Samstag Abend. Um unsere Jugend zurück zu holen, beschließen wir nach unserer „wir sind fast 30-Krise“ einstimmig in eine Disco zu gehen. Vorher haben wir uns natürlich umgehört wo man hingehen kann. Bedingungen: Mit Eintritt in das Etablissement wollen wir den Altersdurchschnitt nicht um acht Jahre heben und die Musik soll irgendwie tanzbar sein. Also kein mtz mtz mtz. Uns wurde das „Abraxas“ ans Herz gelegt. Großer Fehler.
Punkt 24 Uhr stehen wir vor der Eingangstür. Nach kurzer Debatte fasse ich mir ein Herz und betätige die Türsteherklingel. Ein kleines Fenster öffnet sich und wir werden von zwei Augen gemustert. Einige Sekunden später summt es und wir werden hereingelassen. Innen stellen wir fest, daß die Disco eigentlich eher eine Art Tanzbar ist. Irgendwas liegt in der Luft. Es ist Test-ost-eron! Gespielt wird etwas, das in meinen Ohren noch schlimmer als Techno ist: ein Gemisch aus Latino und Rythm ’n’ Bullshit. Bleibt also nur Alkohol und akribisches geistiges Mitprotokollieren. Auf die Tanzfläche zu sehen ist in jedem Fall spannender als der verpaßte Samstag-Abend-Fernsehfilm.
Zahllose Fragen drängen sich auf: Woher beziehen die Gäste ihr Outfit? Gibt es noch Modelabels die tatsächlich auf dünne Lederschlipse, Stufenröcke und Puffärmelblusen setzen? Bin ich als Landei gegen großstädtische Fruchtbarkeitsrituale immun? Wann wird das Paar vor mir zum Hauptakt übergehen? Wird es vor meinen Augen passieren?
Es war grauenhaft. In Anbetracht des gezahlten Eintritts und der zunehmenden Alkoholisierung entscheide ich mich schließlich doch ein bißchen zu tanzen. Während ich mich also bereits bewegend auf der Tanzfläche befinde, komme ich mir vor wie ein weißes Blutkörperchen, das sich gegen Antigene zu verteidigen versucht. „Wanna dance?“, fragt es da von der Seite. Ich drehe mich der Lautquelle zu, denke: „Mann ich bin schon am tanzen, Du Blindfisch“ und sage: „No thanks!“. Er „Oh common, you wanna dance with me hmmm hmmm?“ Seine Hand tätschelt meinen Hintern. Ich setze meinen Todesblick auf und unterstreiche ein zweites Mal verbal meine Ablehnung. Er geht zur nächsten Frau. Circa 30 Sekunden später höre ich etwas ähnliches wie „Seniorita ballando si si“ und starre einem Möchtegernspanier auf die gegelte Frisur. Sein Spanisch erinnert mich an die Tiefsinnigkeit einiger Ricky Martin Songs. Ich drehe mich entnervt in die andere Richtung. Aus Versehen streift da mein Blick einen anderen Typen, der sich sofort breit grinsend in Bewegung setzt. Gleichzeitig nähert sich unterleibswackelnd ein anderer aus der entgegengesetzten Richtung. Daraufhin tanze ich unauffällig in eine menschenleere Ecke der Disco und verhalte mich den Rest des Abends unsichtbar.
Ich resümiere: meine Jugend ist vergangen, dennoch befinde ich mich noch nicht in der Phase der wahllosen Fortpflanzung.
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Made my day
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