Wenn man so viel wiegt wie ein grauhäutiges Säugetier, lernt man die Vorzüge der beinahe Schwerelosigkeit schnell schätzen. Die Umgebung der Einrichtungen, die ein solches Leichtgefühl verschaffen hingegen schätzen die Anwesenheit von menschlichen Elefanten jedoch nicht. D.h. ich weiß nicht, wie es ist, wenn man einen dieser Zeltbadeanzüge trägt. Im Bikini wird man mit zunehmenden Bauchumfang angestarrt, als trage man Satans Brut mit sich herum. Dabei ist mir aufgefallen, dass v.a. in sogenannten Wellnessbädern mein Bauch nicht wesentlich kleiner als der der anderen Damen ist. Der einzige Unterschied ist, dass mein Bauch straff ist.
Die Empörung über meinen Anblick missachtend habe ich jedoch jede Chance genutzt ein bisschen schwimmen zu gehen – v.a. dann, wenn es sich um Thermalbäder handelte. Da kann man nämlich kieltreibend durchs Wasser floaten ohne dass einem kalt wird.
Von der Obermaintherme in Bad Staffelstein war ich schwer begeistert. Jede Stunde gibt es hier eine kostenlose Aktivität. Meine Favoriten waren Aquapower und Gesichtsmaske. Aquapower im Kreise der Ü80-Jährigen zu den Smashhits von Mr. President, das ist eine Sache, die man einmal im Leben gemacht haben sollte. Begeistert werfe ich im Takt der Musik Arme und Beine in die Luft, fühle mich wie ein Sportass, schwitze sogar und kann mich kaum davon abhalten laut Coco Jamboo (Yayaya Coco Jamboo yaya yeah, Put me up, put me down, Put my feedback on the ground, Put me up, take my heart and make me happy […]) oder JoJo Action (JoJo Action – satisfaction, Candy apple tree, JoJo Action – satisfaction, JoJo honey bee, Listen JoJo Action, Gimme satisfaction, JoJo come with me) mitzusingen.
Eine Stunde später stehe ich als erste in der Reihe wenn es um die Verteilung der Schlammportion für die französische Heilerde geht. Das erste Mal kam ich zu spät, also musste ich einige Opas und Omas unauffällig vom Beckenrand ins Wasser stoßen um sicherzustellen, dass ich diesmal ausreichend Schlamm zu meiner Hautverschönerung abbekommen würde.
Begeistert schmiere ich mir die Gesichtsmaske auf die Haut und bewundere meinen Anblick im Spiegel. Das Ding aus dem Sumpf hätte sich umgehend in mich verliebt.
Mein Gesicht ist erst einheitlich dunkelgrün, doch dann atmen sich die Poren ihren Weg frei und ich werde hellgrün/weiß gesprenkelt. Jede auch nur mikromillimetertiefe Falte sieht nach weiteren fünf Minuten aus wie eine Ackerfurche.
Die Haut brennt, doch als Optimist halte ich das für die verschönernde Energie der Gesichtsmaske. Erst beim Abwaschen stelle ich fest, dass es sich um eine allergische Reaktion handelt. Mein Gesicht ist heiß, rot und geschwollen.
Ich entschließe mich, mir einen kleinen Snack im thermaleigenen Bistro zu gönnen. Vom Außenbeckenbereich konnte ich deutlich lesen: Hier sind sie auch in Badebekleidung herzlich willkommen.
Wunderbar, denke ich, und mache mich meinen Kugelbauch vor mich herschiebend auf den Weg ins Café. Als ich dort endlich ankomme, werde ich von den Anwesenden angestarrt als sei ich nicht das Objekt der Begierde des Dings aus dem Sumpf sondern das Monster selbst.
Alle sind komplett angezogen. Manche tragen sogar Schals und Mützen, nur ich stehe im Bikini mit tomatenrotem Schwellgesicht im Thekenbereich.
„Huhu“ grüße ich freundlich und löse mich in Luft auf.