YOLO

Ich halte mich in der Hoffnung nicht den Anschluss zu meinen Kindern zu verlieren, mit Ausdrücken der Jugendlichen stets auf dem Laufenden . Deswegen habe ich vorletzte Woche endlich mal in Erfahrung gebracht, was YOLO heisst. YOLO ist das Akronym für You Only Live Once.

Ich finde YOLO sollte eigentlich nicht der Jugend vorbehalten sein sondern sollte v.a. von uns in der Mitte des Lebens stehenden Menschen in den aktiven Sprachgebrauch aufgenommen werden. Ein die Mitmenschen und die Umwelt miteinbeziehendes YOLO als philosophische Grundlage des Seins. Als Mahnung. Als Erinnerung daran, dass es eben nur dieses eine Leben gibt und dass wir es deswegen nicht verschwenden sollten. Verschwenden mit Streit, mit Missgunst, mit negativen Gefühlen. Und was mir in letzter Zeit immer mehr klar geworden ist: mit Verzicht und mit dem Warten auf den richtigen Augenblick.

Ich habe die letzten Jahre oft darauf gewartet, dass der richtige Augenblick kommt. Der richtige Augenblick um eine sündhaft teure Flasche Wein zu öffnen und zu trinken. Ich habe gewartet und gewartet und irgendwann aufgegeben, weil der erhoffte Anlass nicht kam und mich an das grüne Ufer des Landwehrkanals gesetzt, den Wein geöffnet, in ein Glas geschüttet, davon getrunken und ihn dann in die Wiese gespuckt. Der Wein stand jahrelang rum und ich habe mir nie Gedanken über dessen Lagerung gemacht. Er war in der Zwischenzeit gekippt und zu Essig geworden.

Davon gibt es viele Beispiele. Irgendein teures Duschgel, das mir zum Geburtstag geschenkt wurde. Ich wollte es nicht an den Alltag verschwenden, hab es irgendwann im Schrank vergessen und dann als es mir beim Aufräumen wieder in die Hände fiel, war es schon halb vertrocknet oder ausgelaufen oder anders nicht benutzbar.

Und dann mein Geiz. Ein zweites Glas Wein im Restaurant? Der teurere der Weine? Noch ein Salat extra? Ich dachte mir oft: Macht es mich wirklich glücklicher zusätzlich den Betrag X auszugeben?

Vieles ist absurd teuer. Zum Beispiel ein Babysitter. Dazu noch die Ausgaben des eigentlichen Ausgehens. Wie lange man dafür arbeiten muss! Sollte man das Geld nicht lieber sparen? Für später? Für die Rente? Für Notsituationen?

Ich hab also gespart, war nicht verschwenderisch, habe mich an Konventionen gehalten und war maßvoll.

Und dann passiert etwas und das Leben wirbelt durcheinander. Alles was man implizit für die kommenden Jahre geplant hat, ist futsch.  Bei mir hat das zum anderen Extrem geführt. Ich kann gerade einfach nicht mehr vernünftig sein. Nicht früh ins Bett gehen, wenn ich früh aufstehen muss. Nicht noch ein Glas Wein trinken, wenn ich Lust darauf habe. Nicht das teurere Essen von der Speisekarte wählen, wenn ich doch Appetit darauf habe.

Ganz wundervoll dazu passt übrigens Journelles Text „Ode an die Gier„:

„Ich finde Unersättlichkeit, Wollust und Begierde sind tolle Motoren des Lebens. Wir wissen ja nicht was danach kommt, wahrscheinlich nichts. Dem möchte ich dann wenigstens satt entgegentreten.“

Und es geht nicht nur um den Genuss. Es geht auch darum sich mal was zu trauen. In sich rein zu hören, ob man das, was man sich verwehrt wirklich nicht will oder ob es andere Gründe gibt (Weil man das [in diesem Alter] nicht macht? Weil es unvernünftig ist? Weil es andere blöd finden? Weil es peinlich ist? Verschwenderisch? …).

