Aua, aua!

In unserem Hinterhof wohnt der größte Stecher Berlins. Jedenfalls wenn es nach dem Paarungsgebrüll geht, das durch die Lüfte schallt. An sich ist es nicht störend, wenn andere Menschen sich besteigen – nur manchmal, z.B. wenn das sieben Mal am Tag passieren und die weibliche Beteiligte erst Arien kreischen muss bis sich das erlösende männliche Grunzen hinzugesellt, dann bin ich ein wenig genervt.
Zumal doch meistens von anderen Nachbarn unterstützend geklatscht und gepfiffen wird. Dann muss das doch schneller gehen!
Ein wenig unangenehm ist es mir auch, wenn ich ob der Geräuschkulisse ständig lügen muss.
– Was passiert da im Hinterhof?, fragt Kind 1.0 ängstlich.
– Nun, ähhhh, nichts nichts!
– Das muss ich unbedingt sehen, da hat jemand schlimme Schmerzen!
– Aller Wahrscheinlichkeit nach eher nicht.
– DOCH! Jetzt hör’ doch mal. Da tut sich jemand ganz dolle weh.
– Äh, das ist vermutlich im Fernsehen…
– Und was schauen die da?
– Ähhhhh vielleicht jemand, der schwere Gewichte stemmt?
– Nä.
– Ein Bergsteiger auf 5000 Meter.
– Nä, so klingt das nicht.
Ich schließe die Fenster.
– Klingt echt schlimm.
– Hmmm, wollen wir jetzt Power Ranger spielen?
– Die armen Menschen!
– Ja, ja, denke ich.
Unter der Woche sollte ficken einfach vor 20 Uhr, wenn die Kinder ins Bettchen gehen, verboten sein. Ehrlich mal.

Attraktivitätlevel NULL

Ich weiß nicht, ob Männer das auch können, aber als Frau kann man sich leicht unsichtbar machen. Auch etappenweise. Am Besten ist man zu sehen, wenn man offene Haare trägt, ein bisschen Dekolletee präsentiert und vielleicht etwas Bein im überkniekurzen Rock zum Besten gibt.
Mithilfe verschiedener Tricks kann man sich dann der sichtbaren Welt entziehen. Man trägt Zopf, greift zur Hose und wenn man wirklich ganz verschwinden will, getraut man sich eine Brille zu tragen. Zack – ist man quasi unsichtbar. Nur die ganz schrägen Typen nehmen einen dann noch wahr – glauben die ja noch an so was wie Interessantheit des Charakters oder gemeinsame Interessen als Paarungsgrundlage. (Wobei es natürlich auch sein könnte, dass mehrere Jahre Verzicht auf Geschlechtsverkehr wenig wählerisch machen.)
Haben einen die eben beschriebenen Accessoires noch unsichtbar wie Wasserdampf werden lassen, dann gibt es noch eine deutliche Steigerung: Schwanger sein. Schwanger sein führt zur selektiven Erblindung beim Gegenüber. Mit Babykugel kann man sich vier Zentimeter vor das Gesicht eines Mannes stellen und ihm Grimassen schneiden ohne wahrgenommen zu werden.
Ich vermute, das Ganze funktioniert hormonell. Hat das Wahrnehmen von gegengeschlechtlichen Menschen im Grunde nur die Mehrung der eigenen Gene zum Ziel so signalisiert eine schwangere Frau: ätsch, da war jemand schneller.
Demzufolge kann man Erfahrungen sammeln, wie es ist, mit Tarnmäntelchen durch die Gegend zu laufen. Endlich kann man Dinge tun, von denen man vorher nur geträumt hat.
Dabei fühlt man leise ein Gefühl in sich aufsteigen, das wohl Jean-Baptiste Grenouille ob seiner Eigengeruchslosigkeit verspürt haben muss.
Man kann ekelhaften Diskussionen über den Cellulitepo der Banknachbarin lauschen, bekommt verdrängenswerte Details des medizinischen Lebenslaufes mit und wird Zuschauer verschiedener – sagen wir – Rituale der Körperpflege.
Wer das erst mal erkannt hat, dem ist es auch egal, dass es keine erschwingliche und attraktive Schwangerschaftsmode gibt. Mann kann somit viel Geld sparen, denn Sandsäcke und andere Verpackungsmaterialien gibt es schon ab einem Kilopreis von fünf Euro.