Schau mir in die gelben Augen, Kleines

Die menschliche Blase kann je nach Körpergröße des Menschen zwischen 600 und 1.500 ml Flüssigkeit halten bevor ein starkes Bedürfnis entsteht, diese zu leeren. Sollte man diesem Drang nicht nachgehen, riskiert man einen Riss der Harnblase.
Ich muss jeden Morgen wenn ich aufwache an Tycho Brahe denken. Tycho Brahe war ein dänischer Adeliger und einer der bedeutendsten Astronomen seiner Zeit. Am 13. Oktober 1601 war er zu Gast bei Kaiser Rudolf II. Die Etikette verlangte, dass man sitzen bliebe, so lange der Kaiser sitzen bleibt. Rudolf II. war 23 cm größer als Tycho Brahe. Seine Harnblase konnte deswegen vermutlich 230 ml mehr Urin fassen. Brahe fügte sich den Konventionen, stand trotz starken Harndrang nicht auf und erlitt einen Blasenriss. Er verstarb 10 Tage später unter großen Schmerzen.
Jeden Tag erwache ich um Punkt 5.20 Uhr und meine Blase ruft „Leere mich! Leere mich! Ich bin schon voll!“. Doch leider liegt mindestens ein Kind quer im ehelichen Bett. Das Kind hat ein ausgeklügeltes Bewegungsmeldungssystem. Dazu steckt es die Füße unter den Nacken des Vaters und legt seinen Kopf auf meinem Kopf. Sobald ich mich auch nur einen Millimeter bewege, setzt es sich aufrecht ins Bett und fragt hellwach: „Ist jetzt Aufstehenszeit?“
Ich habe deswegen eine Technik entwickelt die Bettdecke mit den Füßen so zu falten, dass sie meinen Körper nachahmt. Ich schiebe sie ganz langsam Richtung Kopf. Dann tausche ich Kopf gegen Deckenknödel aus und ziehe meinen Restleib langsam Richtung Bettende weg. In 8 von 10 Fällen bin ich erfolgreich. Doch das Kind im Bett ist nur die erste Hürde.
Zwischen Bett und Toilette liegt leider das Kinderzimmer, wo weitere geräuschempfindliche Kinder schlummern. Wir haben dort Holzboden und genau vor dem Kinderbett ist eine Diele locker und knarzt wenn man auf sie tritt.
Mit einem großen Sprung könnte man die Stelle überwinden. Allerdings ist das Springen weder den Nachbarn zuzumuten, noch könnte ich so leise aufkommen, dass das Kind im Zimmer nicht erwachte. Also lege ich mich auf den Bauch und ziehe mich mit den Armen leise am Kinderbett vorbei. Lediglich das Überwinden der Türschwelle von Kinderzimmer zum Flur ist etwas schmerzhaft (v.a. mit prall gefüllter Blase). Wenn alles gut läuft, erreiche ich 5.40 Uhr das Badezimmer. Ich schließe leise die Tür, versuche sehr leise und langsam meine Blase zu entleeren und spüle.
Wenn ich mich dann umdrehe, um die Hände zu waschen, stolpere ich meist über zwei Kinder, die in der Zwischenzeit doch aufgestanden und mir lautlos in die sanitären Anlagen gefolgt sind. Die Uhr zeigt 5.50 Uhr. Alle Hoffnung auszuschlafen ist zerbrochen.

Alternativ kann ich natürlich mit gefüllter Blase im Bett liegen bleiben und weiter an Tycho Brahe denken. Spätestens um 5.56 Uhr ist meine Angst vor einer Blasenruptur so groß, dass ich aufstehe.

So oder so. Spätestens 6 Uhr sind alle wach.

34 Gedanken zu „Schau mir in die gelben Augen, Kleines“

  1. Letztens lief auf Arte eine Doku über Astronomie, in der auch Tycho drin vorkam.
    Hätte über dieses Thema gerne was gelernt, konnte aber die ganze Zeit bloß denken: „Dem armen Kerl hat’s die Blase zerrissen! OhGottohGott! Dem armen Kerl hat’s die Blase zerrissen! “
    Hmpf.

  2. @ Gregor Heidemann:

    Schreibt man „jetzt“ in dem Zusammenhang nicht klein? Und „sinnfreie“ doch auch, oder?

    Im dritten Satz fehlt übrigens ein Komma, außerdem ist der ein bisschen lang und hätte zur besseren Lesbarkeit mindestens einmal ganz gut getrennt werden können, z.B. zwischen „sieht“ und „ich“, da wo jetzt ein Komma ist.

