Augen und Ohren zuhalten und NANANANA schreien, lässt das Wahlergebnis leider nicht weggehen

Am Wochenende viel über das Infinite-Monkey-Theorem nachgedacht. Es besagt, dass ein Affe, der unendlich lange zufällig auf einer Schreibmaschine herumtippt, fast sicher alle Bücher in der Nationalbibliothek Frankreichs schreiben wird.

Wenn ich es also richtig verstehe, geht es darum, dass diese Werke also nicht Ergebnis unglaublichen Intellekts oder Talentes sind, sondern im Grunde hm… ein Zufallsprodukt, das früher oder später irgendwer hervor gebracht hätte.

Das fiel mir ein, als ich mir die Wahlergebnisse des U18 Projektes angeschaut habe.

 

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Im U18 Projekt können Kinder JEDEN Alters neun Tage vor den tatsächlichen Bundestagswahlen wählen gehen. Im Vorfeld dieser Wahlen, werden verschiedene Informationsangebote rund um die Parteien, deren Kandidaten und Programme geboten.

Natürlich nehmen hauptsächlich Teenager an dem Projekt teil. Der Tabelle der Altersverteilung kann man aber auch entnehmen, dass Einjährige teilgenommen haben. Faszinierend. Abgesehen davon, dass die sehr wahrscheinlich nicht lesen konnten, haben die es immerhin geschafft zwei Kreuze an die richtige Stelle zu machen – also gültig zu wählen. Gleiches gilt für die Zwei-, Drei- und Vierjährigen. Ob die tatsächlich darüber Auskunft geben können WAS sie eigentlich gewählt haben und v.a. auch WARUM sie das gewählt haben, wäre auch spannend zu wissen.

Für mich ist das Wahlergebnis der U18 Wahl ziemlich erschütternd. Ich kann mir gut vorstellen, warum Kinder „Piraten“ (12,1%) wählen. Eine Partei, die  „Dinosaurier“, „Ritter“ oder „Elfen“ heißen würde, würde bei dieser Zielgruppe sicherlich ähnlich gut abschneiden. Auch kann ich den hohen Anteil für die Grünen (17,0%) gut nachvollziehen. Unter Natur, Umweltschutz, Friedensbewegung (gibts die nach den 90ern eigentlich noch?) können sich Kinder wahrscheinlich auch was vorstellen. Was aber ist mit der CDU (27,1%!), der SPD (20,4%) und den Linken (7,8%). Das würde mich wirklich interessieren!

Leider haben meine Kinder an der U18 Wahl nicht aktiv teilgenommen, weil ich erst nach den Wahlen von dem Projekt erfahren habe. (Kind 1.0 kannte das Projekt übrigens und ist aus Politikverdrossenheit gar nicht erst hingegangen, wie wir durch Nachfragen erfahren haben, Kind 2.0 hätte die Grünen gewählt, weil es die Natur liebt und Kind 3.0 findet die Piraten cool weil die Messer haben und schreien, kann sich aber auch gut vorstellen die FDP zu wählen, denn gelb ist seine Lieblingsfarbe und die gelben Ballons sind schon sehr schick…)

Jedenfalls wie auch immer diese Ergebnisse zustande kommen … um das Infinite-Monkey-Theorem an den Haaren herbei zu ziehen – vielleicht ist das alles einfach nur Ergebnis irgendwelcher Zufallsentscheidungen? Knick Knack ein Paar Synapsen knistern und schwupps hat man ein Kreuzchen bei einer Partei gemacht.

Ich gestehe ganz ehrlich: Ich habe viel gelesen, den Wahl-O-Mat gemacht, war auf der Abgeordnetenwatch Seite etc. und habe mich trotzdem fünf Meter vor dem Wahllokal bei meiner Zweitstimme umentschieden, weil mir erst da schuppenartig von den Augen fiel, dass es so oder so eine absolute Mehrheit für die CDU/CSU geben würde oder aber eine große Koalition. Beides furchtbar.

In der Wahlkabine starrte ich dann ein bisschen auf meinen Wahlzettel und fragte mich, warum die Position der Parteien bei der Zweitstimme eigentlich nicht durchpermutiert werden. Anstatt dessen stehen die Parteien mit den meisten Stimmen immer oben. Ist das denn korrekt so? Gibt es nicht eine Art Tendenz immer das anzukreuzen, was oben ist, weil man vielleicht gar nicht bis unten liest? (Es sei denn natürlich man hat sich vorher schon entschieden was ganz anderes zu wählen, dann sucht man aktiv danach). Wäre es dann nicht neutraler die Reihenfolge der Platzierungen nach einem Zufallsprinzip zu erzeugen?

Jedenfalls. Ich hab jetzt nicht die Wahlergebnisse der letzten 40 Jahre durchgeschaut – aber vielleicht gibt es ein Quarter-Choice-Theorem, das 60% der Verteilung von Wahlergebnissen vorhersagt und der Rest, das ist dann wirklich der Anteil an Menschen, die einen Grund haben ihr Kreuz an eine bestimmte Stelle zu setzen?

