchtete beispielsweise, dass mein Vater im Falle einer Scheidung die Kinder entführen und nach Sizilien verschleppen könne.

Vor einigen Wochen, am 30. Oktober feierte das Anwerbeabkommens mit der Türkei 50. Geburtstag. Im Spiegel schreibt man passend dazu: „Vor 50 Jahren kamen die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland – nun klopfen sich Politiker selbst auf die Schultern. Wofür eigentlich? Die Türken haben das Land verändert, doch viele fühlen sich noch immer fremd.“ Beim Spiegel benutzt man das Wort „Gastarbeiter“ selbstverständlich – so wie ich es weiter oben getan habe. Der Begriff selbst ist jedoch schon heikel, wenn man genauer über ihn nachdenkt. Schon 1972 veranstaltete der WDR ein Preisausschreiben zur Findung eines geeigneteren Wortes. Ein Paar Tausend Vorschläge wurden eingereicht, kein Wort konnte sich bis heute durchsetzen. Dennoch kann man feinfühliger formulieren, wie bei Zeit Online im Artikel 50 JAHRE EINWANDERER geschehen.

Im Rahmen der Festivitäten musste ich viel an meine Familie denken. Ich sprach auch mit einigen türkischen Freunden und Bekannten über das Thema und bin nachhaltig bestürzt wie viel mehr Diskriminierung Menschen türkischer Abstammung erfahren mussten. Auch noch in der zweiten und dritten Generation – ganz normale Deutsche also.

Ich schreibe das alles, weil es mich so traurig macht aktuell auch immer mehr zum Thema Fremdenfeindlichkeit zu lesen. Denn letztendlich ist schon der Ausdruck, den die Medien zur Zeit so gerne benutzen so furchtbar: Döner-Morde

Auf Google+ habe ich es bereits geschrieben: 

Als Halbitalienerin, regt mich die Formulierung „Döner-Morde“ besonders auf. Gerade aufgrund des Tat-Hintergrunds. Gerade weil Menschen türkischer und griechischer Abstammung getötet worden sind. Keine Döner. Die Formulierung alleine ist schon menschenverachtend.

Und noch treffender kommentierte Marcus Hammerschmitt darunter: „In dieser Bezeichnung steckt der ganze strukturelle Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Die Reduzierung der Opfer auf Dönerbuden-Besitzer. Ihre Namenlosigkeit: „acht Türken und ein Grieche“ – ein bisschen wie zehn kleinen Negerlein; auch im Vergleich zur ständigen Nennung des Namens der ermordeten Polizistin. Die Blindheit, mit der man eine Mordserie von Nazis seitens der Polizei nicht als solche erkennen wollte. Die Unfähigikeit und Wurstigkeit der Presse. Usw., usw., usw.“

Sprache beeinflusst das Denken und umgekehrt, das ist nicht erst seit George Orwell bekannt. Ich fände es schön, wenn man sich das von Zeit zu Zeit mal bewusst macht und auch einzelne Formulierungen prüft. Es lohnt sich sensibel für sowas zu sein und manchmal sind es die kleinen Gesten, die helfen. Mich macht es wirklich sehr betreten, weiterhin Berichte wie „Und es hört einfach nicht auf“ lesen zu müssen.

Auch hier lesen: Alles Döner oder was? via @haekelschwein

37 Gedanken zu „Gastarbeiter und Döner-Morde“

  1. @Frank Meyer

    Da sowohl „Schwarzafrikaner“ als auch „Ne****“ rassistische Fremdbezeichnungen sind, auf keinen Fall. Das Beispiel klingt auch extrem konstruiert. Man muss schon bösartig drauf sein, um die Serie ausgerechnet „Ne****kuss“-Serie nennen zu wollen. Reicht natürlich auch, rassistisch zu sein.

  2. Ja, es ist die Boulevardpresse, insbesondere die „BILD“ (in meinen Augen sehr rechts eingestellt hinter einem vorgetäuschten Spiegel des Katholizismus), die aus dem MORD an Menschen mal die Döner-Morde machen. Das ist eine Verharmlosung der Taten und ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenden! Wie würden wir Deutschen reagieren, wenn in Polen oder der Türkei der Mord an Deutsche Einwanderer oder noch besser Urlauber als“Kartoffel-Morde“ bezeichnet werden würde?? Das sollte man sich mal Fragen! Die „BILD“ würde auf den Zug nur zu gerne aufspringen! Alleine der heutige Blick bei „BILD-ONLINE“ zeigt doch mal wieder, wie selbst die „Ehre von anderen Verstorbenen“ mit Füßen getreten wird.

    In diesem Sinne….

