Die echten Menschen und die im Internet

Der Weg in den Kindergarten führt an zwei Altenheimen vorbei. Oft begegnen uns deswegen Menschen jenseits der 80, die auf Rollatoren ihre Runden drehen. Kind 3.0 ist sehr gesprächig und ruft allen Menschen, die an uns vorbei gehen, ein sehr herzliches „Hallo“ zu. Die meisten freuen sich sehr und sind bei der anschließenden Konversation glücklicherweise sehr schwerhörig. Kind 3.0 ist sehr offen und so lautet seine Lieblingsfrage „Wieso siehst Du eigentlisch so gruselig aus?“ oder auch „Bist Du eine alte Hexe?“. Kind 3.0 und die Alten reden ein wenig miteinander und wenn wir dann weiter gehen, fragt Kind 3.0 gerne „Wer war das? Und warum redet der mit misch?“

Mir ist aufgefallen, dass die meisten älteren Menschen zu Beginn sehr traurig schauen und ihr Gesicht sich unfassbar aufhellt, wenn sie mit Kind 3.0 sprechen.

Oft sehe ich auch alte Menschen, die auf ihrem kleinen Balkon stehen und nach draußen schauen. Sie stehen da, unbeweglich und ich kann oft nicht genau ausmachen, was sie eigentlich anschauen. Ihre Haare sind verwuschelt und sie tragen Bademäntel, so als sei dieser Ausflug auf den Balkon, der einzige Ausflug des Tages. Auf dem Rückweg stehen sie immer noch da.

Ich überlege dann, wie das bei mir sein wird – so in 35 – 40 Jahren.

Ohne das Internet – für mich vor 1997 – habe ich mich oft sehr einsam gefühlt. Seit dem ich – wie einige meiner Bekannten das sagen – im Internet lebe, ist das nicht mehr so. Ich kann entscheiden, ob ich alleine sein oder Gesellschaft haben möchte. Selbst wenn ich zuhause bin und fernsehe zum Beispiel. Wenn das Programm zu öde ist, nehme ich mein Handy in die Hand und schaue, ob andere auf Twitter sich die Sendung anschauen, ich filtere das Hashtag und schon sitze ich mit vielen Menschen auf meinem Sofa.

Ich habe völlig unabhängig von Raum und v.a. auch von der Zeit „Menschen“ um mich. Ich bin schon immer eine Frühaufsteherin gewesen. Samstags war ich immer um acht knallwach. Bis ich gewagt habe, eine Freundin anzurufen sind schon mal drei Stunden vergangen. Heute stehe ich oft vor sechs auf. Als erstes klicke ich mich dann durch Mails, lese Blogs, schaue was auf Twitter und Facebook los ist und das Gefühl von Einsamkeit bleibt mir fern. Natürlich habe ich auch meine Familie, meinen Mann, die Kinder und ich weiß nicht genau wie es ganz ohne sie wäre, aber ich stelle mir das Alter mit Internet viel schöner vor als ohne.

Vor ein, zwei Generationen haben Freunde und Familie viel enger zusammen gewohnt. Ich denke, es war nicht unüblich sogar in der selben Stadt zu wohnen oder Freunde aus der Schule ein Leben lang zu kennen.

Meine Oma wohnt über 2.400 km weit weg entfernt. Meine Eltern 500, meine Schwester ebenfalls. Von den Schulfreunden kenne ich nur noch wenige. Bis auf zwei sind sie alle mehr als 300 Kilometer entfernt. V.a. mit denen, die ins Ausland gezogen sind, halte ich über Facebook Kontakt. Es ist ein lockerer Kontakt, aber ich freue mich, sie regelmäßig in der Timeline zu sehen.

