The Orville

Ich bin mit Star Trek groß geworden. Star Trek war für mich nie Science-Fiction im engeren Sinne sondern eine Serie, die alle wichtigen Fragen des Lebens aufwirft und beantwortet. So eine Art Framework für mein Leben.

Die ganzen Serien waren stetige Lebensbegleitung. Ich bin kein Star Trek Nerd. Natürlich kenne ich alle Charaktere und die meisten Lebensformen, ich kenne Bräuche und gängige Konflikte und ein paar Running Gags – mehr aber auch nicht.

Deep Space Nine hab ich ein paar Mal komplett durchgeschaut und würde sagen, dass die Serie mich am meisten geprägt hat. Durch Voyager habe ich mich pflichtbewußt durchgequält. Enterprise habe ich als Fleißaufgabe erledigt. (Alles vor DS9 habe ich geliebt).

Wie groß war meine Freude als ich letztes Jahr hörte, dass es mit Star Trek Discovery eine neue Serie im Star Trek Universum geben würde. Die Trailer waren verheißungsvoll – sollte es sogar weibliche Hauptrollen geben (und sogar eine Darstellerin in Kleidergröße M – so viel Diversität!1!!)!

Entsprechend groß war schließlich die Enttäuschung als ich Discovery tatsächlich anschaute. Ein klitzekleines bisschen unterhalten hat mich die Folge mit den Zeitsprüngen. Das wars dann aber auch schon.

Dabei wäre ich so ein leichtes Opfer gewesen. Ich bin relativ undifferenziert begeisterungsfähig für alles, was irgendwie auch nur so ein bisschen star- trekkig ist. Den Vorspann z.B. kann ich mir stundenlang reinziehen. Musikalisch fast so erhebend wie das Next Generation Theme.

Unvorstellbar toll war das damals. In einer Zeit des analogen Fernsehens, als ich nachts als Studentin nach Hause kam, das Fernsehgerät einschaltete und dann meine Welt hinter mir lassen konnte.

Und dann als nächstes diese Beleidigung des Enterprise Themes! Wer singt das eigentlich? Jon Bon Jovi[1]? Enterprise lief in den 2000ern, Kinder – nicht in den 90ern und selbst wenn! Selbst Jon Bon Jovis beste Zeiten waren Mitte der 90er auch schon vorbei. Wer macht denn sowas und v.a. warum? Wer hat da Wettschulden eingelöst? Anders kann ich mir diese musikalische Beleidigung nicht erklären. Zu Voyager hätte das noch gepasst. Da war sowieso alles beknackt – aber Enterprise?

Wie dem auch sei. Der Discovery Titelsong hat mich milde gestimmt und auch die Ästhetik ist wunderbar.

Der Rest der Serie: Mäh.

Irgendwer hat mir auf mein öffentliches Gejammer gesagt: Dann schau doch The Orville.

Also habe ich mir beim Weihnachtsmann The Orville gewünscht und der hat mir dann die ganze Staffel auf VHS per Post zugeschickt!

Mit großen Erwartungen schob ich die Kassette in mein Abspielgerät und war in den ersten zwanzig Sekunden Feuer und Flamme. Alles stimmte. Musik, Optik, die Zukunft. Weitere zwanzig Sekunden später war ich verwirrt. Der Kopf eines blauen Aliens war explodiert. Langsam schwante mir: es handelte sich um Science-Fiction Comedy.

Dem geneigten Leser mögen sich nun alle Haare aufstellen. Comedy?

Comedy.

Ja, ich war auch überrascht. Aber The Orville ist dennoch wundervoll. Außerdem genau mein Humor.

Die Zusammenfassung der Handlung liest sich jetzt nicht soooo aufregend: „Im Jahr 2417 übernimmt Ed Mercer das Kommando des Forschungsraumschiffs Orville. Mit seiner aus Menschen und Außerirdischen bestehenden Crew soll er nun verschiedene Abenteuer bestehen. Für Mercer, der gerade eine Scheidung hinter sich hat, ist dies ein vielversprechender Neuanfang, doch dann wird ihm ausgerechnet seine Ex-Frau als erster Offizier zugeteilt.“

Aber wie würde wohl eine DS9 Zusammenfassung klingen?