  3. @dasnuf
    Als „Nazi-Mordserie“ konnte man es nicht bezeichnen, weil die Behörden den Zusammenhang zwischen diesen Morden nicht erkennen WOLLTEN. Leider hat Deutschland auf dem braunen Auge immer noch einen blinden Fleck.

  4. Mal so rein hypothetisch: Eine Mordserie an Schwarzafrikanern erschüttert Deutschland. Irgendein durchgenallter Serienmörder drückt den Getöteten – als Teil eines wirren Rituals – einen Lippenstiftabdruck auf die Stirn. Dürfte man dann von „Negerkuss-Morden“ sprechen?

  5. Moin sagen!

    Och, nu‘ habt euch doch nicht so…ihr geratet mit solchen Diskussionen in die gleiche Schiene, die allzuoft bei dieser Art Themen zu sehen sind: Gutmenschen kontra Nazis (jeweils von der anderen Seite gesehen).

    Weder ist ein politisch rechts außen Angesiedelter per se ein Untermensch, noch sind alle ausschließlich Engel, deren Stammbaum nicht zu den alten Germanen und Hunnen zurückverfolgen lässt. Schließlich gibt’s auch Nazis, die Omas über die Straße helfen (Vielleicht ist die Oma ja auch fremdenfeindlich?) wie auch faschistische Italiener, militante Kurden und rassistische Türken (fragt mal die Kurden…). Also Ruhe bewahren.

    Ich habe Nuf’s Thread so verstanden, dass es hier um den Sprachgebrauch der Medien geht – insbesondere der Medien, die ihre Meinung mit den ganz großen Buchstaben verbreiten. Und da hat sie absolut recht, denn diese Art, Thesen und Themen unters Volk zu bringen, ist niveaulos.

  6. @ Mithrandir:

    Ich weiß nicht, wie Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater war/ist. Aber ich kann die Frage beantworten: ich würde mich beschissen fühlen. Und die Tatsache, dass die Hinterbliebenen zT 10Jahre lang weder wußten, wer ihren Vater/Bruder/Mann/etc. erschossen hat, noch, mit welchem Hintergrund er getötet wurde, machte die Aufarbeitung eines solchen Verlustes auch nicht gerade leichter.
    Die Bezeichnung „Döner-Morde“ zeugt mindestens von einem eklatanten Mangel an Fingerspitzengefühl den Hinterbliebenen gegenüber, und das ist noch milde ausgedrückt.

  7. @JBS:
    Die Frage am Schluss kann man meiner Meinung nach nicht beantworten, wenn man nicht betroffen ist. Hypothetisch würde ich sagen, es würde mir nichts ausmachen.
    Aber auch an Sie die Frage: Wie hätte die Presse die Morde bezeichnen sollen?

  8. Sehr guter Beitrag,
    ich kann das alles als in Deutshland geborener und aufgewachsener Halbitaliener sehr gut nachvollziehen.

    @ ulysses und Mithrandir
    „Im Namen der Toleranz sollten wir uns die Freiheit nehmen, Intoleranz nicht zu tolerieren.“
    Karl Raimund Popper

    Wer sich intolerant verhält oder Intoleranz predigt, hat von mir keine Toleranz zu erwarten. Egal, wie lange ich in seiner Nähe lebe oder dass die Person ansonsten ja ganz nett ist.

    Im übrigen geht es weniger darum, dass der Begriff „Döner-Morde“ unzutreffend ist. Es geht vielmehr darum, wie solche Begriffe auf Türken (und Griechen) in Deutschland und insbesondere auf die Hinterbliebenen der Ermordeten wirken. Stellen Sie sich einfach mal vor, sie würden in einem anderen Land Leben, Ihr Vater hat sich selbständig gemacht als Fuhrunternehmer, wird zusammen mit 8 Italienern umgebracht und dann wird das Ganze Jahre später, in den Medien als „Pizza-Morde“ bezeichnet, weil einer der Italiener eine Pizzeria hatte. Wie würden Sie sich fühlen?

  9. @Ali Schwarzer

    Was heißt denn bitte, zu mehr als Döner reichts nicht? Ich hab das schon bei Sarrazin nicht verstanden. Der hat sich ja darüber beklagt, dass „die Türken“ oftmals als Gemüsehändler arbeiten. Ich kann an beiden Berufen nichts verwerfliches erkennen.

  10. Sorry wegen des Namens.
    Was hätte denn die Presse schreiben sollen statt „Die Terrorgruppe XY ist nicht nur für den Polizistenmord in Heilbronn sondern anscheinend auch für die Dönermorde verantwortlich“

  11. Danke Ulysses, ich denke du hast mich so verstanden, wie ich es gemeint habe.
    @Alice: Mit deiner Antwort hast du Ulysses komplett betätigt.