    Dem Satz „kein Mensch ist so wichtig wie er sich selbst gerne sieht“ (müsste da nicht auch ein Komma hin, ach egal…) würde ich allerdings zustimmen, der Kommentar liefert den Beweis ja gleich mit. Praktisch, war das Absicht oder nur glücklicher Zufall?

  3. @ Gregor Heidemann:

    Sie hyperventilieren.

    Und jeder Ihrer Sätze ist so sinnfrei, dass ich mich herausgefordert sehe, Ihnen diese Wahrheit zu sagen.

    Und wenn ich dann auch noch die von Ihnen verlinkte Beschreibung von Frequenzmensch lese, komme ich aus dem Lachen über die Sinnfreiheit dessen nicht heraus („Frei heraus fängt er an zu Produzieren, seine Intuition leitet seine Idee, die immer am Anfang steht, doch in welche Richtung sie nun läuft entscheidet einzig und allein sein Gefühl, …“). Much Ado About Nothing.

  4. Und was sagt uns das Jetzt? Nichts! Unwichtige leere Worte die aus dem Wunsch der Selbstdarstellung entstanden sind, kein Mensch ist so wichtig wie er sich selbst gerne sieht, ich bin ja ungern so direkt, doch Sinnfreie Texte fordern mich heraus die Wahrheit zu sagen…!

  5. Ah! An die Blasengeschichte kann ich mich aus dem Physik-Unterricht gut erinnern. Anscheinend benutzen die Physiklehrer diese gruselige Andekdote gern, um bei unbedarften Schülern Eindruck zu schinden. Oder Mitleid.

    Leider vergessen sie dabei zu erwähnen, wie unbewiesen diese Behauptung ist. Und sie vergessen noch lieber zu erwähnen, dass sogar Johannes Kepler im Verdacht stand, Brahe vergiftet zu haben. Mit Quecksilber, nicht mit Blasenschwäche.

    Sicher ist immerhin, dass Brahe tot ist. Und dass nächtlicher Harndrang nervt.

  6. Das geschilderte Problem kenne ich nur zu gut :-). Ein Mal muss ich mindestens Nachts hoch, wenn nicht sogar zwei oder drei Mal. Mein Mann steht meistens gar nicht auf, keine Ahnung wie er das macht. Er gehört vermutlich zu den Leuten, mit einer sehr großen Blase :-).

    Liebe Grüße
    Riana

  7. Was für eine wunderbare Geschichte. Und ich dachte bis jetzt, ich sei die einzige, die die eigenen Körperteile aus Bettzeug nachbaut, nur um ein paar ruhige Sekunden zu haben.

  8. wenn ich Pinkeln muss gehe ich Pinkeln, da lasse ich mich von niemanden aufhalten, weil ich mir ja sonst in die Hose oder ins Auto oder auf das Sofa oder ins Bett usw… Pinkeln würde, Ein wahrhaft Pinkelnder Mensch, ist ein wahrhaft freier Mensch… ;)

  9. So einen Geräuschsensor kennen wir. Junior hat sein Bett bei uns im Schlafzimmer. In 8 von 10 Fällen bekommt er mit, wenn wir ins Bett gehen. Allerdings habe ICH Glück, der Lütte schläft lieber in Mama gekuschelt -> viel Platz für den Alten Herrn ;)

  10. Ah, wunderbarst und sehr bildlich beschrieben. Du solltest über die Anschaffung so einer Pullerflasche nachdenken. Die gibts beim Globetrotter. Ist für Kanureisen und ähnliche Situationen, wo man nicht weg kann gedacht. Das wäre doch eine Lösung zwischen Blasenruptur und Aufstehmanöver, hm?

  11. Hihi! Sohn II ist bei uns der mit dem eingebauten Bewegungssensor. Wobei ich dazu übergegangen bin, bei den normalen nächtlichen Unterbrechungen (so 2-3 pro Nacht) auf Vorrat pullern zu gehen. Dann geht das morgens durchaus entspannter!

  12. Sie sind doch so begeistert von Jasper Juul; ich mag den ja auch. Was sagt der zu Kindern, die nie, ich betone: nie zu ihren Eltern in die Betten krochen?! Oder sagt das etwas über die Eltern. Ich jedenfalls kroch weder als Kind noch wurde ich als Vater bekrochen.

    Nicht, dass es mir fehlte oder fehlt. Aber zuweilen leiste ich mir den Luxus des Nachdenklichseins beim Lesen solcher amüsanten Texte wie dem Ihren.

    Mentions

  • 💬 Sandra Hübner

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