Ich bin zudem sehr schlecht in aktiv Kontakt halten. Auch bin ich sehr schlecht in interessierte Fragen stellen. Ich kann mir nicht ausmalen, wie ich ohne das Internet leben würde. Vermutlich hätte ich mehr Zeit. Die Frage ist nur für was. Fürs Fingernägel lackieren? Für Flechtfrisuren? Würde ich mehr basteln mit den Kindern? Wäre ich aktiver in unserem Kiez? Ließen sich andere soziale Aktivitäten eigentlich mit meinem Alttag – dem Hin- und Hergehetze zwischen Arbeit, Kindergarten, Zuhause vereinen?

Wo werden meine Kinder sein, wenn ich alt bin? Wo die Freunde?

Ich hoffe jedenfalls, dass es bis dahin tolle Apps für alte Menschen gibt, die einfach zu bedienen sind, die ich auch noch mit Gicht und Arthritis benutzen kann. Die ich auch schwerhörig und fehlsichtig benutzen kann und die mir den Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden und den Menschen im Internet, die ich vielleicht gar nicht persönlich kenne und die mir trotzdem das Gefühl von Nähe und Gesellschaft geben, ermöglichen. Ich möchte lieber auf meinem Bett liegen, ein leichtes, riesenhaftes Gadget auf dem Schoß haben und mit knorrigen Fingern Symbole anklicken als frierend und alleine auf einem Balkon stehen und in die Ferne schauen, so wie die Menschen, die nur Kontakt zu „echten Menschen“ hatten und haben.

42 Gedanken zu „Die echten Menschen und die im Internet“

  1. Colette sagt:

    I’d like to find out more? I’d love to find out some additional information.

  2. Ilse sagt:

    Ja, ja, ja , das Internet ist auf jeden Fall eine ganz reale Bereicherung. Hallo, ihr alle!
    In meiner Kindheit waren die Micky Maus-Hefte die Bösen, dann war es das Fernsehen, jetzt ist es das Internet.
    Auf der Piazza in der Sonne sitzen wir immer noch gerne.

  3. Vivi sagt:

    Was für ein toller Post, du sprichst mir aus der Seele! Ich finde, es ist so eine Bereicherung, nie allein sein zu müssen, wenn man es nicht möchte und losen Kontakt halten zu können mit Menschen, die man ohne soziale Netzwerke vermutlich nach der Schule o.ä. nie wieder gesehen hätte. Meine Oma (82) wehrt sich leider völlig gegen die neuen Medien („Kommpjuter? Eipätt? Damit fange ich nicht mehr an…“) und schüttelt nur verständnislos mit dem Kopf, wenn ich ihr stolz von 150 eingetragenen Lesern auf meinem Blog erzähle („Was? So viele Menschen, die zu viel Zeit haben?“). Das meint sie nicht mal böse, liest sie doch bei meiner Mutter am PC auch mal Blogposts von mir, wenn die sie ihr anclickt und ihre Mutter samt Stuhl einfach vor den Bildschirm fährt ^^ Aber für sie ist das Internet mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten eben ein großes Rätsel und das wird es vermutlich auch für immer bleiben. Schade!

  4. Stadtkater sagt:

    Mensch sein, darauf kommt es an und dafür braucht man kein Internet, sei für deinen nächsten da, in einer Gesellschaft die auch für die Alten da ist brauchen wir keine Apps die den Alten helfen klar zu kommen, Wir, die Jungen, sollten für die Alten da sein…Wir sind die Apps für die Alten und nicht Apple und Co.

  5. Frequenzmensch sagt:

    Ich bin ein echter Mensch und darum komme ich mit den InternetMenschen nicht klar, Internet Menschen scheuen die Öffentlichkeit, sie schreiben über ihre eigene Wahrheit die genau genommen eine Lüge ist, Es gibt nichts was den Persönlichen Kontakt ersetzen kann, doch die Internet Menschen haben Angst vor der Konfrontation mit der Realität, darum sind sie Anonym und darum sind sie „InternetMenschen“

  6. Roland sagt:

    In dem Zusammenhang gerade über folgenden Artikel gestolpert:
    Social isolation trumps loneliness as early death indicator in old age

