Smartphoneverbot bis 28 – ach was – bis 42

Louis C.K. erzählt in einer Latenightshow warum seine Kinder kein Handy haben. „I think it’s toxic, it’s just bad“ Er nennt jedoch im Gegensatz zu den Menschen, die ich sonst als klassische Handyverbieter kennengelernt habe, zwei Argumente, die ich wirklich gut verstehen kann.
Erstens, er sagt sinngemäß, Kinder seien erst gerade dabei soziale Interaktionen zu lernen. Sie probieren sich dabei aus. Um Empathie zu entwickeln, sind sie jedoch auf mehrere Rückkanäle angewiesen. Wenn sie sich z.B. über jemanden lustig machen und gleich im Anschluss sehen, dass dieser jemand verletzt reagiert, überlegen sie, ob es wirklich angemessen war und ob sie das Verhalten beibehalten wollen. Kinder und Jugendliche seien erst dabei ihre Identität zu entwickeln. Würde diese Persönlichkeitsentwicklung ausschließlich oder zu großen Teilen über das Internet, über die hauptsächlich schriftliche Kommunikation stattfinden, käme es zu Problemen.
Ich finde diese Beobachtung nachvollziehbar. Selbst Erwachsene haben beispielsweise Probleme (schriftliche) Ironie zu erfassen und offensichtlich ist es im Internet im Schutze der vermeintlichen Anonymität deutlich leichter rumzupöbeln oder zu trollen. Ich glaube tatsächlich, dass mindestens die Hälfte aller ätzenden Kommentare nicht geschrieben würden, wenn die Kommentatoren einen emotionalen Rückkanal über mehrere Sinne hätten.

Louis C.K. differenziert dann weiter aus, dass das Internet einem die Möglichkeit gibt, immer jemanden bei sich zu haben. Es sei nicht möglich zu lernen, alleine zu sein. Solche Momente auch mal auszukosten sei die Bedingung, dass man Gesellschaft und Freu(n)de überhaupt erst richtig schätzen lernt.

Er erzählt das gewohnt witzig. Ich glaube aber, da gibt es einen wahren, ernsten Kern und dass er einen Entwicklungsschritt beschreibt, der für Jugendliche wichtig ist. Ruhe und Alleinsein aushalten lernen. Sich Zeit nehmen um Selbstreflexion zu betreiben. Ohne Selbstreflexion und Ruhephasen keine persönliche Weiterentwicklung. Das gilt natürlich nicht nur für Jugendliche. Selbst Lösungen für Probleme zu erarbeiten und umzusetzen, hat darüberhinaus übrigens positive Effekte auf das Selbstbewusstsein (und die Self-efficacy).

Das Smartphone bietet die perfekte Ablenkung und Zerstreuung. 24 Stunden am Tag. Jede Lücke lässt sich füllen. Kein Platz für Langeweile und Alleinsein.

Im Artikel „Louis C.K. Is Wrong About Smartphones“ kritisiert Daniel Engber Louis C.K. Sichtweise als altmodisch. Er schreibt „Books and songs enrich us; smartphones make us dumber. “Jungleland” is art; Facebook is a waste of time. But is that really true?
Das stimmt so pauschal natürlich nicht. Denn Smartphonebenutzung ist nicht gleich Smartphonebenutzung. Wenn ich auf facebook lese und Links folge, die meine Freund/innen mir empfehlen, ist das im Grunde nichts anderes als irgendein Buch oder einen Zeitungsartikel zu lesen. Mit einem Smartphone kann man auch Musik oder Podcasts hören. Aber den ganzen Tag Statusmeldungen lesen, posten und liken, das ist doch ein Unterschied. Zumal das ein ganz anderes Suchtpotenzial hat. Der ständige Zuspruch durch die eigene Filterbubble hat einen anderen Effekt als das Lesen eines Buches (und das Beschäftigen mit dem Inhalt) auf die menschliche Seele hat.

Tatsächlich ist der springende Punkt für mich wann und in welchem Ausmaß und auf welche Art Internetkonsum stattfindet und es ist ein Unterschied, ob sich die Persönlichkeit bereits ausdifferenziert hat oder ob Persönlichkeitsentwicklung und exzessiver Internetkonsum parallel stattfinden. Das mag banal klingen, war mir bislang aber nicht so präsent in meiner Argumentation – denn unsere Familienalltag hat mehr als einmal gezeigt, dass ungebremster und unregulierter Internetkonsum über das Handy ziemlich viele Probleme mit sich bringt.

Das Internet ist erst 1997 in mein Leben getreten. Da war ich schon 22. Mich würde wirklich mal interessieren, wie die Einschätzung der Digital Natives zu diesem Thema ist.

21 Gedanken zu „Smartphoneverbot bis 28 – ach was – bis 42“

  1. ? read thi? article cmpletely ?egarding t?? resemblance of latest annd preceding technologies, ?t’s amazing article.

    ?top by my weblog: sales leads database software

  2. sturmfrau sagt:

    Ich komme mir schon in meiner eigenen Generation (bin Jahrgang 1976) bisweilen blöd vor, weil ich kein Smartphone besitze. Ich erinnere mich mit Grausen an Abende, an denen wir mit Gleichaltrigen verabredet waren (also alle so um Ende Zwanzig bis Ende Dreißig) und ich in einer Gruppe von vier, fünf Leuten als einzige ohne Smartphone dazwischen saß wie Falschgeld. Weil die restlichen Freunde, der Gatte mit eingeschlossen, wie gebannt auf die Displays ihrer Telefone starrten, nicht sprachen, mich nicht ansahen und auch sonst mit keinerlei Regung zu erkennen gaben, dass wir tatsächlich gemeinsam in diesem Raum sind und Interesse aneinander und an unserer Zusammenkunft haben. Ein ganz blödes Gefühl, so viel kann ich versichern. Oder neulich, als meine Cousine mich zu kontaktieren versuchte und schließlich per Mail fragte: „Hast Du ’ne andere Telefonnummer? Ich hab‘ Dir ’ne WAM geschickt, aber nichts von Dir gehört!“ Hm.

    Ich würde Smartphones an sich auch nicht verdammen. Wenn mein altes Telefon seinen Geist aufgibt (was hoffentlich noch ein bisschen dauert), dann würde ich mir vielleicht auch ein Smartphone zulegen. Praktisch ist es schon. Aber ich finde es schon sinnvoll, den kritischen Blick auf das Nutzungsverhalten nicht zu verlieren. Ich gehöre wirklich nicht zur Früher-war-alles-Besser-Fraktion, aber ich finde es extrem auffällig, dass bei so vielen inzwischen der Blick nur noch auf das Display geheftet ist. Auch bei fahrradfahrenden Teenagern. Kommt mir vor wie digitale Selbstbefriedigung.

    1. Flusskiesel sagt:

      @sturmfrau
      Dann findest Du Dich bestimmt in diesem Video wieder:
      https://www.youtube.com/watch?v=OINa46HeWg8

      ;-)

      Ich finde es schon bezeichnend, dass im Restaurant usw. jeder sein Smartphone vor sich auf dem Tisch liegen haben muss.

  3. Nina sagt:

    Meine Eltern haben in meiner Kindheit das Fernsehen verboten. Dadurch wurde das Thema so spannend für mich, dass ich völlig fixiert darauf war und überall die Möglichkeit zur Nutzung des Fernsehers nutzte, wo mir das möglich war. Tatsächlich war ich darin so extrem, dass ich anfing meine gesamte Umgebung zu nerven, weil ich überall nur vorm Fernseher hockte im verzweifelten Versuch „nur ja nichts zu verpassen“.

    Meine Freunde, die alle zuhause einen TV hatten und bestimmte Sendungen am Tag sehen durften, hatten hingegen keinen entsprechenden Drang.