Mein absoluter Lieblingscharakter ist Lt. Commander Bortus. Er gehört einer „all-male“ Spezies an. Zu den Highlights der Serie gehört die Folge, in der er ein Ei ausbrütet sowie alle Auseinandersetzungen, die er mit seinem Lebenspartner hat. Ich möchte jeden Satz, den er sagt auswendig lernen und nie mehr lächeln. Nie mehr. Ich will als Bortus in Business-Meetings sitzen und alle mit meinem lebendigen Wesen erfreuen.

Ach. Und so viel Liebe für den „can you open this jar of pickles for me“-Running Gag!

The Orville hat wirklich alles, was mein armes, altes Star Trek Herz gebraucht hat. Liebevoll gezeichnete Charaktere, schnittige Raumschiffe, laute Explosionen im Weltall [2], Beziehungsdramen und ständige Übertretungen  der Ersten Direktive.

The Orville ist übrigens von Family Guy-Schöpfer Seth MacFarlane (der zufällig auch die Hauptrolle spielt), der sich selbst als leidenschaftlicher Trekkie bezeichnet. Irgendwie scheint er in diesem Zusammenhang alles extrahiert zu haben, was Star Trek für mich so wichtig und groß gemacht hat.

Ich kann selbst den Finger nicht genau drauf legen. Aber The Orville steht für mich hundert mal mehr im Geiste von Star Trek als die hochwertig produzierte Discovery Serie.

Bei meinen Recherchen, warum Dicovery so enttäuschend für mich ist, bin ich auf dieses Zitat gestoßen:

„When it was announced that Star Trek was coming back, I was excited simply because this meant that we would get a continuance of the optimistic future where mankind is striving to better themselves.  Unfortunately the series we were presented was one that was depicting a war with a very pessimistic view of the future.“

Quelle

Und vielleicht ist es genau das. Felix schrieb neulich was ähnliches über Black Mirror:

black mirror ist nicht dumm, im gegenteil, aber misantrop, anthropophob, frustriert und sarkastisch. liebe steckt bei black mirror lediglich in der produktion. die ist enorm aufwändig und detailverliebt; für jede einzelne folge werden plakatmotive produziert, dutzende anspielungen ins drehbuch und die kulissen gedrechselt und die besetzung ist stets a-list. black mirror ist eigentlich die perfekte serie, konsequent von vorne bis hinten durchdacht, voller grandioser kleiner (und grosser) ideen, perfekt inszeniert und produziert — aber sie glaubt nicht an das gute im menschen.“

Diese Grundtendenz sehe ich bei Dicovery auch und das macht die Serie so seelenlos und für mich so weit entfernt von den Star Trek Utopien.

The Orville auf der anderen Seite packt all den Optimimis, die Tiefsinnigkeit und die Liebe für die vergangenen Star Trek Welten in eine neue Serie.

Ganz zufällig sind die Assoziationen zum Star Trek Universum nicht:

„The series features many connections to Star Trek; Penny Johnson Jerald (Kasidy Yates on Star Trek: Deep Space Nine) plays Doctor Claire Finn and fellow Star Trek alumni Brannon Braga, Robert Duncan McNeill, David A. Goodman, James Conway and Jonathan Frakes are involved behind the scenes. Several actors from various Trek series have also made guest or cameo appearances.“

Quelle
Die Serie war übrigens so erfolgreich, dass eine 2. Staffel bestellt ist. Ich freue mich drauf!


[1] Ja, Mama. Das ist nicht Bon Jovi, das ist Russell Watson. Aber vielleicht ist das doch ein und die selbe Person. So lange die nicht im Duett singen, glaube ich nicht daran, dass es zwei Menschen sind.

[2] Ja, Mama, ich weiß. Weltall und Schall…