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Herr S., seines Zeichens Immobilienmakler macht uns von innen die Tür auf. Ein echtes Schnäppchen wird er uns zeigen. Herr S. riecht sehr penetrant nach einem billigen Aftershave. Er trägt weiße, nach oben gebogene Lederschuhe, eine wallende silberglänzende Bundfaltenhose und ein hellblaues Leinenhemd, das er leicht neurotisch bis oben zugeknöpft hat. Seine Pupillen sind stecknadelkopfgroß und seine verwässerte Iris, lässt mich darauf schließen, dass Herr S. von chemischen Drogen nicht unbedingt abgeneigt ist.
Die Tür in die Luxuswohnung öffnet sich und innerhalb der ersten Sekunde wird mir klar, dass ich ab jetzt nur noch höflicherweise weiter gehe. Die Wände sind aus Styropor. Ich stelle mir vor, wie ich, während ich in der Badewanne bin, meinen Kopf durch die Wand schlage und meinen Freund in der Küche frage, ob er mir etwas zu trinken rüber reichen kann. An keiner Stelle sind Schränke angehangen. Das geht nicht, sagt der Vormieter. Geht ganz hervorragend, mit diesen Schnippelschnappdingsdübeln, sagt der Makler. Um den Balkon zu bestaunen, muss ich den Bauch einziehen. Einen Stuhl kann man nicht auf ihm abstellen. Ich stecke höflich meinen Kopf in jedes Zimmer, als mich der Makler von hinten schubst und sagt: Gehen sie rein, sie können doch nichts sehen!
Eine super Aussicht habe man hier! Haben wir schon gesehen, lächeln wir aufgesetzt im Kanon.
– HABEN SIE GAR NICHT! Gehen sie an das Fenster.
– Ja, ja, ganz bezaubernd!
– GEHEN SIE JETZT AN DAS FENSTER!!!
Herr S. ist sehr erbost. Wir gehen ans Fenster, zählen brav bis zwanzig und ziehen dann weiter durch den Ort des Grauens.
Als wir unten sind, zeigt er uns den wunderschönen Innenhof mit den Mülltonnen.
Warum hier keiner sitzt, ist ihm ein Rätsel. Dabei ist es doch so erfrischend hier. Mit viel Überredungskunst können wir ihn davon abhalten, uns Keller, Fahrradraum und nähere Umgebung zu zeigen.
– Frau Nuf, warum lachen sie so? Sie lachen immer so!
– Ich? Nein, ich lache nicht, ich schaue freundlich. Ganz, ganz ehrlich. (Ich überkreuze hinter meinem Rücken die Finger)
Im Treppenhaus führt er dann ein Verkaufsgespräch mit uns.
– Sie müssen sich schnell entscheiden. Ich habe schon sehr viele Interessenten. Sehr viele, sie wissen ja wie das ist. Der Preis (800 €) ist für diese Wohnung unübertroffen. Unübertroffen, sie wissen schon was ich meine. Das ist bei der wirtschaftlichen Lage auch nötig, das muss ich ihnen ja nicht sagen. Sie wissen ja auch, wie es um die Wirtschaft steht. [… Monolog dauert 20 Minuten an …]
– Also. Vielen Dank Herr S. Wir ähm müssen ähhh das besprechen.
– Eine abschließende Frage hätte ich noch.
– Ja, bitte?
– Warum möchten sie zu zweit …
– zu dritt
– … zu dritt eine so große Wohnung. Ist das … ist .. das der pure Luxus?
Ich denke an den PVC-Boden, die Baumarktbilligtüren, die Styroporwände und das 50er Jahre Bad.
– Ähhm, ja, aus purem Luxus. Wissen sie, wir ziehen da gemeinsam ein und ähm, ja also mein Freund, der hat öfter noch ein Paar andere Damen zu Besuch, die wiederum gelegentlich Herren mitbringen …
– ?
– Sie haben doch nicht dagegen, oder? Ich meine, Schatz, wo können wir denn den roten Leuchtpenis anbringen?
– Ich würde sagen, am Fenster zur Straße, oder?
Zu unserem Erstaunen, wollte er dann doch lieber die Studenten-WG. Schade irgendwie. Ich wollte endlich mal spüren, was Luxus ist.

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