Der garstige Anblickszwilling

Gestern fragt mich eine Wurstverkäuferin doch tatsächlich, ob es mir irgendwie nicht gut geht. Das muss man sich mal vorstellen! In Berlin!
Ja was solls, mag der Leser aus der Provinz sagen. Ne, ne, ne!
Wer in Berlin lebt, der weiß wie scheiße man aussehen kann. Augenränder, eitrige Pickel, Ekzeme, offene Wunden. Alles kein Grund jemanden anzusprechen, dass er schlecht aussehe.
Das geht mir durch den Kopf, als die Fleischereifachverkäuferin mich mitleidig über den Tresen anblickt und versonnen ihr Mett streichelt.
„Hach, danke mir geht’s aber nicht schlecht,“ fletsche ich mein bestes gekünsteltes Lächeln.
Sie schüttelt den Kopf „Wollen se vielleicht ein Glas Wasser, se sehen wirklich nich jut aus.“
„Mir geht es hervorragend, aber danke für ihre Sorge,“ wieder versuche ich den Eindruck des frischen Frühlings in Person zu machen.
„Se sinn doch öfter hier, hm? So mit schwarzer Felljacke sons?“
„Hab keine Felljacke, sie verwechseln mich wohl.“
„Ach?“
„Ja.“
„Na die andere sieht aber echt besser aus, wa?“
„Vielen Dank auch.“
„Nu wenn et ebben so is?“
[…]
„500 Gramm handwarmes Fleischmett mit Zwiebeln bitte.“

8 Gedanken zu „Der garstige Anblickszwilling“

  1. MC Winkel sagt:

    Ein ordentlicher Schub für’s Ego, willichmasang!

  2. Felo sagt:

    Mach dir nix draus, Nuf, die lernt das nett sein wahrscheinlich gerade erst, die übt halt noch!
    Hat wahrscheinlich kürzlich eine Fleischfachverkäuferschulung hinter sich gebracht und muss jetzt versuchen, das dort erlernte zu verstehen und zu verarbeiten: Nettigkeit und menschliche Anteilnahme zu dem Kunden hin. Das kann wie eine Fremdsprache sein, die man ab einem Alter eben nicht mehr so schnell erlernt!
    Beim nächsten mal antworte ihr mit deinem schlechtesten Suaheli, damit die auch mal sieht, wie das ist! So.

  3. wasweissich sagt:

    Einer Freundin von mir passierte kürzlich dies (auch Berlin) in einer Bäckerei:

    Verkäuferin: „Sie sehen aus wie diese Politikerin, die von den Grünen.“
    Freundin: „Was? Welche denn? Doch nicht etwa Claudia Roth?“ (Mutmaßung wegen ähnlicher Haarfarbe)
    Verkäuferin: „Ja, genau die.“
    Freundin: „Aber ich sehe doch nicht wirklich aus wie Claudia Roth.“
    Verkäuferin: „Naja, Claudia Roth sieht vielleicht ein bisschen besser aus als Sie, das stimmt.“

  4. KleinesF sagt:

    Scheint so, als habe die Unfreundlichkeit der Berliner eine neue Sphäre erreicht. Das musste ja so kommen.

  5. <°((( ~~< sagt:

    Musstest Du ihr Fleischmett eigentlich erklären?

    In den Gegenden, wo nur noch hippe Auskenner wohnen, gibt’s doch sehr wahrscheinlich auch anderen. Und die Fleischwarenfachverkäuferin kennt das Original schon gar nicht mehr…

  6. Carsten sagt:

    Whoa… Mit der Zielsicherheit einer Cruise Missile in ein Fettnäpfchen mit der Größe eines Olympia-Schwimmbeckens.

    Das nenn ich mal nen Volltreffer.

    Wie sagt M. Mittermayer noch so schön: „Sie f***ende Fleischfachverkäuferin!“

  7. Tresenthesen sagt:

    Boah, der wäre ich an die Gurgel gesprungen! :-D

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr als 5x können Sie in einem Monat nicht kommentieren. So sorry! Ist das Gegenteil der Fall und sie möchten einen Kommentar hinterlassen, wissen aber nicht, was sie schreiben sollen, dann nutzen Sie den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken