Bereits Mitte der Woche musste ich meinen Koffer für das Wochenende packen, da ich vorher noch einige Termine in Westdeutschland hatte. Die Zeitung verkündete „anhaltende Dürre in Bayern“. Hochsommer erwartend packte ich für mein zehnjähriges Abi-Treffen am Samstag mein kürzlich erworbenes erstes Paar offene Schuhe in den Koffer. Dies hatte zur Folge, dass ich Samstag verzweifelt versuchte in Forchheim Schuhe zu erwerben. Der Vormittag hätte als „Mission impossible“ verfilmt werden können (es sei denn, man ist Mitglied bei den AGST [Club der anonymen Gesundheitsschuheträger]).
Obwohl die fränkische Schweiz landschaftlich sehr schön ist, ist Forchheim für mich der letzte Ort an dem ich leben wollte. Neunzig Prozent des Abi-Jahrgangs sehen das anders, denn sie wohnen entweder immer noch oder wieder dort. Als ich mal mit meinem Freund dort zu Besuch war und einen Spaziergang durch die Innenstadt machte, kommentierte er wie folgt: „Kein Wunder, dass Du in Deinen Teenagerzeiten nie solo warst, was soll man hier auch anderes machen als vögeln?“
Shoppen jedenfalls nicht und so hielt ich den gesamten Abend meine blaugefrorenen Füße ans Lagerfeuer.
Glücklicherweise ändert sich in zehn Jahren fast nichts. D.h. es kann sich alles geändert haben, jedoch wenn hundert Abiturienten nach zehn Jahren wieder aufeinander treffen, fällt jeder in seine alte Rolle. Meine Rolle war der unbeliebte Streber. Dementsprechend musste ich nicht vielen erzählen, was ich so gemacht habe und was aus mir geworden ist. Ein Paar mal wurde gefragt, wer ich überhaupt sei, was seltsamerweise mehrere Male durch andere mit „die mit den langen Haaren“ zufriedenstellend beantwortet wurde.
Die meisten sich nach drei Minuten totlaufenden Gespräche beendete ich mit: „Oh, ich glaube, dahinten gibt es Pudding, da hole ich mir doch eine Schüssel“, was zur Folge hatte, dass ich an dem Abend siebzehn Portionen Pudding aß.
Besorgniserregend folgende Szene: Ehemaliger Cliquenrädelsführer zu Jahrgangsjerk: „Hol‘ mir doch mal eine Portion Obstsalat!“ Der bebrillte und mittlerweile promovierte Physiker holt folgsam eine Portion Obstsalat und reicht sie ihm.
Es bleibt nur zu hoffen, dass der Arme in zehn Jahren eines gelernt hat: Ordentlich in den Obstsalat rotzen.