    Soviel zum Thema generelle Verbote …

  4. Jens sagt:

    Interessant was Du da ausgegraben hast. Ich finde da ist sehr viel dran. Einerseits finde ich genauso, daß Kinder durchaus ohne ein Handy sehr gut zurecht kommen und das sollte man unbedingt fördern. Diese Unbeschwertheit im Umgang mit gleichaltrigen ist fantastisch und das sollten sie voll entwickeln und ausleben können. Alles andere an Technik stört diesen Prozeß nur bzw. lenkt die Aufmerksamkeit auf andere Dinge, die, wenn man hinterfragt, gar nicht so wichtig sind wie das Zwischenmenschliche.

    Was ich aber auch sehr interessant fand, daß unsere Technik inkl. der Smartphones es ermöglicht, jeden Freiraum zu füllen, keine Langeweile mehr. Als ob Langeweile per se schlecht wäre. Ich finde man hat sehr viel verloren, wenn man jeden Freiraum als vergeudete zeit empfindet. Diese Zeit als das zu empfinden was sie ist, nämlich wertvolle Zeit im eigenen Leben, die einem die Möglichkeit gibt über sich und andere, über vergangenes oder zukünftiges nachzudenken … oder einfach mal durchzuatmen. Ich finde diese zeit sehr wertvoll. Da ergeben sich schöne Gespräche mit meiner Frau, man denkt über Dinge nach, die man sonst als alltäglich hingenommen hat etc.
    Aber auch ich muss mich mit all der Technik zusammenreißen, daß ich diese Zeit auch bewusst erzeuge, mal abschalte was die Technik angeht. Sonst komme ich auch schnell in diese Spirale …

    Gruß,
    Jens

  5. Helena sagt:

    Nunja. Ich (26) finde, er hat sehr recht. Aber: früher hab ich in solchen einsamen Momenten eben ein Buch gelesen, anstatt mich im Internet rumzutreiben. Smartphones/das Internet sind nicht des Teufels, aber das Video ist eine sehr gute Erinnerung daran den Kram auch mal auszumachen.

  6. Aginor sagt:

    Wieder mal ein echt interessanter Eintrag, danke dafür! :)
    Als technikaffiner (aber dennoch kritischer, berufsbedingt) Mensch ist mir das (für später, noch ist es nicht so weit) auch ein wichtiges Thema. Und da ist es hilfreich wenn man nicht nur ein unbestimmtes „ich hab da ein schlechtes Gefühl“ sondern echte Argumente hat.

    Zu einem Deiner Punkte passend (zumindest beinahe) was von XKCD (beim ersten bitte auch den Mouseover-Text beachten):
    http://xkcd.com/438/
    http://xkcd.com/481/

    Gruß
    Aginor

  7. Pingback: Bemerkenswert
  8. Ich finde seine Argumente ganz gut, weiß aber nicht, ob ein Verbot wirklich was bringt. Die Kinder müssen doch auf die reale Welt vorbereitet sein.

    1. dasnuf sagt:

      Ich plädiere nicht für ein völliges Verbot. Eher für altersgemäßen Einsatz und sinnvolle Regulierung. (Gilt dann auch für meinen Umgang)

  9. keith alexander sagt:

    sehr gute hinweise für die weitere erziehung, vielen dank.

    ich überlege oft auch, wie es für die kinder sein wird, wenn sie während des aufwachsens ständig fotos und videos ihrer eigenen vergangenheit sehen- sie werden ja später nie richtig wissen, ob sie sich an geschehnisse oder bilder erinnern. finde ich irgendwie unheimlich.

    1. JoSchu sagt:

      Also Fotoalben gibts ja nun auch schon ein Weilchen. Alle wichtigen Stationen meiner ersten 18 Jahre sind von meiner Mutter jedenfalls fein säuberlich in einem siebenbändigen Gesamtwerk niedergelegt worden und verstauben jetzt irgendwo in meinem Elternhaus. So wie auch die digitalen Bilder der Urlaubsreisen der letzten Jahre irgendwo auf der Festplatte verstauben. Den Großteil dieser Bilder schaut man sich doch nur alle paar Jahre mal an, wenn man eine nostalgische Anwandlung hat („Früher war alles besser.“ – Nein, modisch und frisurentechnisch mit Sicherheit nicht.). Seh da kein neues Bedrohungspotenzial für kommende Generationen.

      Oder aus psychologischer Perspektive: Episodische (Ereignisse) und deklarative (Bilder) Erinnerungen werden im Gehirn in unterschiedlichen Formaten an unterschiedlichen Orten abgelegt. Verwechslungen sind da eher unwahrscheinlich.

  10. nickel sagt:

    Huhu Nuf,

    ich habe dir mal geantwortet, allerdings ist es so lang geworden, dass ich es gleich als Artikel gepostet habe. Steht ja im Pingback, sehe ich gerade. :)

  11. Sabine sagt:

    Witzig finde ich die Beobachtung, dass Smartphones nicht (mehr) zum telefonieren oder smsen benutzt werden, stattdessen scheinen Facebook und Co. herhalten zu müssen (und zwar bei allen Altersstufen). Und die direkte Kommunikation, gepaart mit einer gewissen Verbindlichkeit, ist definitiv ein Auslaufmodell, eine gesellschaftliche Entwicklung, die uns ebenso alarmieren sollte, die die allumfassende Überwachung.

    1. dasnuf sagt:

      Wo Du es gerade sagst: tatsächlich habe ich auch das Gefühl, dass „Verbindlichkeit“ in der heranwachsenden Generation (meiner Stichprobe) einen anderen Stellenwert hat. Die verabreden sich nie fest um 15 Uhr an einem Ort sondern telefonieren/sms noch 20 mal bis sie sich dann oft doch nicht treffen. /Oma Nuf sprach
      Mich würde das total nerven. Aber für die Kinder ist das völlig normal. Wahrscheinlich ist da etwas im Umbruch.

  12. seanrose sagt:

    ah, interessant. ich habe in letzter zeit auch nach kritischen sichtweisen bei den d-natives gesucht, die sich von den [häufig kulturpessimistischen] betrachtungen der älteren generationen unterscheiden sollten. diese ansichten sammeln sich z.b. rund um die „stop phubbing“-aktion von alex haigh, weiss nicht, ob du die kennst, hier mini-interview:

    http://www.heise.de/tr/artikel/Es-ist-wie-ein-Schneeball-Effekt-1940982.html

    1. dasnuf sagt:

      Danke für den Hinweis. Die Initiative kannte ich noch nicht. Allerdings geht die genau in die Richtung, die mir auf die Nerven geht. Allein schon dass man die stopphubbing-Site nicht mobil aufrufen kann und da steht „Stop phubbing and view this website on your desktop“ – argh.

      Ich habe was gegen dieses undifferenzierte: Smartphones sind vom Teufel.
      Klar soll man nicht während der Autofahrt oder beim Fahrradfahren ins Telefon starren. Was aber ist dabei das Smartphone auch in Gesellschaft als Kamera zu benutzen? Oder als Navi? Oder als Karte? Oder um in der U-Bahn zu lesen?

      Wie gesagt, es kommt mir sehr auf Umfang und das wie an.

      Wenn die Kinder Lego mit an den Essenstisch bringen und damit weiter bauen, finde ich das auch nicht gut. Deswegen verbiete ich aber nicht das Lego spielen generell.

      1. seanrose sagt:

        @undifferenziert: das ging mir ganz genauso. ich finde an der aktion halt spannend, dass sie häufig statements zu dem thema von einer generation provoziert hat, die mittendrin ist und die begonnen hat, sich mit dem thema auseinanderzusetzen. „smartphones sind vom teufel“ geht sowieso nicht. warum das so ist, hat kathrin passig in diesem grossartigen text hier für alle ewigkeiten festgehalten. schöne sonntagslektüre für diejenigen, die ihn noch nicht kennen:

        http://www.eurozine.com/articles/2009-12-01-passig-de.html

    2. Flusskiesel sagt:

      Diese Phubbing-Aktion war wohl ein virale Marketing-Kampagne:
      http://www.intmag.de/2013/10/phubbing/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr als 5x können Sie in einem Monat nicht kommentieren. So sorry! Ist das Gegenteil der Fall und sie möchten einen Kommentar hinterlassen, wissen aber nicht, was sie schreiben sollen, dann nutzen Sie den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken