Kleine Männer mit behaarten Füßen

Hätte Peter Jackson meine Diplomarbeit geschrieben, wären aus „Der Hobbit“ keine drei Teile geworden.

Mitte der 90er habe ich mal einen sehr lustigen Artikel über die Ausstrahlung von Pretty Woman im arabischen Raum gelesen. Im Grunde ging durch die Zensur die komplette Handlung verloren und der Film schrumpfte zu einem Kurzfilm über einen reichen Mann, der mit seinem geliehenen Lotus Esprit Turbo nicht umgehen kann. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen übernimmt dieser Mann am Ende ein Familienunternehmen namens Morse und saniert es.

Ich schaue mir natürlich keine zensierten Filme an – jedoch erlebe ich oft einen ähnlichen Effekt, weil ich meistens im Kino einschlafe. Skyfall beispielsweise fand ich nicht sooo spannend, weil sich James Bond nach einer spektakulären Motorradjagd über die Dächer eines Basars in einem Büro einfindet, um sich kurz mit einer Frau zu unterhalten, die sich nach wagemutigen Autoverfolgungsszenen zu Beginn des Filmes entschlossen hat, Sekretärin zu werden.

Es könnte sein, dass Der Hobbit für mich aus den selben Gründen so enttäuschend war. Oft ist es natürlich auch die Differenz aus unbändiger Vorfreude, wahnwitzigen Erwartungen und tatsächlichem Erlebnis. Ich weiß noch genau als ich damals den ersten Teil von Herr der Ringe sah und am Ende des Films wie hypnotisiert aus meiner Begeisterung aufwachte und dachte: „Oh nein, was ist wenn ich sterbe bevor ich den 2. Teil gesehen habe???“

Tatsächlich meine ich aber mindestens zwei der drei Stunden wach gewesen zu sein. Vor allem am Anfang als die Zwerge in Disney-Manier sangen. Wobei, ich glaube, da bin ich doch kurz eingenickt, denn als ich aufwachte und sie immer noch sangen, dachte ich: „Oh, sie singen schon wieder ihr Heiho!“

Die Witzchen im gesamten Film waren ungefähr auf dem Niveau, das man humortechnisch haben muss, um über Langnesewerbung lachen zu können.

Klar ist Der kleine Hobbit ein Kinderbuch. Aber wenn die Verfilmung das wiedergeben soll, dann sollten vielleicht ein Paar weniger Orks enthauptet und aufgeschlitzt werden, dann könnten das zehnjährige Kinder sehen und sich daran erfreuen.

Ich glaube, was dem Hobbit passiert ist, ist das was alle kennen, die mal einen sehr langen Text verfasst haben und ihn wieder kürzen mussten. Eine Diplomarbeit z.B..

Da schreibt man hups 370 Seiten und hat so viel Arbeit und Energie rein gesteckt, dass man jede Seite für unverzichtbar hält. Man ist fast ein bißchen verliebt in den furtchtbar erkenntnisreichen und schlauen Text und genau mit dieser Erwartung überreicht man ihn einer guten Freundin zum letzten Abnicken. Die meldet sich alsbald und fragt: „Möchtest Du den Text freundschaftlich oder ehrlich kritisiert wissen?“

Man antwortet blauäugig „Natürlich ehrlich!“ und weint nach Erhalt des Textes zwei Tage am Stück, reicht dann eine Verlängerung im Studienamt ein, verreist zehn Tage, um Abstand zu gewinnen und überarbeitet die 370 Seiten zwei volle Wochen. Am Ende hat man nur noch 180 Seiten und erhält eine eins.

Das hätte Peter Jackson auch machen sollen, nehme ich an.

11 Gedanken zu „Kleine Männer mit behaarten Füßen“

  1. Zum Thema Altersfreigabe bei Filmen, wenn man Kindern die Realität nicht vorenthält, weil man sie vor dem wahren Leben schützen will, können Kinder schon sehr früh einschätzen was Real und was Film ist, Kinder können manchmal besser zwischen Fantasie und Realität unterscheiden als so manch ein Erwachsener…! Die Kinder, die im Altertum gelebt haben sind mit einer viel härteren Realität klargekommen als wir uns das alle vorstellen können, Kindern darf man das Leben nicht Zensieren, je eher sie verstehen um was es wirklich geht umso stabiler werden sie….!

  2. Anne sagt:

    Ich wollte ja selber noch drüber schreiben, aber hier mal so ungeordnete Gedanken: Ich mochte den Film mehr, als ich gedacht hatte. Ja, er war sehr lang, vor allem, wenn man bedenkt, dass es nur ein Drittel des Gesamtfilms war, aber tatsächlich fand ich das zur Abwechslung mal sehr schön (obwohl ich Überlänge sonst gar nicht so gut kann). Die Gesamtlänge des Films entspricht dann vermutlich ungefähr der Gesamtlänge des ungekürzten Hörbuchs, das ist doch irgendwie passend.