    Dort wird aus einer Studie wie folgt zitiert: „Both social isolation and loneliness were associated with increased mortality. However, the effect of loneliness was not independent of demographic characteristics or health problems and did not contribute to the risk associated with social isolation (…) Although both isolation and loneliness impair quality of life and well-being, efforts to reduce isolation are likely to be more relevant to mortality.“

  7. Shillah sagt:

    Ich empfinde das ähnlich. Ich sehe das Internet als Bereicherung meines Lebens. Und würde umgekehrt einen echten Verlust empfinden, wenn ich dauerhaft ohne auskommen müsste. Ich arbeite Vollzeit, bin täglich unter Menschen. Wenn ich am Wochenende mal allein zu Hause bin, weil mein Freund arbeitet, genieße ich dieses gemütliche Surfen – ein bisschen Info, ein bisschen Unterhaltung, ein bisschen Anspruch, ein bisschen Trash. Ich bin schon auf so viele interessante Themen/Menschen im Netz gestoßen, die ich „real“ so nicht erfahren bzw. kennengelernt hätte. Und das Gute: Im Gegensatz zum realen Leben, kann ich jederzeit wieder offline gehen, mich mit was anderem beschäftigen oder mich auf dem Sofa zusammenrollen.

    Und ja, ich finde, dass viele ältere Internet-Verweigerer sich selbst einen Bärendienst erweisen. Ich sehe das bei meinen Eltern, die sich trotz vieler Gespräch vor der „Technik“ des Internets fürchten. Die Tatsache, dass sie – die auf dem Dorf ohne Laden, Arzt und regelmäßige Busverbindungen leben – ihren Alltag mit der Hilfe des Internets deutlich einfacher gestalten könnten, wird ausgeblendet. Mit der Folge, dass auch vieles, über das Menschen heute reden, für die Netzverweigerer fremd bleibt. Man schließt sich selber aus. Eine Falle, in die wir „jetzt Jungen“ später hoffentlich nicht tappen.

  8. frequenzmenscch sagt:

    Ich lebe in Echtzeit und ich bin für meine Eltern da, ich gebe zurück was ich an Liebe empfangen habe, ich habe den „Egoismus“ für immer abgelegt!

  9. Claus sagt:

    Immerhin: Die Omi vom Balkon wird schon ein paar Tage nach Ihrem Tod aus ihrer Wohnung geholt – weil irgendjemand aufgefallen ist: „Moment, die steht gar nicht mehr auf Ihrem Balkon.“
    Du liegst wahrscheinlich ein paar Wochen länger.

  10. Mel sagt:

    Ich bin mir noch nicht sicher, wie das hier werden wird, doch zb sehe ich keine Option darin nach Sizilien zu ziehen, wie es vllt für die menschenn 1-2 Generationen älter der Fall wäre.
    Ich bin hier aufgewachsen, viele von uns wohnen auch hier, die meisten „Überbliebenen“ wie meine Oma sind alt, es hat kaum Arbeit und viel dreht sich um das eigene Land (im Sinn der Ernte) aber ich denke du kennst das, Berlin ist sicher noch mal ein krasserer Unterschied, also der, den man schon hat obwohl man wie ich „nur“auf dem Dorf lebt.

    Ich glaube ich bin schon zufrieden wenn ich im Alter in der Nähe meiner lieben bin, wo ist dann relativ egal und wie weit die Technik dann ist und was ich bis dahin noch raffe, bleibt abzuwarten. ;-)

  11. Fränzi sagt:

    Hallo, ich bin für diesen Kontakt auch sehr dankbar. Ich war in den letzten Jahren depressiv und viel zu Hause. Aus dem Fernsehen erfuhr ich ständig, wie „gefährlich“ das Internet sei. Mir hat es das Leben gerettet, aus den oben genannten Gründen. Ich habe im Internet viele Kontakte gefunden und auch ein Betätigungsfeld, das mir sehr gut über die schlimme Zeit hinweggeholfen hat.

    Im Übrigen: Auch das Geschimpfe über Handys für Kinder finde ich fehl am Platze. Durch Handys können sich Kinder heute freier bewegen, weil sie sich ja im Zweifelsfall immer zu Hause melden und durchsagen können, wo sie sind. Früher musste man um 6 zu Hause sein.

  12. – Deine Oma wohnt über 2400 km von dir entfernt? Wie kommst du auf diese hohe Zahl? Bei mir sinds „nur“ etwa 400 km. Meine Eltern wohnen aber immerhin 1200 km von mir weg.
    – Ich fand den Artikel klasse.
    – Ich habe Angst davor, was mit mir passiert, wenn ich mal alt werde. Ich hoffe, ich werde nicht irgendwann gaga, blind, taub, unbeweglich oder krank (oder gar alles zusammen). Die Idee einer Alten-WG finde ich gut, weil ich dann nicht so alleine wäre.
    – Meine Altvorderen verstehen nicht, wie ich dauernd im Internet hängen kann. Dabei hätte ich ohne Internet jetzt keinen Job und es ist für mich das Hauptkommunikationsmittel zwischen mir und meinen Freunden. Ich kann dort mit Gleichgesinnten über alles Mögliche quatschen. Und ich habe dort sogar neue Freunde gefunden.

  13. Marc sagt:

    Wenn ich alt bin? Eine WG wäre toll, irgendetwas familiäres oder pseudo-familiäres. W-Lan müsste sein, und Spielzeug, Senioren-Gadgets, mit denen ich MMOs spielen kann. Ein Band-Raum wäre toll, ein paar Kreativ-Sachen, etwas Musik, und… Platz zum Träumen, zum Nachdenken, zum Erinnern. Aber lieber eine gesellige Terrasse als ein zugiger Balkon.

  14. Ein schöner Artikel. Ich bin mir noch nicht im Klaren, was ich mir fürs richtig hohe Alter wünsche. Wenn ich meine Eltern sehe, wünsche ich mir, auch so lange so rüstig und selbstständig zu leben, wie sie. Andersherum kann ich mir eine Mehrgenerationenprojekt sehr gut vorstellen – nicht Familie – sondern eine gemischte Wohnform, wo man sich ungezwungen ergänzt, wie es die jeweilige Form zulässt. Als Tages-Oma oder -Opa, als Geschichtenvorleser, wenn die Eltern nicht können etc.
    Das wäre sicherlich eine spannende Aufgabe.

  15. actro sagt:

    Das sind alles Dinge, die ich auf mich zukommen lasse. Ich habe heute schon beruflich bedingt mehr Kontakte über das Internet als IRL. Als Berufskraftfahrer vereinsamt man schnell und wird leicht etwas wunderlich, weil man eben die ganze Woche nicht zuhause ist. Der Freundes und Bekanntenkreis dünnt sich innerhalb weniger Jahre aus, so dass man letztendendes ziemlich alleine da sitzt. Ich pflege meine Kontakte über Foren, IRC und soziale Netzwerke, habe so ständig Input und bin auch nie wirklich alleine. Im drekten Vergleich zu früher, ohne mobiles Internet, bin ich deutlich weniger einsam und das ist auch gut so.

    Die Idee mit einer Alten-WG ist übrigens klasse, werde das mal mit meiner Mutter bekakeln, weil ein Heim einfach nicht in Frage kommt und ich ja nie da bin..

  16. Ricarda sagt:

    Das gleiche Thema habe ich vor einiger Zeit mal mit einem Freund diskutiert, der zu mir meinte, ich habe zu wenig Freunde und keine „richtigen“ Kontakte, weil ich mit Menschen über das Netz kommuniziere. Seit ich aber das Internet habe, habe ich sehr viel mehr Kontakte, mehr Gespräche, mehr Austausch als je zuvor und ich merke, dass ich an diesem Austausch wachse.
    Es ist eine sehr veraltete und festgefahrene Meinung, dass nur direkter und persönlicher Kontakt echter Kontakt sei, der zählt. Das Internet ist „NUR“ ein Medium, aber dahinter sind Menschen. Menschen die auch da wären, wenn es das Internet nicht geben würde. Ohne das Netz könnte ich meiner Informationssucht gar nicht nachkommen, würde mich vielleicht auf den Fernseher konzentrieren. Allein der Gedanke macht mir schon Angst.

  17. Hans-Jürgen sagt:

    Schön bedacht und beschrieben aber auch ein bisschen binsenwahr … Selbstverständlich führen Technologieschritte, von der elektrischen Haushaltwaschmaschine bis zum Staubsaugroboter zu positiven* Veränderungen im Alltag. Allerdings gefällt mir die, wenn auch fein säuberlich zurückhaltende, Attitüde des „wann begreift ihr Alten endlich, dass das besser ist für euch?“ nicht …

    Ich [Internet seit 1995] habe seit dem Weggang aus der Gebutsstadt 1978 nach Berlin 15 Jahre lang mit meiner Mama gebriefwechselt, wöchentlich, einen ich, einen sie.

    Natürlich kam mir mit der Zeit immer mal wieder die Idee, mann könne sich auch zum Telefonieren verabreden. Aber sie bestand auf ihrem Brief. Und es wurde mir bald klar, warum. Telefonieren ist Sprechdenke und -sprache, Briefe schreiben ist Schreibdenken und -sprache. Das sind sehr verschiedene Arten zu kommunizieren und Kommunikation zu strukturieren und ihr war das Sprechdenken zu flott, zu öberflächlich und zu wenig sortiert.

    Warum sie sich, nur um E-Mails anstatt mit grüner Tinte beschriebene Papierbriefe zu lesen, einen PC anschaffen solle, erschloss sich ihr nicht.

    So ist mir der Hang zum Handgeschriebenen geblieben.

    * Meine böhmische Großmutter beschwerte sich nach der Entfernung der Hausgemeinschaftswaschmaschine im Waschaus im Keller darüber, dass ie nun keine der Frauen mehr zum Waschtag treffe.

  18. Manu sagt:

    ein sehr schöner Text, danke, und scheinbar super Aussichten für unsere Rentnerzeit. So genau habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht. Vermutlich sind wir wirklich im Alter nicht so einsam dank der technischen Möglichkeiten.

    Ich frage mich aber auch ob mit der seltener emfpunden Einsamkeit nicht auch ein Verlust oder eine Wertschätzung für die eigenen Kontakte und vielleicht auch das Individuum darin vermindert wird. Dass wir also unsere Gesellschaft unter Freunden oder lieben Bekannten nícht mehr als etwas besonderes sondern eher selbstverständliches wahrnehmen.

    Zum zweiten habe ich bei mir das Gefühl, dass durch das Internet scheinbar die Langeweile verschwunden ist. Man sich vielleicht also statt mit sich selbst zu beschäftigen lieber im Netz aktiv ist.

  19. nickel sagt:

    Ja, das Internet. Wie oft höre ich, dass man doch vereinsamen würde, wenn man nur den ganzen Tag vorm Rechner sitzt. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.

    In einer schlimmen Zeit, als ich depressionsbedingt so gut wie gar nicht mehr vor die Tür und schon gar nicht mehr in Gesellschaft ging, war das Internet mit seinen Angeboten ein Anker für mich. Ich konnte mich mit Menschen austauschen, denen es genauso erging, Erfahrungen teilen und erfahren, wie ich aus meinem Dilemma heraus komme. Ohne Internet, so quasi IRL, wäre das nie und nimmer möglich gewesen. Kein Mensch erzählt auf offener Straße von seinen Problemen, niemand kommt zu einem, wenn man verzweifelt blickend durch den Laden bummelt und sagt „Hey, du siehst depressiv aus, lass mich dir helfen!“ Ich hätte ohne Internet ja nichtmal gewusst, warum ich so drauf bin und was mit mir los ist.
    Und ich hätte niemals einen wichtigen Weggefährten gefunden, der mich ein bisschen aus meinem Loch gezogen hat. Es ging ihm wie mir, wir haben uns gegenseitig gepusht, manchmal leider auch nach unten gezogen. Das gehörte halt dazu. Im Großen und Ganzen hat er mich und ich ihn zur Therapie bewegt. Ohne einander wären wir vermutlich immernoch wabernde Trauerklöße, die niemanden zum Reden haben.
    Wir haben uns nie live gesehen und doch kennen wir einander sehr gut.