Ich bin so schrecklich deprimiert über das Wahlergebnis. Ich habe gelernt: Deutschland – das sind nicht die Großstädte. Deutschland – das ist schon gar nicht Berlin. Ich lebe in einer beschaulichen Filterbubble.

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Immerhin nicht nur im Internet sondern auch im RL. Das Wahlergebnis in meinem Kiez, ist wenigstens ganz hübsch (siehe Grafik links).

Den anderen Menschen drücken offensichtlich ganz andere Themen. Das Wahlergebnis zeigt, Themen wie anlasslose Vorratsdatenspeicherung, Einschränkung der Grundrechte durch einen Überwachungsstaat, eine innovative Familienpolitik, die auch Chancengleichheit im Beruf begünstigt und Mindestlohn – das ist alles wurscht oder zumindest von völlig anderen Vorstellungen und Wünschen geprägt.

Ich habe gehört, dass die U18 WählerInnen v.a. von der Führungspersönlichkeit von Angela Merkel beeindruckt waren. Das scheint bei den Ü18 WählerInnen nicht anders zu sein.

Angela Merkel ist der Fels in der Brandung. Sie steht Sachen einfach aus. Aus der Kohlära kenne ich das noch. Abwarten und Tee trinken und in der Zwischenzeit alles verkniffen weglächeln. Anscheinend ist es aber das was die Menschen wollen. Beharrlichkeit, Ausdauer, Vorhersehbarkeit. Die CDU hat ein Gesicht. Es lässt sich ein stabiler Erwartungshorizont bilden und es ist nicht zu befürchten dass irgendetwas unvorhersehbares passiert. Das überhaupt etwas passiert.

Ich wünsche mir eine Minderheitenregierung der CDU/CSU. Auf die 5 (?) fehlenden Plätze ist doch geschissen. Sollen die das mal unter sich ausmachen. Bleibt die Hoffnung, dass die CDU/CSU dann in vier Jahren keinen Sündenbock hat, dem sie alle Fehler und nicht getroffenen Entscheidungen in die Schuhe schieben kann. Und es wäre für mich auch höchst spannend zu sehen, was mit der schönen Einigkeit der Union passiert, wenn die sich wirklich mal an Themen reiben.

24 Gedanken zu „Augen und Ohren zuhalten und NANANANA schreien, lässt das Wahlergebnis leider nicht weggehen“

  1. Ich finde Deinen Ansatz mit dem Aufbau des Stimmzettels sollte man in der Tat vertiefen. Da ist denke ich eine Menge dran bzw. würde dem einen oder anderen bei der Durchsicht der Liste ein paar Gedanken durch den Kopf schießen, welche das Ergebnis beeinflussen könnten.
    Ein echt interessanter Gedanke …

    Gruß,
    Jens

  2. Ich muss gestehen, ich fand das Wahlergebnis folgerichtig, auch wenn ich aus alter Anhänglichkeit die Partei gewählt habe, über die ich mich, würde sie regierend, täglich wegen ihres Paternalismus, ihrer Armutsromantik und ihres abstrusen Personals aufregen würde. Ich meine, den Ausschlag haben am Ende Stilfragen gegeben. Zumindest in meiner Umgebung kommt der Hau-Drauf-Stil von Steinbrück und Trittin nicht an.

  3. Für die CDU könnte ich eine Erklärungsmöglichkeit aus eigener Erinnerung liefern:

    Als Kind fand ich, dass es hier in der BRD ziemlich schön war (also z. B. im Vergleich zu den Ländern, in denen meine Abenteuer-Romane spielten: genug zu essen, Krankenversorgung, keine Sklaven, keine Diktatur). Ich wusste, dass Helmut Kohl Bundeskanzler war, und dass der zur CDU gehörte. Und weil ich wollte, dass es weiterhin so schön blieb, hätte ich natürlich CDU gewählt. – Später dann mit Zweitstimme die Grünen, wegen der Natur. Ich befürchte, jetzt könnte sich mein Kindheitstraum einer Schwarz-Grünen Regierung erfüllen …

    Man darf auch nicht vergessen, dass da ja nicht nur Kinder unter 14 abgestimmt haben, sondern auch 15-17-jährige. Und da gibt es ja bereits Jugendorganisationen verschiedener Parteien. Und „Links“ ist in dem Alter schon irgendwie „cool“ – Außerdem sind die Linken Pink! ;-)

    1. Ayeka, nicht unbedingt. Ich unterrichte Sozialkunde und wir simulieren alle Jahre wieder eine Wahl. Die Ergebnisse sind SEHR gemischt, die CSU z. B. schneidet immer ganz gut ab, die Linke hat immer nur ein, zwei Stimmen. Und wir sind nicht plattes, katholisches, bayerisches Land.

