In den letzten vier Tagen habe ich das japanische Urlaubsprinzip verstanden und erfolgreich umgesetzt. Wir sind 2.000 Kilometer gefahren, haben uns zehn Städtchen angeschaut und dreihundert Bilder gemacht. Das nenne ich Erholung pur. Hier die Highlights:
1. Autokino
Ich meine mich zu erinnern in den frühen Achtzigern mal im Autokino gewesen zu sein. Was ich entweder von diesem Erlebnis oder aus dem Fernsehen wusste, war, dass man mit dem Auto vor eine große Leinwand fährt, das Fenster runter kurbelt und ein Lautsprecherdingens in das Auto hängt.
Da es Nachts kalt wird und ich schnell friere, habe ich mich entsprechend vorbereitet. Ich zwang meinen Freund schon eine Stunde vor Einlass das Auto am Kassierschalter zu parken und wartete dann aufgeregt auf die Öffnung der Kasse. Als es soweit war, kurbelte ich mein Fenster runter und starrte die knapp achtzehnjährige, spärlich bekleidete Kassendame erwartungsvoll an. Sie wirkte leicht irritiert als sie mich sah. Da saß hinter dem Autofensterspalt eine Frau mit Stickmütze, Rollkragenpulli, eingehüllt in einen Schlafsack und hielt ihr mit Wollfäustlingen einen zwanzig Euroschein entgegen.
– 12 Euro bitte
– Hier, bitte schön. Ach sagen sie, ich war noch nie im Autokino. Wo ist denn der beste Platz?
– Nun, ich weiß nicht genau. Vorne in der Mitte vermutlich.
– Wie weit vorne?
(Das linke Oberlied des Mädchens zuckte nervös. Der Fahrer des ersten Autos hinter uns hielt neugierig seinen Kopf zum Fenster heraus)
– Naja, so weit vorne wie möglich. Dann kann niemand vor ihnen stehen.
– Nehmen wir an, jemand stellte sich, während ich Popkorn holen gehe, dennoch vor mich. Kann ich dann umparken?
– So lange genug Platz da ist, können sie das.
– Gut. Gibt es so etwas wie einen Einweiser?
– Nur, wenn es sehr voll ist.
– Ist es gewöhnlich sehr voll um diese Jahreszeit?
(Das Mädchen schnaubt durch die Nase, der Fahrer hinter uns hupt. Die siebzehn Fahrer, die man sehen kann, bevor die Schlange um eine Ecke verschwindet, fühlen sich provoziert und hupen ebenfalls.)
– Nein. Die Frequenz ist die 97,6.
– Was meinen sie mit Frequenz?
– Na der Ton.
– Gibt es diese Lautsprecherdingense nicht mehr?
– Nein.
– Warum denn nicht? Ich fand’ die sehr schön.
– *räusper* Nun, die Zeiten ändern sich.
– Was passiert denn eigentlich, wenn jemand kommt, der kein Radio hat?
– Das kommt nie vor.
– Ja aber WENN es passieren würde!?
(Der Fahrer hinter uns ist ausgestiegen und kommt auf uns zu. Ich kurbele das Fenster hoch bis nur noch ein kleiner Sprechschlitz zu sehen ist und schließe die Zentralverriegelung.)
– Könnenwa jetzt ma weiter machen?
– Nicht bevor alle meine Fragen beantwortet sind!
– Wat wollense denn noch wissen?
(Ich kann ihn im Hupkonzert sehr schlecht verstehen)
– Wie bitte?
– Wat se noch wissen wollen?
– WIE BITTE?
(Huuup, huuuup, hup, hup. Mein Freund lässt sich leicht unter Druck setzen und rollt los.)
Bevor der Film beginnt, schäle ich mich aus meiner Winterkleidung, die Dank des technischen Fortschritts überflüssig geworden ist.
Der Film beginnt ohne Werbung, was mich verstört, denn gewöhnlich benötige ich Zeit um mich mental auf das Kinoabendteuer einzulassen. Um meinem Ärger Ausdruck zu verleihen werfe ich Popkorn nach vorne, das leider an der Frontscheibe abprallt und sich überall im Auto festklebt. Währenddessen johlt mein Freund die Erkennungsmelodie der Filmfima mit und erläutert anschließend, dass er das schon sein ganzes Leben lang habe machen wollen.
Vom Film bekomme ich leider nichts mit, denn es gibt zwei Dinge, die mich unendlich müde machen: Video schauen und im Auto sitzen. Beides kombiniert bewirkt dass ich statt nach der üblichen zehn bereits nach drei Minuten einschlafe. Ich wache erst wieder auf, als wir vom Platz rollen. In unseren Boxen die Begleitmusik des Filmabspanns und vor uns die dunkle Landstraße. Das finde ich großartig. Man fährt quasi mit seinem Wohnzimmer vom Platz nach Hause ins Bett. Amerika ist vermutlich doch ein tolles Land, denn schließlich kommt Autokino aus Amerika.