Projizierfläche

Das Zusammenleben mit einem Partner hat vielerlei Vorteile.
Zum Beispiel gibt es so immer jemanden, den man aller möglichen Dinge verdächtigen kann. Gestern war da noch eine Tafel Schokolade im Kühlschrank. Man selbst, streng auf seine Linie achtend und allerhöchstens mal eine kleine Kante naschend, kann nämlich unter gar keinen Umständen derjenige sein, der schon wieder alles aufgefressen hat.
Besser noch man sucht eine sehr wichtige Unterlage für das Finanzamt. Sieben Mal hat man bereits die komplette Wohnung auf den Kopf gestellt – dennoch will sie sich nicht einfinden.
Es wäre nun mentalhygienisch äußerst ungesund davon auszugehen, dass man selbst im Trance versehentlich genau dieses wahnsinnig wichtige und nahezu unverzichtbare Papier weggeworfen hat. Wer war’s also? Natürlich, der Partner, der mit einem Teller und Bett teilt. Dieser Schuft! Rot wird man vor Wut, die Augen kneift man zusammen, Schaum läuft einem aus den Mundwinkeln. So sauer! Man ist so unsäglich sauer! Die Faust geballt, zähneknirschend ruft man ihn an. Ohne große Einleitung schreit man darauf los.
„Wo hast Du Dokument XYZ hingelegt? Wie das weißt Du nicht? Wie, das hast Du noch nie gesehen? Gib’s doch zu! Ja, ja. Du bist schuld, ich hab den Ärger, ich leg’ jetzt auf, so wütend bin ich!“
Die Unterlage taucht auf diese Weise freilich nicht auf, doch das Magengeschwür ist erst mal abgewendet. Wunderbar. Und hat man am Ende noch Glück und der Partner zeigt sich einsichtig, weil er sich eingesteht, dass er, hätte er das Dokument jemals zu Gesicht bekommen, durchaus in der Lage hätte sein können, es zu verbummeln, dann bekommt man am Ende des Tages Blumen als Trost geschenkt und vielleicht auch ein Buch über die korrekte Setzung von Kommata. Man weiß es nie.

Satzobjekt und Prädikat an der Kasse gratis dazu!

Irgendwann vor ca. hundert Jahren habe ich eine Diplomarbeit zum Thema Liebe verfasst. Nach zweijähriger Recherche ließ sich festhalten: Gleich und gleich gesellt sich gern eignet sich als Grundlage für eine längerfristig angelegte Beziehung viel mehr als das entgegengesetzt lautende Sprichwort Gegensätze ziehen sich an.
So ist es bei der Partnerwahl unter anderem eine Kunst, durch geschicktes Befragen des möglichen Lebensgefährten herauszubekommen, ob man gleichgerichtete Interessen hat.
Im Fall meines Freundes zeigte sich schnell, was das angeht, haben wir das Potential in ca. zwanzig Jahren in gleichfarbigen Anoraks herumzulaufen.
Wir interessieren uns beide sehr für Science-Fiction, mögen Grillfleisch und durchstöbern gerne Hinterhöfe. Viel wichtiger jedoch ist unsere gemeinsame Leidenschaft für Werbeprospekte.

Kaufe 10 und bekomme gratis dazu. Nur was?

Freilich steht bei uns, wie auf jedem gutbürgerlichen Briefkasten: Werbung einwerfen verboten und tut man es doch, so regen wir uns im erwarteten Rahmen auf. Schließlich wollen wir in der Nachbarschaft nicht unangenehm auffallen. Zum Glück gibt es die Studenten im Hinterhaus, die einen solchen Aufkleber nicht haben und denen klauen wir die Reklame aus dem Briefkasten. Eine ebenfalls ergiebige Quelle ist der Altpapiercontainer, wo man nach eifrigem Wühlen auf manchen Schatz stößt.
Wir lesen die Werbeblättchen zur Entspannung nach Feierabend und so kann es sein, dass der letzte, der nach Hause kommt einen weiteren Stapel mitbringt. Meistens handelt es sich hierbei um doppelte Exemplare. An besonderen Tagen jedoch hat einer von uns beiden etwas ergattert, was der andere in fremden Briefkästen übersehen hat oder nicht herausziehen konnte, weil seine Hand nicht durch den Schlitz passte.
So sitzen wir Abend für Abend auf dem Sofa, die Füße auf der Lehne und zwischen dem Kind pssssssscht zu, wenn es redet während wir die Werbung studieren.
Wahrscheinlich sind wir so weit gesunken, weil wir seit Jahren kein Fernsehgerät mehr haben. Andererseits ermöglicht das aufmerksame Lesen von Werbeprospekten aller Art das Ergattern von so manchem Sonderangebot. Auch sind die Gewinnspiele nicht zu vernachlässigen. So werden wir z.B. am 15. Juli stolz an der Reichelt Filialfeier 2006 in der Siemensstraße teilnehmen, denn außer uns hat nur die Großcousine der Filialleiterin an dem Gewinnspiel teilgenommen und die haben wir angezeigt, denn die Teilnahme von Angehörigen aller Art ist untersagt!

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