    Außerdem habe ich großartige Menschen verteilt über den ganzen Globus kennen gelernt. Ich halte Kontakt zu früheren Lebensbegleitern, den ich nur per Telefon nie halten könnte. Ich lerne die Welt kennen, sehe Dinge, die ich nie sehen könnte.

    Das Internet hat mich ein Stück weit gerettet. Man kann darin versumpfen. Man kann aber auch Antworten finden, auf die Fragen, die man sich sonst nicht traut zu stellen.

    1. Fränzi sagt:

      Mir gings genau so. Siehe unten.

  20. Unsere Kinder, immer wieder klasse.

    Ich als Späteinsteiger im Web 2.0 habe auch schon den Eindruck gewonnen, das man trotz Globalisierung und weiten Entfernungen näher zusammen rückt. Allerdings muss man auch Lokal wie im Internet seine Kontakte pflegen. Ich hoffe das ich dies auch noch im hohen Alter schaffe. Eine Chance nicht zu vereinsamen, ist das auf jeden Fall. Mal sehen wie dann unsere Zugangsterminals aussehen.

    Gruß

    Wolfram

  21. Jens sagt:

    Was? Du fühlst dich nicht alleine, wenn du im Netz unterwegs bist? Das darf nach Meinung der ganzen TV-Psychologen aber nicht so sein. Und die sind doch die einzigen, die Recht haben, sonst würd man sie doch nicht ins Fernsehen lassen!
    Schöner Artikel, hat mir sehr gut gefallen übrigens ;-)

  22. kurzundknapp sagt:

    Ein wunderbarer Artikel, danke.

    Mir geht es genauso: ich liebe Tage, an denen ich als einziger Mensch in der Wohnung bin und dennoch nicht einsam bin. Im Gegenteil. Via Twitter, G+ und FB habe ich so viel Kommunikation, die würde ich im realen Leben nie haben.

    Und im Alter möchte ich irgendwo in der Sonne leben, tagsüber auf der Piazza beim Café sitzen und zum Abend hin über WLan den Kontakt zu meinen virtuellen Freunden halten. Ja, das wäre schön.

  23. Kiki sagt:

    Ich möchte später auf dem Balkon stehen, die Sonne im Gesicht und den Wind im Haar und auf das Blicken, was mein Leben lebenswert gemacht hat und macht. Und mal sind das die Menschen da draussen und mal sind das die Menschen hinter den bunten icons auf den Glasfenstern. Ich will beides weder trennen noch werten.

  24. baranek sagt:

    So siehts aus! Man kann inzwischen wunderbar alleine sein, ohne sich einsam zu fühlen. Ich arbeite seit sieben Jahren Homeoffice und wenn mir Twitternichtkenner sagen, sie könnten das nicht, dann sage ich immer: Das Web ist mein Großraumbüro. Aber wenn es nervt, schalte ich es ab. Das ist dann auch das Argument, wenn die sagen, sie hätten „für sowas ja keine Zeit“. Alles Schwachsinn.
    Jedenfalls ist das mit dem Web und dem Alter schon richtig, auch wenn wir uns da vielleicht über die körperlichen Grenzen nicht so recht im Klaren sind. Ich sehe es an meiner Mutter, die auf die 80 zugeht. Die Augen liefern nur noch unscharfe Bilder, das Hören ist stark eingeschränkt – ufff, da geht bald gar nicht mehr viel. Das ist schon leicht gruselig, wenn man weiß: da ist so viel da draußen, aber die Sensorik liefert einfach keinen Zugang mehr.

