Meine Liebe ist wie eine Giraffe

Eltern sorgen sich ständig um ihren Nachwuchs. Ob der Nachwuchs zwei oder fünfzig Jahre alt ist, spielt dabei keine Rolle. Diese Fürsorge treibt manchmal die seltsamsten Blüten. Man hört von Dreißigjährigen, die ihre Schmutzwäsche zur Mutter schicken und sie sauber und gebügelt zurückgesendet bekommen.
Persönlich habe ich eine Freundin, die arbeitet als Senior Consultant in einer namenhaften Unternehmensberatung und empfängt regelmäßig Pakete mit Grundnahrungsmitteln. Sie kann ihrer Mutter einfach nicht abgewöhnen Zucker, Mehl und Kekse zu schicken.
Auch ich bekomme bis zum heutigen Tag selbstgestrickte Socken und warme Unterwäsche zugeschickt.
All das kann durch kein Bitten und Flehen abgewendet werden. Wenn Mütter sich etwas in den Kopf gesetzt haben, gibt es kein Einhalt.
Stoppen lässt sich dieser Umsorgetrieb nicht – bestenfalls umleiten und zwar durch das in die Weltsetzen von Enkeln. Denn dann sind es die Enkel die Zielscheibe all jener Bemühungen werden. Freilich bleibt man trotzdem nicht völlig unberührt.
So erhielt unser jüngstes Kind kürzlich eine überdimensionierte rosa farbene, sehr fluffige Plüschgiraffe. Genauer gesagt war das Kuscheltier deutlich größer als das Kind. Hätten wir nicht schon mehrere riesenhafte Stofftiere und wäre ich nicht ohnehin schon völlig überladen mit dem Zug unterwegs gewesen, ich hätte mich vielleicht stellvertretend für den Säugling gefreut.
So hatte ich nur eines im Sinn: wie werde ich das Plüschungetüm los?
Am Bahnhof hatte ich die zündende Idee: ich würde sie einfach vergessen. Gedacht getan. Als der Zug einfuhr lies ich die Giraffe neben mit stehen und eilte zum Gleis. Als ich einsteigen wollte, kam mir schwer atmend ein freundlicher Mann hinterher und steckte die Giraffe durch die ICE-Tür. „Die haben Sie vergessen!“.
Im Zug verstaute ich sie gewissenhaft im Gepäckfach, packte möglichst viel Fremdgepäck davor und versuchte sie ebenfalls liegen zu lassen. Sie ahnen, auch von dort wurde sie mir hinterher geschleppt. Zuhause angekommen, suchte ich ihr ein schönes Plätzchen in der S-Bahn. Tatsächlich schloss sich die Tür hintermir ohne dass das Geschöpf mir nachgetragen wurde. Allerdings entdeckte mich ein jugendlicher Gentleman als ich parallel zur S-Bahn nach Hause lief und drückte mir stolz das rosa Vieh in die Hand.
Was ich auch tat, die Giraffe wurde mir zurück gebracht. Und daraus lernt man nur eines:
Manchmal ist elterliche Fürsorge ein pastellfarbiges Schnuffeltier – doch aufhalten lässt sie sich nicht.