Einmal Wellness mit allem bitte

Wellness und ich, es ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Aber ich versuche es immer wieder. Schließlich habe ich nichts gegen Wellness. Viele meiner besten FreundInnen mögen Wellness. Wenn also eine meiner Freundinnen fragt, ob ich mitkommen möchte, dann stimme ich alle Jubeljahre zu. Wohlwissend, dass die Bedingungen schwierig sind für mich. Ich mag es nämlich ganz und gar nicht von fremden Menschen angefasst zu werden. So ein Schultertätscheln wenn man sich fünf Jahre kennt und angezogen ist: OK. Vielleicht auch mal eine herzlich distanzierte Umarmung mit einem Mindestluftabstand von 30 cm wenn man sich wirklich, wirklich gerne hat. Aber nackt von Fremden angefasst zu werden, das ist wirklich die Hölle. Das Prinzip nach dem in dieser Konstellation Entspannung einsetzen soll – es erschließt sich mir einfach nicht.

Ziemlich harmlos fing die Sache an:

„Hast du Lust mit ins Hamam zu kommen?“
„Na klar!“

Wir trafen uns also in einem Hamam. Ich war noch nie in einem Hamam. Ich habs mir irgendwie dunkel vorgestellt. Dunkel und voll. Eine große Halle mit Wänden aus Marmor, irgendwie geschäftiges Treiben, Schwatzen, ich hatte die Vision von Waschweibern – nur ohne Wäsche.

Tatsächlich sollte man sich ausziehen. Also nackt, meine ich jetzt. Ich hab mich in ein sehr großes Handtuch geschlagen und dachte: OK, ich sitze jetzt einfach in mein Handtuch gehüllt ein bisschen rum, bestimmt ist es warm, nicht zu warm, ich hasse nämlich Hitze und dann mal sehen.

Ich kam in einen mittelgroßen – irgendwie leicht zu hellen Raum voller nackter Frauen*. Diese Frauen waren alle wie aus Magazinen ausgeschnitten. Perfekte Körper, kein Gramm Fett, alle kaum älter als zwanzig, alle tätowiert, alle ohne ein Haar am Körper, dafür mit hüftlangen Haaren. Sie lagen, räkelten und saßen in der Mitte des Raumes auf einem heißen Stein. Sie sahen exakt so aus, wie ich mir als Kind Sirenen vorgestellt hatte. Sehr irritierend.

Offenbar hatte meine Freundin sich das auch anders vorgestellt. Dampfiger irgendwie. Also fragte sie freundlich die Anwesenden: „Wo ist denn bitte das Dampfbad?“

Die Sirenen blinzelten träge, der Augenaufschlag war offenbar sehr schwer. Dampf, ja Dampf, hm, den hätten sie nicht gesehen, nur diese Becken und den Stein und hinten sei noch eine Sauna.

„Ahja. Ok.“ Wir suchten uns also eine kleine Nische deren es ca. 8 Stück gab. In dieser Nische jeweils ein kleines, steinernes Becken mit einem Rinnsal an Wasser und viel zu großen Blechschüsseln. Dort könne man sich waschen. Ahaaha! Waschen, ja, das hatte ich ja schon kurz vor dem Besuch im Hamam hinter mich gebracht, so richtig schmutzig fühlte ich mich gar nicht.

„Ich habe uns eine schöne Behandlung gebucht!“, verkündete derweil meine Freundin.
„Eine Behandlung, soso.“

Ich schüttete also ein wenig gelangweilt sehr heißes Wasser über meinen Körper und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis eine Frau ihren Kopf in den Waschraum steckte und meinen Namen rief.

Ich folgte ihr schweigend. Sie hatte eine sehr große, weiße Gummischürze an. Ich kenne diese Schürzen nur aus Filmen, die im Schlachthaus spielen. Die Frau führte mich in ein Kellerloch. Ich sage Kellerloch, weil ich übertreibe jetzt mal nicht, es war einfach ein sehr karger, winziger Raum in einem Keller mit Steinwänden und sonst eigentlich nichts, was irgendwie Atmosphäre hätte erzeugen können. In der Mitte des Raumes eine Liege. Die Frau zeigte in Richtung der Liege. Ich musste mich nackt drauf legen und sie begann mich mit heißem Wasser zu übergießen. Sie hätte das vielleicht ein bisschen zärtlicher machen können, aber offensichtlich ging es hier um Effizienz. Zweifelsohne sollte ich sehr schnell sehr nass werden. Deswegen nahm sie einen Putzeimer und übergoss mich wieder und wieder. Das Wort Waterboarding fiel mir mehrere Male ein, aber das ist natürlich sehr überzogen.

Als die Frau fertig mit dem Bewässern meines Körpers war, nahm sie zwei sehr harte Peelinghandschuhe und rubbelte meine Körperteile einzeln ab. Besonders intensiv empfand ich die Stelle am Bein, an der ich mir am Morgen eine Tasse Tee mit nahezu kochendem Wasser rübergeschüttet hatte. Ahhh! Das musste dieses Wellnessgefühl sein. Also dieses sehr geile, wenngleich eher kurze Gefühl wenn der herbeigeführte Schmerz kurz nachlässt.

Die Frau gab mir sehr leise Anweisungen, die ich in der Regel aufs erste Mal nicht verstand. Sie schloss daraus irgendwann, dass Deutsch vermutlich nicht meine Muttersprache war und sprach ab da etwas lauter und deutlicher Englisch mit mir. Als ich fertig gerubbelt war, wurde ich wieder gewässert und dann murmelte sie: „And now, the sponge!“

The Sponge war ein etwa 1,20 mal 0,80 m großer Schwamm, den sie auf mich warf. Auf The Sponge verteilte sie gut 500 ml Flüssigseife. Dann schwabbelte sie den Sponge eine zeitlang auf mir hin und her und begann anschließend die nicht mit 40 cm Schaum bedeckten Körperstellen gesondert einzuseifen. Die Schaummassen waren enorm. Der kleine Raum war zu einem Drittel mit Schaum gefüllt. Die Einseiferin war sehr klein und einige Male hatte ich Angst, sie könnte einfach verschwinden und mich ganz alleine zurücklassen.

Ich wurde von beiden Seiten sehr intensiv gespongt und dann wieder gewässert. Danach roch ich stark nach Mango. „Thats it“, sagte die Frau in der Metzgerschürze und schaute mich leer an. „Vielen Dank“, sagte ich und ging verwirrt in den Ruheraum, wo meine Freundin mich freundlich mit sauren Drops empfing.

Wellness ist schon eine sehr seltsame Errungenschaft der Zivilisation. Aber diesmal hat es mir gefallen. Ich glaube 2018 probiere ich es nochmal.


*Ich freue mich jetzt schon auf die Googletreffer: Pfui! Ihr!

35 Gedanken zu „Einmal Wellness mit allem bitte“

  1. Herrlich! Ich habe hier auch noch einige Well besetzt scheine liegen. Keine Ahnung,warum alle denken, ich hätte das nötig. Entspannend finde ich es auch nicht. Lg Nina

  2. Da sitzt frau Freitag abend nichts ahnend vorm Rechner und stöbert ein bisschen in den Lieblingsblogs und findet – das hier.
    Muahahahaha :-)))
    Endlich versteht mich eine!

    Ich musste leider zwischendrin kurz mal aufhören mit dem Lesen…um neue Taschentücher zum Lachtränen abwischen zu holen!

  3. Wenn es dich mal in die Münchner Gegend verschlägt, gönn dir mal einen Tag in der Therme Erding, Saunabereich (übrigens der weltgrößte).
    Nachdem du es nicht so sehr auf Kuscheln anlegst (*lol*) solltest du aber Wochenende und bayerische Ferien meiden.
    Ansonsten ist es aber sehr empfehlenswert, selbst wenn man (wie ich) nicht so der Sauna-Fan ist. Es gibt in der kompletten Therme über 30 Saunen, da ist für jeden Geschmack was dabei. Richtig toll finde ich z.B. die Planetariumssauna, wo man sich bei angenehmer Temperatur (nicht zu warm, nicht zu kalt) hinlümmeln und sich an der Decke einen Planetariumsfilm ansehen kann.

    Meine Frau ist da ganz anders, der macht Hitze gar nichts aus. In den jetzt über 16 Jahren wo ich mit ihr zusammen bin hab ich sie glaube ich zweimal schwitzen sehen…
    Sie setzt sich gerne in die heißeste Sauna (100°) mit einem Buch rein… dumm nur, dass das der Leim vom Buch nicht so lange verträgt wie sie…

    Da gibt’s auch ganz brauchbare Massagen, in der Regel sollte man die aber 1-2 Tage vorab buchen. Ich persönlich bin aber generell nicht so der Massage-Fan.

    Hier noch der Link:
    http://www.therme-erding.de/urlaubsparadiese/vitaltherme-saunen/

  4. Hamam hatte ich auch noch nie – Wellness gibt’s bei uns aber auch nur im Urlaub, wenn’s direkt im Hotel mit angeboten wird. Idealfall: Schwimmbad, Sauna (Dampfsauna), dann Massage – im Zweifel erstmal nur die Füße, oder die Schultern.
    War bislang immer toll :)
    (Und machbar, solange Mama noch zahlte. Jetzt wird’s bei mir wahrscheinlich auch mind. bis 2018 dauern, bis ich mir das wieder leisten kann ;_;)

  5. Ich kenne nur ein Hamam – das in Kreuzberg Nähe Oranienplatz (?). Dort war ich wohl kurz nach der Wende mal – muss Frau ja kennen lernen – diese unabänderlichen Sachen der Zivilisation – und da es mir so wahnsinnig gut gefallen hat, blieb es bei diesem einen Besuch.

  6. Ich habe das einmal in einem Urlaub in der Türkei probiert. Allein mit dem Bademeister, das fand ich sehr bizarr. Also ich im Badeanzug und er in Badehose. Das Verfahren war nicht so ruppig wie bei Ihnen, den Schaum fand ich im Grunde sehr schön, aber nein, wiederholen muss ich das auch nicht so bald.

  7. Ah jo, das kommt mir so bekannt vor! Ich hatte das Vergnügen, in Tunesien einen ursprünglichen Hammam-Besuch erleben zu können.

    Du und ich haben so in etwa denselben Zeithorizont, wann wir das wiederholen möchten. ;)

  8. Das ist ganz großes Hamam-Kino! Danke! Meine Frau und ich fühlen mit. Mir langt’s schon, wenn ich morgens um 6 beim Frühschwimmen von durchgeknallten Altdeutschrücken-Stilist/innen mit roten Gummibadekappen leicht an der Wade gestreift werde. Da krieg‘ ich dann auch Waterboarding-Phantasien.

  9. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. In meiner persönlichen Hölle wäre jeden Tag Wellness-Behandlung (im Hintergrund würde Jemand Blockflöte spielen).

    Daher möchte ich mich entschuldigen, dass ich mich beim Lesen auf deine Kosten amüsiert habe.

    LG, Christian

  10. Gut zu wissen. Dann möchte ich vielleicht DOCH nicht in ein Haman (ich hatte diesen Wunsch leichtsinnigerweise in einem Interview geäußert). Sauna finde ich nämlich schrecklich, ich habe ähnliche Vorstellungen von Haman wie du vor diesem Besuch.

    Es liest sich ein wenig so, als sei das eine – äh, spezielle Klientel – an jenem Tag gewesen. Bist du sicher, dass Ihr da auf der richtigen Veranstaltung wart? Es war nicht „Hard-Core-Sirenen“ Nachmittag oder so, nein?

  11. Oh – ich dachte zeitweise das wird hier ein Softporno… Dann kam aber mehr shades of Grey… ;-) Um es mit Garfield zu sagen: „Erstaunlich, was manche Leute anstelle von Geld lieber haben.“

  12. Die Frau an meiner Seite berichtet, dass der Frauentag in den Hamburger Hamams nichts sei. Rüde werde frau da von den Einseiferinnen über die Liege geschubst, und hinterher schmerze alles. Der gemischte Hamam-Tag mit männlichen, beleibten und über und über behaarten Mitarbeitern hingegen: Zucker!

  13. Aha, das passiert also immer hinter dieser Tür mit der Aufschrift „Hamam“ in der Sauna, die meine Frau und ich öfters frequentieren. Danke für die Aufklärung!

  14. einfach supi. grosse kunst. der stil wird immer trockener. erinnert mich an diese pfälzer rieslinge, die in japan locker fürn hunni über die ladentheke gehen …

  15. Also der Absatz über die Sirenen hat mich an die Insel der Freuden aus Asterix erinnert, und ich glaube, ich hab beim Lesen den Beitrag vollgesabbert. Leider halte ich’s mit Wellness aber genauso: Wer mich betatscht, ist tot. Auch wenn sie oder er ’nen Sponge dafür benutzt.

  16. Hallo Patricia,
    hihi, sehr witzig geschrieben. Ich musste ein paar Mal echt schmunzeln. Ich hatte bisher nur schöne Wellnessbehandlungen, aber manchmal kann das schon ganz schön verwirrend sein, das stimmt…
    Liebe Grüße
    Frau Fofftein

  17. Hatte mir (M) sowas vor ein paar Jahren im Urlaub gegönnt und muss sagen, dass es eines der wunderbarsten Wohlfühlerlebnisse meines Lebens war.
    Schade, dass Du hier wohl nur an schwache Nachahmer geraten warst…

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