  25. Liebe Patricia,

    das beschäftigt mich auch. Mir war schon immer klar, dass ich mal eine dieser Alten sein werde (wenn alles gutgeht), und ich hoffe auch, dass meine Kinder wenn schon nicht physisch, so doch zumindest per moderner Technik und emotional mit mir verbunden sein werden, wenn ich alt bin.

    Wie die Frau-Ex-Müller möchte ich in einem generationenübergreifenden Wohnpojekt wohnen, und ich glaube auch, dass das verstärkt Normalität sein wird. Im Oktober durfte ich bei einem Zukunfts-Thinktank des Fraunhofer Instituts teilnehmen, bei Euch in Berlin, und dort kamen solche Gedanken auch zur Sprache. Der Bedarf ist da.

    „Mama, ist die Frau eine Hexe?“ kenne ich übrigens auch :)

    Herzlichen Gruss, Christine

    1. „Wohnpojekt“ ist auch sehr schön. Frau Finke war wieder etwas zu schnell auf den Tasten unterwegs.

  26. Frau Ex-Mueller sagt:

    Ich möchte im Alter in einer WG leben. Wie zu Studizeiten. Man kann sich aus dem Weg gehen, miteinander reden, lachen, spielen, trinken. Wir werden uns bei Bedarf Pfleger/innen holen. Ein Seniorenheim wäre keine Option. Ich möchte mit meinen Kindern, Enkeln und Urenkeln Kontakt über Skype Googles Brille oder anderem halten, wenn sie mich nicht besuchen können. Ich werde alle technischen Entwicklungen mit Freuden nutzen, sofern ich körperlich und geistig dazu in der Lage bin. Es wird Gleichgesinnte geben, übers Internet, man findet sich schon…auch zu gemeinsamen Treffen. Angst vor dem Alter hab ich nicht. Nur vor Kontrollverlust über Körper und Geist.

  27. DieStarke sagt:

    Vielen Dank für diesen tollen Artikel. Um ehrlich zu sein, hab ich da noch nie so drüber nachgedacht. Aber ja, du hast absolut recht!
    Fazit : Ich sollte meinen Eltern bald mal beibringen, mit Smartphones um zu gehen

    1. Ich habe gerade mal im Impressum geschaut – bis 2000 wären wir fast Nachbarn gewesen, da habe ich in der Proskauer Straße gewohnt – in dem „Stalinalleehaus“ mit dem Blumenladen unten drin. Und meine Mutter ist immer zur katholischen Kirche gegangen, die irgendwo bei der „Hildegard“ stand. – Witzig!
      Falls ich mal irgendwohin ziehen muss, wo es sehr viel alte Leute um mich herum gibt, dann nur in ein Zimmer mit WLAN – falls ich dann noch die Tasten drücken kann und den Bildschirm erkenne. – Aber da ich ja nicht wirklich alt werden will (meine Mutter ist jetzt 98 und ihr werde ich auf gar keinen Fall nacheifern), hoffe ich, dass mir was anderes einfällt als auf die Hilfe anderer und die der eigenen Kinder angewiesen zu sein.

    2. Das hier sollte die Antwort werden, nicht der andere Artikel. – Wenn die Eltern nicht einen Hauch von Lust auf neue Technik haben, dann ist das sinnlos. Bei meiner Mutter hat schon der Umstieg auf ein schnurloses nicht geklappt – es sei denn, alles habe ich eingerichtet und immer wieder nachgesehen, ob alles funktioniert. Da sie im Nachbarhaus gewohnt hat, ging das einfach.
      Ich bin förmlich technik“geil“ und bin jetzt mit 67 auf ein Smartphone umgestiegen – obwohl ich mich am Computer sehr gut auskenne, hatte ich so meine gehörigen Startschwierigkeiten.

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