Levelboss Baby LeChuck

Recherchen zufolge habe ich 1993 mein letztes Computerspiel gespielt. Es war ein Picture Adventure und hieß Day of the Tentacle. Davor hatte mich für den Vorgänger Maniac Mansion und für Monkey Island begeistert und ich kann mich noch gut daran erinnern mit wie viel Herzklopfen ich nach siebenmaligem Rückfragen endlich die Tür zum Papageien öffnete und dass ich eigentlich fest eingeplant hatte, mein erstes Kind unabhängig vom Geschlecht Guybrush Threepwood zu nennen.

Computerspielen war damals wahnsinnig aufregend. Es zeichnete sich schon früh ab, dass Computerspielen an sich viel zu aufregend für mein zartes Nervenkostüm war. Mehr als die Hälfte meiner Spielzeit blieb ich Passivspielerin. Es begann alles in den 80ern als der erste Junge meiner Klasse einen Computer zuhause hatte. Leider habe ich nie wieder was von dem Jungen gehört, ich bin mir aber sicher, dass er ein super Software-Entwickler geworden ist. Er hatte eine große Brille und diesen ein Kubikmeter großen Kasten mit pizzagroßen Disketten und er ermahnte mich immer: Nix anfassen.
Da saß ich also und schaute ihm beim Spielen zu und er erklärte mir fachmännisch wie die einzelnen Rätsel zu lösen seien. Ich glaube, es gab damals nicht mal Bilder sondern nur Text und erst am Ende der Grundschulzeit pixelige Spiele.
Jedenfalls hatte ich eine kurze Phase des selbst Spielens, die bis in die 90er reinreichte und als dann die Spielkonsolen erfunden wurden und man bei bestimmten Spielen nicht weiter kam, wenn man nicht 10 Jahre Spielerfahrung mitbrachte, setzte ich mich wieder daneben und fieberte bei den anderen mit.

Nun, was ich eigentlich sagen wollte. Manchmal waren die Rätsel der Picture Adventures wahnsinnig schwer zu lösen. Man musste z.B. einem Pferd ein Physikbuch vorlesen, so dass es sich dermaßen langweilte, dass es sein Gebiss rausnahm und in ein Glas legte und mit dem Gebiss konnte man anschließend irgendwas anderes tolles machen. Natürlich hatte ich zu dieser Zeit noch kein eigenes Internet, aber ein Bekannter eines Bekannten in Berlin hatte das und den riefen wir dann an und fragten wie man weiterkommt. Einige Jahre später, war es schon der erste Bekannte selbst, der ins Internet konnte und wir suchten Foren auf, um die Lösung selbst herauszufinden.

Daran muss ich täglich denken wenn ich mit Kind 3.0 den Tag verbringe. Kind 3.0 ist nämlich ein einziges Adventure. Ein sehr vertracktes dazu.
Es isst z.B. nur, wenn es zwei Löffel hat. Ein Löffel muss einen langen Stiel haben und der andere muss blau sein. Man beginnt zu füttern, es füttert sich ein bisschen selbst und dann stoppt es plötzlich. Es isst erst weiter, wenn es zwischendrin drei Mal von einer Maiswaffel abbeißen darf. Das funktioniert eine Woche. Ohne Vorwarnung rekalibriert sich das Baby und das morgendliche Füttern funktioniert irgendwie anders. Ich probiere dann wild alles aus, klicke nehme verschiedene Gegenstände in die Hand, versuche sie zu kombinieren und dann zack plötzlich funktioniert was total abgefahrenes und ich komme eine Runde weiter.

Neben den Rätseln gibt es reine Geschicklichkeitspassagen. Windelwechsel z.B. Das Baby rennt vor mir weg oder quetscht sich in Nischen und beißt, wenn ich es rausholen möchte. Manchmal reißt es sich die Windel selbst ab und pullert innerhalb von wenigen Minuten mehrere Duzend Male in verschiedene Zimmerecken so dass ich mit dem Wischlappen hinter ihm herrenne und gleichzeitig versuche die neue Windel anzulegen.
So wie vor 20 Jahren liegen mir die Rätsel eher als die Geschicklichkeitsspiele. Die Rätsel löse ich selbst, organisiere mir Lösungen von anderen SpielerInnen oder lese in Foren nach.
Die Geschicklichkeitsaufgaben lasse ich gerne meinen Mann machen.
Soll einer mal sagen Computerspiele seien nicht lebensrelevant. Ohne die Monkey Island Serie hätte ich keines meiner Kinder vernünftig aufziehen können.