    Vielleicht sollte man das weniger als Filmtrilogie sehen als Miniserie, die halt in drei Staffeln gesendet wird, dann wirkt es schon gleich weniger bescheuert.

    Allerdings muss man dazu sagen, dass ich überhaupt gar kein Problem habe, drei Stunden lang Martin Freeman anzuhimmeln. Insofern bin ich vielleicht auch tatsächlich zu befangen, um mich auch nur annäherungsweise subjektiv darüber zu unterhalten.

    Außerdem interessant: Der Mann mochte den Film auch, und der kann mit Fantasy eigentlich gar nichts anfangen. Er hat dann danach auch damit angefangen, ob mir aufgefallen wäre, dass im Prinzip der ganze Film durchkomponiert gewesen wäre mit Leitmotiven und allem Zipp und Zapp, fast wie bei Wagner. Ist mir natürlich nicht aufgefallen, aber ich hab mich ja auch nicht jahrelang mit Oper und Wagner und Filmmusik und was-weiß-ich-nicht-noch beschäftigt.

  3. BlogDog sagt:

    @Joe Nevermind
    Ich gebe Dir recht, dass das FSK-System allenfalls ein Ratgeber, eine gewisse Orientierung oder Richtlinie darstellt. Ich für meinen Teil achte aber sehr darauf, was mein Sohnemann (9) sieht und ob er für den Film, die Serie etc. geeignet ist. Diese „Anforderung“ nehme ich als Papi sehr gerne in Kauf ;-)

  4. hafensonne sagt:

    Es gibt noch Schlimmeres als kürzen: Bereits gekürztes wieder verlängern! Ich habe mal einen Auftragsartikel geschrieben, der Auftrag beinhaltete eine recht rigorose Vorstellung von der Artikellänge. Ich habe gekürzt, was das Zeug hielt, es gab kein einziges Füllwort mehr in dem klinisch sterilen Text. Als der Artikel eingereicht und positives Echo erschollen war, hieß es plötzlich, ja nee, wir hätten den gerne als Fortbildungsartikel zertifiziert, dann muss er aber mindestens X Seiten lang sein.

    Da stehste da und denkst, OK, wenn ich jetzt noch die zu lange Version mit den Füllwörtern hätte… aber sowas hebt man ja nicht auf… und das ist dann richtige Arbeit.

  5. Pterry sagt:

    Auf den Langnesewerbespot bezogen: die Werbemacher fanden es wohl sehr witzig, dass das Saxophon-Solo durch ein Trompetensolo dargestellt wird… (kann mir den Humor des Films gut vorstellen)

  6. so – nochmal mitrichtigem Link…. Peinlich…

    Und ja … Pans Labyrinth war in Teilen wirklich unheimlich schockierend. Das FSK-System ist jedenfalls ein schlechter Maßstab um absehen zu können, ob ein Film für ein Kind geeignet ist. Eigentlich sollte man mehr darauf achten, ob ein Kind für einen Film geeignet ist, aber das würde ja Anforderungen an die Eltern stellen… niemals!…

    Gruß
    Joe

  7. BlogDog sagt:

    Als bekennender Fan der Herr der Ringe Trilogie freute ich mich schon riesig auf die Hobbit-Verfilmung. Meine Erwartungen waren demnach sehr hoch und wurden nicht enttäuscht. Sehr phänomenal fand ich die grafische Umsetzung sowie die Nähe zur Vorlage. Sicher, für das Kino und die damit verbundenen Zuschauerzahlen wurde etwas „nachgebessert“. Ich fand ihn trotzdem sehr gelungen. Und wenn die Welt heute nicht untergeht, dann kann ich im nächsten Jahr auch den zweiten Teil schauen.

  8. Hachja, „Pans Labyrinth“ .Alles voller Feen und kleinen Mädchen und dann kommt das Dimg ohne Augen…

  9. dasnuf sagt:

    @Joe: Ich gebe auf diese Angaben nichts. Einer der schlimmsten Szenen meines Lebens habe ich in „Pan’s Labyrinth“ gesehen. Der war auch FSK 12.

  10. Ich war ja eher begeistert von dem Film.

    Übrigens zum Thema 10jährige Kinder: „FSK 12“ bedeutet, dass Kinder ab 6, in Begleitung eines Sorgeberechtigten, den Film ansehen dürfen. Immer wieder schockierend, aber Tatsache.

    Gruß
    Joe

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