  12. Man muss nicht zwingend fremdenfeindlich sein, um Menschen zu diskriminieren. Die sture Verengung auf „Döner“ zeigt ganz klar, welches Türkenbild vorherrscht. Mehr als zum Döner machen reicht’s beim Türken in Deutschland ja eh nicht.

    Das Problem mit den „sogenannten Dönermorden“ ist übrigens der Denkfaulheit der Journalisten geschuldet. Nicht selten habe ich erlebt, wie zwar alle über die Benennungspraxis besonders der Bildzeitung meckern, diese aber dann einfach übernommen wird. Lapidarer Kommentar: „Ach, wir sagen/schreiben einfach ’sogenannte xxx‘.“

    Und dass Deutsche mit Italienern („Itaker“, „Spaghetti-Fresser“. Man erinnere sich!) nicht mehr so viele Probleme haben, sehe ich eher darin begründet, dass Italien deutlich näher liegt als die Türkei und somit eher zum Urlaub machen einlädt.

    Ganz nebenbei muss man sich optisch nicht von „klassischen Mitteleuropäer“ unterscheiden, wenn man dem „islamischen Kulturkreis“ angehört. Was für ein Quatsch.

  13. Die Tatsache das Mithrandir hier gleich wieder unter dem Prädikat „nicht diskussionswürdig“ abgefrühstückt wird, zeigt doch das der Begriff „Toleranz“ anscheinend nur eine, auf bestimmte Minderheiten festgelegte Bedeutung haben darf. Denn wenn jeder, der dem linksliberalen Diktat (schon klar, welches Urteil nach dieser Wortwahl über mich gefällt ist) auch nur sachte widerspricht sofort in die Ecke gedrängt wird und ihm quasi zu verstehen gegeben wird, „Deine Meinung ist von vorneherein so scheisse, du kannst auch gleich in die NPD eintreten und Asylantenheime anzünden gehen, wir würden auch nicht schlechter von dir denken!“, wie soll da eine vernünftige, ergebnisoffene Diskussion stattfinden können? Und ich hör sie schon schreien: „Wie kann solch ein Thema denn ergebnisoffen sein?“ Allein die Tatsache das mir selbst mulmig wird wenn ich die bisher geschriebenen Zeilen lese, zeigt mir das die rechts-konservative Paranoia von der „linken Meinungsdiktatur“ auch ein kleines Körnchen Wahrheit haben muss. Denn sobald man anfängt eigene Positionen nicht mehr zu hinterfragen, so edel und moralisch überlegen sie einem auch erscheinen mögen, steht man selbst mit einem Bein in der Intoleranz.

    Dabei ist an Mithrandir`s Ausführungen viel naiv Wahres dran und noch wichtiger, es zeigt eben genau das was die Mehrheit der (ur)-deutschen Bevölkerung im besten Fall denkt. Mir scheint die Formulierung „Döner-Morde“ auch eher ein üblicher Kritikfall für die verkürzend-dümmliche Banalisierung in der medialen Berichterstattung zu sein, denn ein Indiz für die fremdenfeindliche Grundhaltung in der Bevölkerung. (Die ich übrigens generell in keinster Weise in Abrede stellen will, und zwar keiner Bevölkerung auf dieser weiten Welt) Schliesslich wird die „braune Terrorzelle“ ja auch nicht von Afro-Deutschen betrieben, wenn mir diese schwarzhumorige Anmerkung erlaubt ist.

    Um mal zum eigentlichen Thema zu kommen, die Tatsache das ein Mensch aus dem islamischen Kulturkreis es nicht nur aufgrund seiner optisch viel stärkeren Unterscheidung zum klassischen Mitteleuropäer deutlich schwerer hat sich in unsere Gesellschaft zu integrieren muss doch wohl angemerkt werden dürfen. (Und damit meine ich durchaus beiderseitige Probleme diesbezüglich) Aber auch und grade die Religion und einige kulturelle Eigenheiten machen es beiden Seiten schwer, herzlich aufeinander zuzugehen. Überhaupt gibt es so viele Gründe aufzuschlüsseln und zu verstehen, um für dieses Problem auch eine vernünftige Lösung finden zu können. Wenn jedes naive Gegenargument gleich als tumber Rassismus, den man als Deutscher 2011 doch gefälligst zu überwunden haben hat, abgekanzelt wird, wird eine Annäherung dadurch nicht warscheinlicher. Es hilft einfach niemanden weiter, den anderen so weit wie möglich vom eigenen Standpunkt in irgend eine Schublade wegzuschieben.

    Ich schreibe dies übrigens aus den Tiefen der ostdeutschen Provinz, und auch auf die Gefahr hin weitläufige Klischees zu bestätigen, Rassisten und Nazis sind für mich nunmal nicht „die da“, die ich aus meinem gemütlichen Bio-Studentencafe heraus auslache, sondern meine Freunde, Familie und Kollegen. Die meisten sind gute Menschen, die niemandem etwas Böses wollen, und doch in ihrem Denken der NPD näher stehen als Amnesty International. Das mag für die meisten hier ein Widerspruch sein, aber aus der Ferne sieht eben meist alles etwas verachtenswerter aus als wenn man damit tagtäglich Umgang hat. Wenn ihr versteht was ich meine.

  14. Hallo, ich noch mal.
    zunächst möchte ich vorweg schicken, dass ich bis gestern tatsächlich davon ausgegangen war, dass die Morde tatsächlich nur auf Dönerbudenbesitzer beschränkt waren. Ich habe die Nachrichten wie wohl viele Bürger am Rande mitverfolgt. Hört sich jetzt banal und nachlässig an, aber die ganze Geschichte ist ja so komplex, dass die „Döner Morde“ für mich nicht den Kern bildeten und ich mich in dieses Detail nicht vertiefte.
    Nach wie vor bleibe ich bei meiner Aussage von oben, was die Bezeichnung allgemein betrifft. Um den Kunden etwas zu vermitteln bedarf es „griffiger“ Titel.
    „Die Mordserie an türkisch- und griechischstämmigen Geschäftsleuten“ bentzt einfach niemand, mal abgesehen davon, dass auch diese Zusammenfassung nicht stimmt.
    Im Prinzip hat es Claus den Nagel meiner Meinung nach besser auf den Punkt gebracht. Nur nicht zu viel hineininterpretieren.
    Zum Rest des Kommentars, der mir zum Teil als Getrolle untestellt wurde, stehe ich nach wie vor. Ich habve meinen Eindruck davon wiedergegeben, was dazu führt, dass italienische Einwanderer weniger diskriminiert werden oder wurden als türkische.
    Und dieser Eindruck entstand auss eigener Erfahrung meines nun 40 Jahre währenden Lebens. Ich bin nicht rassistisch, nicht rechtsradikal. Ich habe türkische, italienische und deutsche Freunde.
    Und by the way habe ich von keinem an dieser Stelle eine enstprechende andere Erklärung für die unterschiedliche behandlung gefunden.

  15. Bitte die Kirche im Dorf lassen.

    Bei „Taxi-Morden“ werden auch keine Taxis ermordet. Dönermorde klingt nicht toll, da gebe ich Dir recht. Aber „Dönerbudenbesitzermorde“ wäre sowohl für eine Soko als auch einen Zeitungsartikel ein ziemlich sperriger Begriff. Wenn dann noch das Argument mit den namenlosen Griechen und Türken hinzukommt, was wäre dann dein Vorschlag: Die Mordserie an den acht Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund und einem Angestellten“?

    Sprache prägt Bewusstsein, dass stimmt. Aber man muss auch nicht überall etwas hineininterpretieren.

  16. @Mark: Es ist tatsächlich so, dass mein Opa erst mit ungefähr 7 anderen Gastarbeitern in einem Container gelebt hat. Als er einige Zeit später meine Oma und die Kinder nach Deutschland holte, wollte ihnen niemand eine Wohnung geben. Die Italiener sind an den Rhein in die Kleingartenkolonien und haben sich Baracken ausgebaut. Erst in den 80ern durften sie in eine Hochhaussiedlung ziehen.
    Das wichtige am Begriff „Gast“ in „Gastarbeiter“ ist, dass der Gast nach verrichteter Arbeit doch bitte wieder nach Hause geht.

  17. Sehr guter Artikel!

    Ich möchte noch einmal auf den Begriff „Gast“arbeiter zurückkommen.

    Irgendwie ist es doch immer so, dass wir Deutschen von der herzlichen Gastfreundschaft in südlichen Ländern schwärmen. Wobei das bedeutet, offenes Haus, freundliches Aufgenommenwerden.

    Und wir? Ein Gast, dass ist der der in unser Haus kommt.
    Und den wir jederzeit vor die Tür setzen können, es ist ja schließlich unser Haus!
    Dem wir als Behausungen menschenunwürdige Container anboten.

    Das Wort „Gast“arbeiter ist sicherlich nicht unbedacht gewählt worden.
    Mark

  18. Mir ist der Begriff zwar auch unangenehm aufgefallen, aber ich bin mir sicher, praktisch überall von „sogenannten Döner-Morden“ gelesen zu haben. Immerhin. Davon abgesehen muss ich Mithrandir teilweise Recht geben. Derlei Verbrechensserien werden fast immer griffige Namen gegeben.

    Viele Medien schreiben übrigens auch „Nazi-Mordserie“ oder „Neonazi-Mordserie“, obwohl da ganz offensichtlich keine Nazis ermordet wurden. Der grammatikalische Kopf (Nazi-, Döner-) beschreibt also nicht zwangsläufig das Opfer.

  19. Meine Urgroßmutter war eine Ungarin die mit einem Tschechen eine Tochter (Marie) zeugte, die mit einem Tschechen meine Mutter zeugte, die wiederum mit einem Mecklenburger mich zeugte. Aber mein türkischer Kollege hält mich für die Inkarnation des Deutschseins. Soviel zum Thema Abstammung.

  20. Endlich bemängelt mal jemand diese unsägliche Phrase. Danke! Das stört mich, seit ich es zum ersten Mal gehört habe.
    Dieses unterscheiden von Menschen allein nach der Herkunft finde ich ganz übel. Vor allem die kleinen Stiche, von denen Sarah schreibt, sind so gesellschaftsfähig, dass die meisten gar nicht mehr mitbekommen, wie unverschämt sie gerade werden.

  21. Danke dafür – gerade das ‚zweite Muttersprache‘ Thema ist bei mir wohl das selbe.

    Danke auch für die andere Worte – ich, Halbtürkin, dritte Generation, wurde auch nie Opfer von direkter Diskriminierung, allerdings sind es doch auch die kleinen Stiche die weh tun können.

    Meine Mutter heiratet nun in zweiter Ehe in Italien und ich bin mehr als glücklich und gesegnet über so eine großartige internationale Familie.

  22. Eigentlich ist Gastarbeiter ein schönes Wort. Es könnte viel Positives ausdrücken: Erstens kommen Gastarbeiter, um eben zu arbeiten und nicht um sich hier durchzumogeln, wie so oft kolportiert wird. Zweitens ist Besuch von einem Gast etwas schönes. Drittens sollte gerade ein Gast eigentlich besonders zuvorkommend behandelt werden, gerade, wenn er wegen erstens da ist. Dagegen klingt Einwanderer schon ein wenig invasiv. Leider sind diese Assoziationen verschwunden bzw. nie aufgekommen, es ist, wohl bereitwillig, zum Schimpfwort verkommen. Schade.

    @ Mithrandir
    Hin und her gerissen zwischen gerechtfertigt eingeforderter Einmischung und zu vermeidender Trollfütterung entscheide ich mich für ersteres. Zur Wortwahl der Medien wurde von Alberto alles gesagt. Der Rest ist so offensiv bräsig, dass ich an bewusste Provokation glaube(n will).

  23. Nun ja, Wortfindung. Was sollten die Zeitungen schreiben?
    Es sind nun mal Dönerbudenbesitzer gewesen.
    Hätte man Pizzerienbesitzer ermordet, wären es die Pizza Morde oder die Wienerwald Morde oder Hamburger Morde, wenn es McDonalds Besitzer gewesen wären.
    Hier gleich wieder Diskriminierung zu schreien halte ich für überzogen.
    Die Geschichte mit den weniger diskriminierten Italienern ist auch nachvollziehbar (und mit nachvollziehbar meine ich nicht gerechtfertigt).
    Die Italiener sind halt auch näher an unserer Kultur. Das machte die Sache einfacher. Die italienische Sprache ist nicht ganz so fremd, da das Romanische auch Teile der deutschen Sprache bildet. Außerdem hatten viele noch Latein gelernt (wieder die Religion). Das machte die Sache vertrauter.
    Bei den Türken kommen komplett fremde Sprache und fremde Religion zusammen.
    Ich habe das Gefühl, dass Türken sich auch weniger dem deutschen Einfluss geöffnet haben. Bei aller Toleranz, kann ich es nicht verstehen, dass Kinder in der zweiten oder gar dritten Generation immer noch nicht richtig Deutsch können.

  24. Georg Simmel schreibt:
    Als „Ein-Wanderer“ kommt er von außen an einen bestimmten Ort, hier lässt er sich nieder und wird sesshaft. Er beibt aber ein zumindest „potenzieller Wandernder“, da er ursprünglich von woanders kommt und ihm gegenüber stets die Annahme besteht, dass er weiterziehen könnte. Er hat die Gelöstheit des Kommens und Gehens nicht ganz überwunden.“
    Fremdheit kann faszinieren und/oder „Angst“ machen.

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