Also: Fahrt Kart, singt in Karaoke Bars, hüpft albern zu wii-Spielen, betrinkt euch, singt unter der Dusche, bestellt noch ein Glas Wein, kauft euren Kindern einfach noch ein Eis, springt in den See, was auch immer. Und v.a. wenn es etwas zu sagen gibt, sagt es. Mehr als ein „nein“ kann man sich in der Regel nicht abholen. Wenn ihr Lust auf etwas habt und es schadet niemanden. Tut es.

YOLO!

(Ich gehe jetzt Burger mit Süßkartoffelpommes essen)

45 Gedanken zu „YOLO“

  1. Pingback: untaled
  2. <°((( ~~< sagt:

    … und wenn Dir einer, der ziemlich genau so lebt, sagte: „Das hilft auch nicht“?

    (das YOLO begegnet mir übrigens in der Regel als Entschuldigung für total asozialen Scheiß, den einer selbst verzapft hat, aber unter dem andere leiden)

  3. apriori sagt:

    so einen scheiß-Wein hab ich auch noch rumliegen.

  4. Dentaku sagt:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************
    Genau!
    *****************/KOMMENTAROMAT**********************

  5. birgit sagt:

    eine guter wein braucht keinen anlaß.
    ein guter wein ist der anlaß.

  6. Jenny sagt:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************
    Genau!
    *****************/KOMMENTAROMAT**********************

  7. Linda sagt:

    Ein weiser Beitrag, doch!
    Und eigentlich eine schöne Lebensweise…aber: auch da gibt es irgendwann Grenzen. Klaaar geht noch ein Gläschen Wein. Und noch eins. Und noch eins…und…dann?
    Das muss aber jeder für sich selber wissen. Erlaubt ist was gefällt (und niemandem weh tut)!

  8. Suzie sagt:

    Yolo heißt ja hoffentlich nicht nur: übermäßig Geld verpulvern. Sondern einfach das Kind eine Stunde später ins Bett schicken, weil heute familienmäßig alles so Spaß macht. Oder einfach mal nicht die Wohnung putzen, selbst wenn man nicht mehr weiß, ob der Fellhaufen in der Ecke die Katze oder der Dreck ist, sondern lieber eine Runde spazieren gehen. Dann bin ich dabei. Bisschen sparen für später find ich nämlich schon wichtig. Wenn man Glück hat, wird man nämlich auch alt…

  9. Mathilde sagt:

    Ich glaube, YOLO muss in meinem Fall heißen, die Dinge auch manchmal umzukrempeln, wenn mir danach ist. Sonst habe ich aus Versehen jahrein, jahraus mehr oder weniger dasselbe gemacht, statt mich mal wieder was zu trauen.

  10. Modeste sagt:

    Find ich gut. Mir kommt da entgegen, das ich nicht mit Geld umkann. So gar nicht. Und der J. auch nicht. Wir haben unvernünftig, aber freudenvoll, irre Summen für großartige Hotels und die besten Restaurants der Stadt ausgegeben. Für Weine, für allerbeste Lebensmittel, für Putzfrauen, Babysitter, schöne Schuhe und teure Eintrittskarten. Für Kunst, für Kleider, für wasweißich.

    Der F. wird ganz schön fluchen, wenn er sein Erbe antritt.

  11. evakarel sagt:

    ich tret dem club auch bei, bittedanke. da reißts mir trennungsbedingt erst die haxen aus und dann dämmert mir langsam, wie viel (entscheidungs-)freiheit das ganze tohuwabohu bewirkt hat. und dann hopst man wie verrückt auf tanzflächen herum und johlt wie eine irre… :-)

      1. L. sagt:

        ups…dass sollten keine Fragezeichen sein – sondern in die Hände klatschende Emoticons. drei an der Zahl. *grins* weil eben genau das gedacht, was „evakarel“ hierzu geschrieben hat! liebgruss, L.

  12. Susann sagt:

    Ich sag’s ja nur ungern, aber die zahlreichen Pubertisten in meiner Umgebung verwenden YOLO nicht im Sinne von „Carpe Diem“, sondern im Sinne von „Wie blöd kann man sein?“.

    Z. B.
    „Wie, der X will S-Bahn-Surfen? Neeee, YOLO, was?“

    Sie sind sehr sicherheitsbewußt, die zahlreichen Pubertisten in meiner Umgebung.

  13. seanrose sagt:

    .

    (und beim prassen die umverteilung auf das direkte umfeld nicht vergessen, sonst gehen die proteste los, zumindest bei geistig gesunden wesen wie diesen kapuzineraffen hier …

    http://www.youtube.com/watch?v=lKhAd0Tyny0

    beim nuf muss ich mir da aber keine sorgen machen, denke ich :D hab’s heute morgen mit dieser studie, einfach grossartig! alles, was man über ungleiche behandlung wissen muss – in the nutshell.

  14. Alex sagt:

    Es gibt von The Lonely Island eine herrliche Parodie auf die YOLO-Mentalität. „You only live once, so be careful what you do.“ Anschaubar, allein wegen Adam Levine https://www.youtube.com/watch?v=z5Otla5157c

    Ich bin jetzt noch nicht 40, kann mich aber an den Moment, als die Erkenntnis für ein „Nein, du solltest das JETZT machen – das Geld was du jetzt extra ausgibst, wirst du später weniger vermissen als du dich über das Gefühl ärgern wirst, es nicht getan zu haben.“ das erste mal kam noch sehr genau erinnern.

    Hat bisher gut geklappt. Der Clou ist ja, dass man auch YOLO maßvoll betreiben kann, genau wie du indirekt schreibst. Man kann eben tatsächlich Dinge tun, die man wirklich will, auch wenn sie unvernünftig erscheinen, aber das muss ja nicht heißen, dass man zum Beispiel jeden Frust mit der gleichen Rechtfertigung im Konsumrausch erstickt. DARÜBER ärgert man sich dann nämlich später dann doch.

  15. Moss sagt:

    Süßkartoffelpommes mach’ ich selber. Das Geheimis ist Stärkemehl.

    Und sonst … yolo.

  16. Thomas sagt:

    Wahre Worte. Geht mit Eis immer so. Ich laufe an einer Eisdiele vorbei, und mitunter kostet ja selbst in Berlin inzwischen eine Kugel manchmal 1,30 Euro! Ich würde gern ein Eis essen, geh dann aber lieber laut schimpfend am Laden vorbei, sodass auch jeder hört, wie absurd teuer ich das finde. Na ja, ein Eis krieg ich davon leider nicht. Sollte mir das YOLO da auch mal verinnerlichen. Den »Begriff« kann man sich übrigens alternativ auch von Sepp erklären lassen: https://www.youtube.com/watch?v=XIQxFDixoQk

  17. marco sagt:

    Bei mir ist noch kein YOLO und deswegen sammeln sich die tollen geschenkten Duschgels bei mir im Schrank weiter an. Ich muss YOLO erst noch lernen.

    1. Tin@ sagt:

      Vielleicht bist du tief im Herzen auch Buddhist und glaubst an Wiedergeburt? Dann hättest du viele, viele Leben, um die ganzen Duschgele aufzubrauchen und anschließend darfst du ins Hygiene-Nirwana.

      1. marco sagt:

        Hoffentlich nicht … das gleiche Problem habe ich nämlich auch mit gutem Wein und das würde nach einer Wiedergeburt gar nicht gut enden.

        Geld ausgeben und Essen genießen, das kann ich hingegen heute schon im Überfluss. Es ist doch immer genau umgekehrt als man es braucht.

        Hab ich also mal wieder gut getroffen! Jetzt kein YOLO und im nächsten Leben schon Alkoholiker (aber immerhin würde ich super duften). Toll!

  18. Ella sagt:

    „ich bin so krachend yolo grad“
    Yo, ich auch! Und ich liebe es.

    1. dasnuf sagt:

      Da können wir bald nen Club aufmachen!

      1. dingslbringsl sagt:

        juchhheee! :)

  19. Maisy sagt:

    Wahre und weise Worte. So ging es mir auch schon oft, vor allem bei Sachen, die besonders oder teuer waren (teures Make-Up , Lebensmittel , Kleidung)…
    Als ich dann mal ein Kleid, was wirklich teuer war und ich kaum getragen habe, mottenzerfressen aus der Schublade zog, hat es bei mir auch Klick gemacht. Seither traue ich mich da mehr, auch wenn es mir manchmal noch schwer fällt. Man (ich) denkt ja doch immer an die Zukunft.°

  20. Chris sagt:

    Auch auf die Gefahr hin, direkt als Klugscheißer aufzufallen – die jungen Leute heutzutage nutzen YOLO eher nicht im Sinne von „carpe diem“, nicht in dem Sinne des Textes (dessen Erkenntnis ich voll und ganz zustimme).
    Da geht es eher um Dinge wie: „Hm…mit dem Skateboard da auf dieses hohe Geländer springen und dann drauf lang gleiten? Na klar! – Wie jetzt, ich könnte mir beim sehr wahrscheinlichen Absturz die Testikel bis zur Zeugungsunfähigkeit zerdellern? Na und? YOLO!“
    Das ist eher eine ungute Verstand-ausschalten-Sache.

    Ansonsten ist die wörtliche Bedeutung von YOLO, wie schon erwähnt, absolut zu beherzigen.

    Gutes Beispiel, das mit dem Wein. Wir haben hier auch noch ein paar sehr gute Tropfen liegen…wie lange sollen die das eigentlich noch tun…?
    Wenn man für einen tollen Anlass sowas braucht, lässt sich da sicher auch was neues beschaffen.

    1. dasnuf sagt:

      Och, bei mir ist schon auch ein bisschen echtes YOLO dabei. Im Maße der beinahe 40jährigen eben.

    2. Thomas sagt:

      Hm. Das, was du beschreibst, ist doch eher „WCGW?“. Passt aber meistens erst hinterher.

  21. dingslbringsl sagt:

    :) mir geht es im moment exakt so – und auch bei mir gab es einen tiefgreifenden umbruch in meinem leben, derselbe wie bei dir wenn ich das „getrennt erziehend“ richtig interpretiere.

    ich bin so krachend yolo grad, und je mehr ich das bin umso mehr sehe ich völlig erstarrte menschen in meinem alter (39) um mich herum, den ich zurufen möchte „you only live once!“

    bewahren wir uns das yolo bis ans ende des lebens!

    1. dasnuf sagt:

      Ja, dieses Zurufengefühl kenne ich.

  22. Christian sagt:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************
    Genau!
    *****************/KOMMENTAROMAT**********************

  23. Uli sagt:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************
    Gerne gelesen
    *****************/KOMMENTAROMAT**********************

  24. Psssst. Ich wusste bis zur Lektüre dieses Blogposts auch nicht, was YOLO heißt. Und habe exakt heute darüber nachgedacht, ob und wann ich endlich mal wieder dazu komme, unvernünftig zu sein. Ich hab’s dann vertagt und stattdessen den Balkon geputzt. Das war auch in Ordnung, aber nur eine Übersprungshandlung. Was ich sagen wollte: ich glaube, ich verstehe dich. Gerne gelesen.

  25. Tin@ sagt:

    Vor 13 Jahren habe ich einen anaphylaktischen Schock knapp überlebt, damals verkürzte ich meine Vorplanzeit von vielen Jahren auf <5 Jahre.

    Vor 2 Jahren hat mein Mann einen Herzinfarkt knapp überlebt, seit dem plane ich nicht länger als 1 Jahr im voraus.

    Ich gebe mein Geld aus, leiste mir Dinge und schau mir die Welt an. Wer weiß, ob ich morgen noch erlebe oder übermorgen.

    "YOLO" hieß früher "carpe diem" – neu ist die Idee nicht, aber immer noch wahr.

  26. „… Und v.a. wenn es etwas zu sagen gibt, sagt es. …“

    Ich mag Dich sehr.

    1. dasnuf sagt:

      <3! Mir geht das mit Dir auch so (ich mag v.a. Deine wertschätzende Haltung, die durch deine Tweets und Blogeinträge strahlt).

    1. dasnuf sagt:

      Ach: Und verschwendet nicht unnötig Worte :D

    2. marco sagt:

      Geiler Kommentar!
      Also der vom Buddenbohm.

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