Muddi sagt was zum Muddi-Interview

So, ihr lieben Hasis! Ich sach jetzt mal als Muddi was zum LeFloid Interview mit der Kanzlerin.

Tatsächlich regen mich die herablassenden Kommentare, die ich auf Twitter dazu lese auf. Zuallererst: Ohne die re:publica 2013 wäre das Phänomen LeFloid völlig an mir vorbei gegangen. Ich bin 40. Ich bin zu alt für YouTube. Diese Bussibussi Haul Videos, die Beauty Channels, die Lets Plays… ich kann sie nicht ertragen. Genauso wenig LeFloid mit seinen LeNews. Die zack-zack Schnitte, das Gefuchtel und diese Sprache – das ist nicht auszuhalten für mich (ich rufe das aus meinem gepolsterten Schaukelstuhl und fuchtele mit einem Stock dazu)! Aber das ist egal. ICH bin nicht die Zielgruppe, ich bin zu alt, ich muss das nicht verstehen und nicht gut finden. Allerdings muss ich das kennen. So. Weil es interessiert nämlich meine Kinder und zwar brennend.

So wie mich als Kind und Teenager bestimmte Dinge interessiert haben, die meine Eltern nicht beschäftigt haben. Ich überlege mal kurz, was mich interessiert hat: türkisfarbene Bomberjacken mit übergroßem Fellkragen und schlabbrige Diesel Tyler Jeans, Bonnie Bianco, das Musikmagazin Formel Eins, der Atari meines Schulfreundes, den ich nur anschauen, nicht anfassen durfte, die Bücher von Wolfgang und Heike Hohlbein, Zungenküsse muss das sein? Ist doch ziemlich ekelig, oder?

Warum ich das aufzähle:

a) Meine Eltern hat das (in meiner Wahrnehmung) nicht besonders interessiert
b) Das waren nicht gerade die hochgeistigen Themen der 80er Ära

Zurück zu LeFloid: die Kinder interessieren sich für diesen Typen, sind regelrecht Fan, schauen regelmäßig was er macht und denken nach über das was er erzählt. Ohne LeFloid würden sie ziemlich sicher nicht über aktuelle (politische) Themen Bescheid wissen und eine Meinung dazu haben, die man auch mit ihnen diskutieren kann.

Wieder zurück zu mir: Ich bin politikverdrossen. Die Haltung der großen Parteien zu Themen, die mir wichtig sind (z.B. Netzpolitik, Familienpolitik, Europapolitik, Asylpolitik), sind für mich unerträglich.
Ich bin ein Kind der Kohlära und wie es mir scheint, steuern wir mit Frau Merkel auf eine ziemlich ähnlich unbewegliche und konservative Ära zu. Wenn sich jetzt meine Kinder für Politik interessieren – was soll ich dagegen haben?

Ich rechne es LeFloid hoch an, dass er schafft nicht unwesentlich viele Kinder und Jugendliche für Politik und Tagesgeschehen zu interessieren. Punkt.

Zum Interview selbst. Da sitzt ein 27jähriger YouTuber, der mit der Bundeskanzlerin spricht. Ich halte mich für klug und kritisch aber ich habe zuletzt in meinem Gespräch mit Murkudis gemerkt wie wahnsinnig schwierig es ist, kritisch zu bleiben, wenn jemand einem sympathisch ist, seine Sache gut verkauft und ein Kommunikationsprofi ist. ICH möchte kein kritisches Interview mit Frau Merkel führen. Ich habe sie einmal live gesehen und war geschockt, wie sympatisch sie rüberkam, obwohl sie über die Aufhebung der Netzneutralität in Deutschland sprach. Hinterher hätte ich mir gerne das Hirn mit Kernseife ausgewaschen und mich drei Mal geohrfeigt, aber die Frau ist ein Medienprofi.

Ich glaube, es ist extrem schwierig ein kritisches Interview zu führen. Die Grenze es dann überhaupt führen zu dürfen stelle ich mir eng vor. Man hat also vermutlich die Wahl zwischen einem gefälligen Mittelweg oder gar keinem Interview und in diesem Licht hat LeFloid das gut gemacht.
Zumal, er wirkte auf mich wirklich sehr gut vorbereitet. Es gibt andere Formate von „Journalisten“, welche versuchen die Medienglätte von Politikerinnen und Politikern zu knacken, indem sie sich doof stellen und sich wie ein Kasper benehmen. Ich konnte mir dieses Format nicht anschauen. Zu viel Gekasper für zu wenig überraschenden Output.

Für mich ist dieses Interview nicht der Untergang des Journalismus, es ist der Anfang eines Dialogs.

Und wenn ich LeFloid einen Verbesserungstipp geben müsste, das hat Leitmedium bereits sehr gut formuliert: „Ein paar Interview-Kniffe hätten das Gespräch bei gleichem Inhalt wahrscheinlich weniger zustimmend wirken lassen. LeFloid sagt oft “absolut!” an Stellen, die eigentlich nicht passen. Ich kenne das aus meinen Podcasts: Man möchte dem Gegenüber mitteilen, dass man zuhört und verstanden hat. Für ZuhörerInnen wirkt es aber wie eine inhaltliche Zustimmung. Es ist besser, hier auf ein leises Nicken zu setzen: Das hört man nicht, aber GesprächspartnerInnen sehen, dass man ihnen weiterhin folgt.

Das habe ich auch so empfunden. Das „absolut“ war in vielen Fällen gar keine Zustimmung sondern eine Worthülse. Jede weitere Kritik an der Sprache ist albern. Ob jemand sagt „Ja, cool“ oder „Frau Bundeskanzlerin, ich verstehe ihren Punkt“, das ist doch egal.

Deswegen: Ich fands gut. „LeNews“ war bislang nicht bekannt ein kritisches Medienformat zu sein (ich glaube, es läuft unter Boulevard-Magazin), den Anspruch, dass das Interview nun aber kritisch investigativ sein sollte, kann ich nicht nachvollziehen. LeFloid war gut vorbereitet, er hat eine Diskussion angestoßen und er hat sogar die Eltern der Kinder und Jugendlichen erreicht.

 

21 Gedanken zu „Muddi sagt was zum Muddi-Interview“

  1. Steffi sagt:

    Ich gebe dir recht. Wir sind im Freundeskreis auch zur Erkenntnis gelangt, dass wir einfach nicht die Zielgruppe von LeFloid sind (ich hatte den Namen immerhin mal gehört, mir aber nie was angeschaut.
    Und ich denke auch, wenn er bei Kindern/Jugendlichen auch nur ein Minimum an Interesse für Politik wecken kann, dann ist dass eine gute Sache!

  2. Nihilistin sagt:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************
    Genau! Genau! Genau!

    Ich bin fast 50, der Junge liegt komplett außerhalb meines Medienkonsums (ich find ihn aber witzig), aber ich denke genau DAS: Wenn der es schafft, daß 5 Kids sich irgendwie für Politik interessieren (und sie das ohne ihn nicht tun würden), dann ist er da, wo er ist, genau richtig. Mit und ohne Interview.
    *****************/KOMMENTAROMAT**********************

  3. sabine sagt:

    etwas off topic …
    auch ich bin ein Kind der Zeit des Wiedervereinigungskanzlers, dennoch bin ich gerade brutal über das Wort „Kohlära“ gestolpert – klingt es, falsch betont, doch sehr nach „Cholera“ … es muss die Hitze sein!!!

  4. Ben sagt:

    fefe hat das ganz gut auf den Punkt gebracht: http://blog.fefe.de/?ts=ab588402

  5. seanrose sagt:

    .
    [p.s: ernsthafte frage: wer in den klassischen medien hat eurer meinung nach das letzte kritische interview mit angela merkel geführt, wer von den „scharfkantigen“ ist an sie herangekommen, bzw. wer wurde so nahe an sie herangelassen? bitte mit referenz, danke]

  6. ohnel sagt:

    Was mich an der ganzen „nicht investigativ und kritisch genug“- Diskussion nervt, ist, dass die sogenannten seriösen, also die etablierten und vor allem alten Journalisten und Medien in ihren Interviews doch auch nicht wirklich mehr rausbekommen, als gelernte Sätze und Statements.
    Wann hat sich denn bitte eine Frau Merkel oder ein anderer Politiker das letzte Mal wirklich überraschend auf eine „kritische“ Nachfrage geäußert? Sie sind eben Profis auf den gewohnten Mediengebieten.
    Ich bin wirklich kein LeFloid-Fan, aber er hat es zumindest geschafft, dass Frau Merkel sich in einem neuen Medium ausprobiert hat und dort überhaupt mal statt gefunden hat. Vielleicht reicht das als erster Schritt schon.

  7. Marian sagt:

    Mit Verlaub, aber das ist eine Romantisierung der Tatsachen.

    Es mag sein, daß LeFloid junge Menschen an das Thema Politik heranführt. Es mag auch sein daß seine „absolut“ und „ja cool“ Äusserungen Übersprungshandlungen sind. Ich widerspreche auch nicht, daß Angela Merkel ein Medienprofi ist. Aber genau daraus entsteht das Problem. Warum tut er sich das ganze überhaupt an? Warum begibt er sich überhaupt in die Gefahr, sich zum Wahlkampfinstrument machen zu lassen? Und warum versucht er nicht (zum Beispiel) zeitnah ein Interview mit Gysi/Kipping/Riexinger/Peter/Özdemir/… anzusetzen? Bundeskanzlerin vs Opposition. Für mich klänge das fair.

    Wenn jemand die Generation <24 an Politik heranführen möchte, dann doch bitte neutral.

    1. Christian Kunze sagt:

      Ich selbst wähle anders. Aber ich halte es dennoch für einen Gewinn, dass junge Menschen überhaupt ein Politikinterview schauen und dem vielleicht sogar entgegenfiebern.

      Lefloid betreibt kein Polittalk-Format. Dies jetzt für andere Parteien zu fordern, geht für mich zu weit. Das würde seiner Reichweite vielleicht sogar schaden. So „langgezogene“ Interviews kann man nicht jede Woche bringen.

      Wenn so eine Abfrage reinkommt, kann man es machen oder man kneift. Ich finds gut, dass er sich da ran gewagt hat.

      Und wenns ihm gefällt, gibt’s vielleicht zur nächsten Wahl mal Interviews mit allen Spitzenkandidaten. Aber auch da werden wieder Leute rufen: „und was ist mit meiner Partei?“

  8. christiane sagt:

    Ich habe LeFloid letztes Jahr entdeckt und meinem damals 17-jährigen Sohn empfohlen:) Er winkte daraufhin ab und verwies auf seinen PW Unterricht. Er hat trotzdem mal reingesehen. Ich habe die Lehrerin letzte Woche bei der Abi Zeugnisausgabe gesehen und glaube, dass sie auch LeFloid guckt. Der Typ ist gut.

  9. Doro sagt:

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    Genau!
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  10. Ulrike sagt:

    Den Youtuber kannte ich noch nicht; im Interview fand ich ihn angenehmer weil ruhiger als in dem Teil, der davor kam. Bei der hektischen Schnittfolge, die in den Medien immer stärker präsent ist, habe ich den Eindruck, er rede ohne Punkt und Komma. Mir fehlen die Pausen zwischen einzelnen Sätzen. Aber das ist eine typische moderne Krankheit des Fernsehens und der Youtubekanäle.

  11. Mona sagt:

    LeFloyd ist so cool und die ganzen Hater sollen es erstmal besser machen! Die ältere Frau kenne ich irgendwie aus dem Fernsehen, glaube ich.

  12. Annkathrin sagt:

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    Genau!
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    Ich kann dir zu 100% zustimmen.

    Zudem glaube ich, dass unsere „etablierten“ Medien aus zwei Gründen so reagiert haben, wie sie reagiert haben.

    1. Sie sind klickgeil und wenn sie LeFloid fertig machen, haben sie mehr Klicks, als wenn sie es nicht tun oder das Thema gar nicht aufgreifen.
    2. Sie sind neidisch, weil sie es niemals niemals nie schaffe, so eine große Reichweite generieren.

    Ich weiß Kritik mit dem typischen Neid-Vorwurf zu begegnen ist nicht immer angebracht, aber in diesem Fall bin ich davon überzeugt, dass all die Journalisten einfach neidisch sind.

  13. Kasper Nase sagt:

    Danke für den Text. Vollste Zustimmung.
    Bin in einer ganz ähnlichen Situation und sehr froh, dass LeFloid – den ich für sehr intelligent und reflektiert halte – bei meinen Töchtern Interesse für das politische und gesellschaftliche Weltgeschehen weckt. Als Eltern hat man da irgendwann nix mehr zu melden.

  14. Thankmar sagt:

    Als jemand, der zwar den Namen LeFloid kennt und nur aus Beschreibungen weiss, was er macht, habe ich mir gespart, die Diskussion darum zu verfolgen, zumal meine Kinder noch nicht im Youtube-Alter sind. Mein Bauchgefühl ging in die von Dir geschilderte Richtung. Danke fürs Geraderücken der Perspektive und die Zusammenfassung.

  15. Da Na sagt:

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    Genau!
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    Auser daß du nicht politikverdrossen bist (eher parteiverdrossen ; )
    Ich kannte LeFloid zwar schon vor der rp aber sonst seh ich das genauso. Die Frau ist Profi. (Erinnerte mich an Hr. Seibert auf einer rp, dem alle an den Lippen gehangen haben.)
    Aber wenn man solche Sachen zu hören kriegt wie „andere Meinungen muß man eben aussitzen“ dann kommt mir schon das Spucken.
    Ich hab auch nicht die komplette halbe Stunde geschafft. (Warum hat YT keinen doppelte-Geschwindigkeit-Modus wie Podcasts?)

    1. a sagt:

      Um die Geschwindigkeit zu ändern, unten rechts auf das kleine Zahnrad klicken und Geschwindigkeit auswählen.

  16. Uli sagt:

    Ich bin ja immer noch baff, dass der Typ gerade mal 3 Jahre jünger ist als ich, das was er macht ist für mich gefühlte Lichtjahre weit weg. Ich glaube Jan Böhmermann hat das mal sehr passend mit den Boy- und Girlbands der 90er Jahre verglichen (inklusive dem totalen Ausverkauf), da mussten unsere Eltern auch durch. Mal sehen wie viele Jahre uns dieser Trend noch begleiten wird und ob Merkel dann noch Kanzlerin ist…

  17. Tobias Migge sagt:

    YouTube auf „Bussibussi Haul Videos, die Beauty Channels, die Lets Plays“ zu reduzieren ist m.E. nicht fair. Man muss nur die Perlen in der Sch… suchen und finden. Für mich sind das meist englischsprachige Kanäle, die sich mit Themen befassen, die mich interessieren, z.B. von Tom Scott oder Brady Haran.
    Oder auch die Kanäle von dailyknoedel oder Rayk Anders.

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