  4. Vielleicht……….die FDP?
    Ich will um Gottes Willen keine Werbung machen aber der Ansatz: ganz großen Bürgerliberalismus, Rechtsliberalismus und ganz klein Wirtschaftsliberalismus wäre gar nicht schlecht wie ich finde. In welcher Partei man seine Ideen umsetzt, ist -glaube ich- letztendlich sowieso egal, denn ICH würde dann die Partei und das Programm prägen und vielleicht haben andere dann die gleiche Meinung zu bestimmten Dingen. Welche Farbe draufklebt, ist wurscht und bei der jetzigen Popularität der besagten Partei muss man sich auch an keinen Kodex mehr halten. Dann verschwinden ja vielleicht auch Menschen, wie der graue kleine Mann mit der lauten Stimme und dem kleinen Dingens.

  5. Ach ja, das sind ja zumindest da wo du wohnst annähernd akzeptable Wahlergebnisse. Wenn ich da bei mir schaue… *seufz* Ich denke jetzt schon immer: „_Ich_ habe die nicht gewählt.“ Hilft aber leider auch nichts. Vielleicht sollte man über die Abschaffung der 5%-Hürde nachdenken und die Ausschließeritis vor der Wahl beenden. Aber ob wir das noch erleben dürfen?

    1. Diese Hürde wurde ja ohne Grund eingeführt. Sie ist eine Lehre aus der Weimarer Republik, in der es eine solche Hürde nämlich nicht gab. Resultat war ein derart zerfasertes X-Parteien-System, in dem gar nichts funktionierte. Und na ja, was dann kam, ist Geschichte. Ich möchte jedenfalls nicht erleben, dass REPs, NPD und sonstige verfassungsfeindliche Gruppierungen im Bundestag Platz nehmen dürfen.

          1. Obacht! Die NSDAP bekam am 31.7.1932 34,7 % – mehr als die CDU am vergangenen Sonntag – der Stimmen und war damit stärkste Partei.

            Nicht, dass ich die heutigen Nazis in einem Parlament sehen wöllte, aber eine Auseinandersetzung mit denen findet in Abwesenheit dann halt auch nicht statt.

  6. Wie sagte mein Herzblatt gestern: „Naja Merkel, irgendwie ja doch besser als Steinbrück. Steinbrück hätte sich für völlig verdrehte Dinge entschieden. Die Merkel, die entscheidet sich wenigstens gar nicht.“

  7. A) Es ist außerordentlich rätselhaft, dass sich die Meinung, die Merkel sei vorhersehbar und ein standhafter Fels in der Brandung, dermaßen hartnäckig und breit aufgestellt hält. In Kernfragen wie der Energiewende, der Bankenkrisenfinanzierung mit oder ohne dem IWF oder der – sorry – Herdprämie schwankte sie wie das bekannte Schilfrohr im Wind. In Autobahnmautfragen kann man dieses Spiel bereits wieder beobachten und das wird so weitergehen.

    Vielleicht ist es so, dass viele Menschen insgeheim durchaus wissen, dass es nicht falsch sein muss, eine Meinung zu ändern und sie deshalb den Ausgangsauffassungen eh kaum Bedeutung beimessen, wenn ihnen ein Mensch sympathisch erscheint.

    B) Ich halte das Projekt, dass Eltern für ihre Kinder 1:1 mitstimmen dürfen, für sehr bedenkenswert. Meines Wissens scheitert es bisher v. a. daran, dass es in vielen Rechtsaußenwählerhaushalten überdurchschnittlich viele Kinder gibt.

          1. Sie denken an H. Grönemeyer …?!

            Nun ja, es ist wohl eine sicher nicht unproblematische Überlegung für den Versuch, mit quantitaiven Mitteln qualitative Einflussnahme zu ermöglichen und es geht wohl auch nicht darum, dass die Kinder wirklich selbst [und geheim, das wär ja dann so ein formelles Problem; „One man – one vote“ wär ja gewährleistet] wählen; aber wenn Eltern für jedes Kind Vollstimmen abgeben, würde das „Wahlgewicht“ der betroffenen sozialen Gruppe durchaus erhöht werden.

  8. zunächst mal .
    Aber dann: Es war fast so vorauszusehen und ich muss gestehen, mir kommt die Wahl vor, wie Elternvertreterwahl im Kindergarten. Die, die es schon immer gemacht haben, machen es wohl oder übel weiter, weil es keine guten Alternativen gibt. Und die Eltern (Wähler), die gerne auf jeden Fall die alten nicht wieder wollen, haben entweder keine Ahnung, wie denn die neuen wären und was die denn anders machen würden und wählen damit gar nicht oder werden überstimmt. Und die Alternative, sich tatsächlich im gegebenen System selbst zu engagieren, wird verbucht unter „keine Zeit“ (zumindest bei mir).
    Insofern: Solange sich „unsere“ Interessengemeinschaft nicht in anderer Weise Gehör verschaffen kann, als über unsere einzelne Wählerstimme, geht die Wahl so aus.
    Beste Grüße aus dem Norden

    1. Das kommt hin.
      Es ist aber (für mich) noch schlimmer. Ich bin wirklich kurz davor trotz Zeitmangels aktiv zu werden – nur frage ich mich WO?
      Piraten gehen so rein gar nicht, selbst wenn die mir thematisch nahe sind und alle etablierten Parteien … warte, ich muss mir ein Taschentuch holen…

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