An verschiedenen Stellen berichtete ich bereits über meinen Geiz. Besonders romantisch bin ich leider auch nicht. Beide Faktoren zusammen ergeben nur mittelmäßige Voraussetzungen für ein rauschendes Hochzeitsfest. Heiraten wollte ich ohnehin nie, aber da nach dem ersten Kind sachlich nichts gegen eine Amtlichmachung der bestehenden Beziehung sprach, willigte ich dem fristgemäß eingereichten Antrag in doppelter Ausführung meines jetzigen Ehemannes ein. Ja, sogar bereitwillig möchte ich aus heutiger Perspektive, vor romantischer Liebe übersprudelnd, sagen.
Ein neues Hochzeitskleid zu einem überzogenen Preis, nur um es einen Tag zu tragen, kam natürlich trotzdem nicht in Frage.
Ich entschloss mich also ein Gebrauchtes zu kaufen und da mir die Mode der letzten 30 Jahre nicht allzu sehr zusagte, suchte ich einen Second Hand Laden auf, der auf Abendmode der 20er bis 70er Jahre spezialisiert war.
Da ich noch nicht so oft Kleider dieser Art getragen hatte, suchte ich zunächst wahllos Exemplare aus, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, was mir stehen könnte.
An Eitelkeit geizt es mir nämlich nicht.
Im ersten sah ich aus wie ein Bonbon, das zweite zeigte zu viel Haut, das dritte war zu kurz, das vierte müffelte, das fünfte etc. etc. etc.
Es war schnell klar, dass dies kein einfacher Nachmittag werden würde. Erschwerend kam hinzu dass eine Elfe nach der anderen in den Laden schwebte. Kaum hatte eine dieser 1,80 m großen Grazien das Geschäft betreten, stürmte auch schon eine Verkäuferin auf sie los. Wühlte kurz zwischen den Kleiderstangen und zog dann ein Kleid heraus, das die Schnepfe Glückliche aussehen lies wie einen Filmstar. Einige Verkäuferinnen schmissen sich auf den Boden, um der Schönheit zu huldigen, andere weinten vor Glück in seidene Taschentücher, schließlich hatte genau dieses Kleid 23 Jahre auf diese Trägerin gewartet.
Ich muss gestehen, in mir keimte nach einiger Zeit schon ein wenig die Missgunst.
Muffelig, wie Kleid Nummer vier, durchsuchte ich weiter das Sortiment. Meine Hände schoben gerade zwei augenkrebserzeugende Kleider der frühern 70er Jahre auseinander, da erschien DAS PERFEKTE KLEID. Ich bekam Herzklopfen und wollte gerade zur Umkleide eilen, als eine der Verkäuferinnen, die mich seit gut 40 Minuten ignoriert hatte, auf mich zurannte.
Sie machte einen Hechtsprung, um mir das Kleid zu entreißen: „Da passen sie nicht rein!“
Mein Blutdruck stieg leicht an und lies meine Augen aus dem Kopf hervor treten. Sicher hatte ich mich verhört: „Wie bitte?“
„Sie passen da nicht rein, sie sind zu dick für das Kleid.“ wiederholte die Verkäuferin geduldig.
Ich presste das Kleid an mich: „Ich gehe jetzt in die Umkleidekabine.“
„Haben sie noch andere Kleider ausgesucht?“
„NEIN, ICH NEHME DIESES HIER!“
Noch ehe die Verkäuferin ein drittes Mal eine Beleidigung aussprechen konnte, machte ich mich auf den Weg.
Wütend zog ich den Vorhang hinter mir zu, entkleidete mich und versuchte das wunderhübsche Kleid anzuprobieren. Von oben reinsteigen scheiterte bereits als ich optisch Maß nahm. Abendkleider zieht man kopfüber an, das weiß doch jeder, munterte ich mich auf.
Ich streckte meine Arme über den Kopf und lies das Kleid über mich gleiten. So der Plan jedenfalls. Praktisch blieb das Kleid bereits an meinen Ellebogen hängen. Ich zog also ein wenig daran. Dann zerrte ich ein bißchen und schließlich qeutschte ich mit aller Gewalt meinen Kopf durch das Kopfloch um das Kleid dann mit den Zähnen zentimeterweise weiter nach unten zu beißen.
Bis in den oberen Brustbereich kam ich. Dann konnte ich leider meinen Oberkörper nicht mehr bewegen. Die Arme standen in die Luft, ich konnte sie nicht knicken.
So stand ich einige Zeit da. Ich gebe anderen ungern recht, aber in dem Fall… erst recht nicht!
Ich würde das Kleid auf jeden Fall kaufen. Ich würde aus der Umkleide kommen, lächeln und der Verkäuferin sagen: „Sitzt wie angegossen, das kaufe ich.“
Ein super Plan. Nur müsste ich vorher noch aus dem Kleid rauskommen. Aus der Kabine „HILFE HILFE ICH STECKE FEsT“ zu schreien, kam natürlich nicht in Frage. Nach weiteren 20 Minuten des Nachdenkens verbog ich mich zum umgedrehten U, nestelte in meiner Handtasche nach meinem Handy, wählte mit meinen Füßen die Nummer meiner besten Freundin. Zum leisen Telefonieren legte ich mich ausgestreckt neben das auf dem Boden liegende Handy.
Nachdem ich meine Misere geschildert hatte, errettete mich meine Freundin nur 40 Minuten später, indem sie ihr Bein auf meine Schulter stellte und sich mit ihrem ganzen Körpergewicht gegen mich stemmte und dabei das Kleid von mir riss.
Ich zog mich wieder an, schob den Vorhang beiseite und lief an der wartenden Verkäuferin vorbei: „Passt total gut, wo ist bitte die Kasse?“
Geheiratet habe ich dann in einem nur wenig getragenen Sommerkleid und das Hochzeitskleid im Schrank schaue ich mir immer wieder gerne an.