Einer fehlt

Von den Menschen, die ich auf meiner Geburtstagsreise besucht habe, habe ich mir gewünscht, dass sie anlässlich unserer jahrzehntelang andauernden Freundschaft eine Erinnerung mit mir teilen. Ich hatte mir vorgestellt, dass sie mir eine tolle Schote aus unserer gemeinsamen Vergangenheit erzählen. Wie es so ist, lässt sich dieser Wunsch unterschiedlich interpretieren und manche haben mir etwas geschenkt, dass sie an mich erinnern lässt. So mein Lesefreund, der wusste, dass in meinen Zwanzigern Thommie Bayer mein absoluter Lieblingsautor war. Ich habe alle Bücher gelesen und die Zeiten zwischen dem Erscheinen der Bücher waren schrecklich lang und war ein Buch dann eher dünn, war ich sehr enttäuscht. Ich hätte zehnteilige Epen von ihm lesen können.

So kam es, dass mir eben jener Freund das 2024 erschienene „Einer fehlt“ geschenkt hat. Einen Roman über eine Männerfreundschaft und oh boy, war der langweilig. Dabei bin ich mir sicher, dass sich weder am Stil noch an den Themen des Autors irgendetwas geändert hat.

Es ist die Geschichte von drei Männern im Rentenalter, von denen einer verschwindet nachdem seine Frau Malin verstorben ist. Die anderen beiden machen sich in einem Verbrenner auf die Reise ihn erst in Wien, später in Italien und Frankreich zu suchen. (Ich glaube, man sagt „Roadtrip“.) Dabei gewinnt der Leser Einblick in ihre gemeinsame Vergangenheit.

Insgesamt eine deutlich patriarchal gefärbte Geschichte mit blassen Frauencharakteren, die nur da sind, die facettenreichen Männer zu flankieren.

Für mich: gähn.

Dazu muss ich zwei Dinge sagen: erstens – ich bin feministisch verdorben. Einmal das Patriarchat erkannt, kann man es nicht mehr nicht sehen und zweitens – ich bin seit einigen Monaten Mitglied in einem Buchclub, in dem wir nur Romane von nicht Männern lesen. Beides führt dazu, dass mir die 0815-Geschichten, die sich auf männliche Protagonisten zentrieren, leider sehr anöden. Nichts darin erstaunt mich. Mit nichts kann ich mich verbinden. Die Muster sind in der Regel so schablonenhaft, dass das Setting im Grunde egal ist.

Dass ich solche Geschichten mit 20 toll fand, wundert mich nicht. Was kann es für eine junge Frau aufregenderes geben, als die Geschichten von 15-20 Jahre älteren Männern zu lesen und deren Innenleben kennenzulernen? Man kann so viel lernen und dementsprechend sein Verhalten außerhalb der Fiktion anpassen, um so ein perfektes Zahnrädchen im patriarchalen System zu werden. Solche Romane sind intellektuelle „Bravo Girls!“. Es lässt sich perfekt ableiten, wie man eine attraktive Frau wird und was kann es besseres geben, als von Männern geliebt zu werden?
Hat auch gut geklappt. Von daher Danke an Thommie Bayer. Ohne wäre vieles in der Kohlenstoffwelt schwieriger. Ich bin eine sehr gute Männerversteherin geworden. Das hilft mir v.a. im männerdominierten Erwerbsarbeitsleben.


Falls es jemanden interessiert: Die letzten Bücher, die mich wirklich begeistert haben, waren „Iglhaut“ von Katharina Adler, das „Blutbuch“ von Kim De L’Horizon und die drei ersten Bücher aus der Empyrian Series von Rebecca Yarros (Forth Wing, Iron Flame und Onyx Storm).

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