Erwachsene lügen nie

Lügen
Bilderjet @pixabay

Ab heute will ich nicht mehr lügen. Ehrlich!

Es ist nämlich so: Manchmal schiebe ich die Kinder vor.
Man hört davon ja allenthalben: Kinder sind oft krank, manche sind sehr anhänglich und werden nicht gerne fremdbetreut, Babysitter sind teuer und schwer zu bekommen.

Mein „Problem“ ist nun folgendes: Meine Kinder sind so gut wie nie krank. Die haben ein Bombenimmunsystem. Pro Kind vier Kranketage auf zehn Jahre. Sie hatten mal Fieber, allerdings dabei weiterhin sehr gute Laune. Im Krankheitsfall sagt das mittlere Kind: „Ich bin etwas erschöpft.“ und geht freiwillig schlafen. Das jüngste Kind musste mal brechen: „Oh, guck mal, ganz lila“ (vom Traubensaft) hat es sich gefreut und dann war es wieder gesund.

Dank der Praktikantinnen im Kindergarten haben wir auch genug Babysitter. Die mögen so gerne Kinder, die würden glatt kostenlos auf die Kinder aufpassen.

Auch mit Fremdbetreuung gibt es bei uns kein Problem. Gefühlt war nach „Mama“ der erste Zweiwortsatz „Tsüss, Mama!“ – mit sehr fröhlicher Stimme gesprochen.
Wann immer die Eltern gegen einen dauervorlesenden und spielenden Kindersitter ausgetauscht werden konnten, hatten die Kinder beste Laune.

Im Vorschulalter haben die Kinder sogar immer mal wieder vorgeschlagen: „Wollt ihr nicht mal wieder ausgehen? Hm?“

Und ja, ich würde total gerne ausgehen. Wirklich. Zumindest Montag bis Freitag wenn ich zwischen 10 Uhr morgens und 16 Uhr nachmittags ans Weggehen denke. Toll wäre das! Mal richtig Party machen! Was erleben! Was so tolles erleben, dass ich davon berichten kann. Monatelang womöglich. Endlich mal wieder eine „Erinnerst du dich damals als wir“ Geschichte erleben.

Deswegen verabrede ich mich auch. Freitags zum Beispiel. Aber pünktlich um 17 Uhr überkommt mich eine bleierne Müdigkeit. Alle Energie weicht aus meinem Körper und ich will nur noch eines: eine Bestellpizza und mein Sofa und dass mir irgendwer eine Serie anmacht. Ja, ich bin tatsächlich am Ende der Woche so erschöpft, dass ich es nicht mal selbst schaffe meinen Fernseher anzustellen.

Also sage ich meine Freitagsverabredung ab.
„Olle Langweilerin.“ „Och nööö! Komm schon! Reiss dich mal zusammen!“ wird dann genölt.

Die meisten Freundinnen haben kein Verständnis. Ich gebe ihnen ja Recht. Ich hätte ja früher absagen können. Theoretisch. Praktisch ging das aber nicht, weil ich ja bis Freitag 16 Uhr total Lust hatte, auszugehen.

Und jetzt bin ich wieder die Party-Pupe.

Es gibt auch noch das Alternativszenario, dass ich auf eine langweilige Party eingeladen bin. Da weiß ich eigentlich schon vorher, dass ich gar nicht kommen mag. Da sitzt man so semigesittet rum, isst Eiersalat und lässt sich von irgendeinem Klaus-Peter erzählen, wie wahnsinnig erfolgreich der beruflich ist.
Oder Elli erzählt vom Hausbau. Was für schöne Kacheln sie sich im Bad ausgesucht haben. Was die auch kosten! Aber es ist ja was für die Ewigkeit…
Auf solchen Partys sitze ich rum und bereue, dass ich aufgehört habe zu rauchen. Denn dann könnte ich solchen Gesprächen entfliehen, indem ich mal auf den Balkon gehe.

Tja und dann kommt wieder so eine Einladung und ich könnte ja mal ehrlich sein und sagen: „Du, sorry, ich hab mich das letzte Mal so tierisch gelangweilt, dieses Mal würde ich lieber nicht kommen.“

Bringe ich aber nicht übers Herz.
Ich will niemanden enttäuschen und ganz ehrlich, dann bin ich doch wieder die Langweilerin. Couchpotato.

Also habe ich irgendwann damit angefangen zu behaupten, die Kinder seien überraschend krank geworden oder die Babysitterin hätte abgesagt.

Was dann passiert, ist folgendes: Die Freundinnen sind einfühlsam, es wird nicht gemeckert, man schaut mich verständnisvoll an und ich höre Sätze wie: „Ja, so ist das manchmal mit Kindern. Es wird bestimmt wieder eine Zeit kommen in der du auf Partys gehen kannst.“ Dann wird meine Schulter getätschelt und wir haben beide ein gutes Gefühl.

Die Freunde weil sie großzügig sind und ich weil ich mit meiner Pizza aufs Sofa kann.


Der Artikel ist nicht vom nuf. Der ist von einer Freundin vom nuf. Ehrlich! Ganz, ganz ehrlich! Echt jetzt!

62 Gedanken zu „Erwachsene lügen nie“

    1. Ich habe befürchtet, dass jemand sowas sagt :(
      Manchmal sind die Kinder wirklich krank. Ich übertreibe doch auch für … äh also die Freundin! Ich sowieso nicht!

  1. Man kann auch wunderbar aus langweiligen nicht-endend wollenden Meetings gehen und sagen „ich muss das Kind aus der Kita abholen“. Oder das ätzende Meeting um 16h absagen, weil um 15h muss das Kind aus der Kita abgeholt werden :D.
    So machen das immer meine Kollegen… ich verstehe sie sogar.

    1. Das wiederum würde meine Freundin nicht machen, weil das Thema Familienfreundlichkeit in Unternehmen nicht ausgenutzt werden darf.

  2. Hier hat auch schon zweimal unser quietschfiedeler Säugling spontan ganz schlimmes Fieber bekommen :D Und einmal musste ich absagen, weil „das Zahnen und Gequengel will man ja niemandem zumuten“

    Für das Problem mit dem späten Ausgehen hat mein Arbeitgeber jetzt eine super Alternative geschaffen. Den Lunch-Beat. Tanzen in der Mittagspause. Die Idee stammt aus Holland und ist eigentlich ziemlich gut. Aber ich arbeite bei einem Softwarehersteller für betriebswirtschaftliche Standardsoftware. Da tanzen dann also Nerds (nicht die neue coole Art von Nerds) in Hochwasserhosen und Birkenstocks in einem muffigen Sportraum im Keller zu heißen Beats eines DJs, der eigentlich auch nicht so richtig Bock hat mittags um Zwölf in einem muffigen Sportraum im Keller für Nerds aufzulegen..

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