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Wie die Natur es genau macht, ist unbekannt, aber sie macht es: kaum ist das dreißigste Lebensjahr vollendet, scheint es attraktiv, Eltern zu werden – und das obwohl man auf dreißig Jahre Eltern-haben zurückschaut.
So gibt es gewisse Dinge, an die man als Kind grundsätzlich nur augenrollend denkt. Sämtliche familiären Bräuche beispielsweise.
So wird man, egal wie oft man sich im Jahr sieht, egal zu welchem Anlass, ab 6.30 Uhr zum Frühstück gerufen.
Schon als Sechsjährige erscheint man mißgelaunt mit blutunterlaufenen Augen am morgendlichen Frühstückstisch und würgt sich zur unchristlichen Zeit ein trockenes Brötchen herunter. Daran ändert sich nichts. Lediglich Augenringe und Rückenschmerzen gesellen sich im fortschreitenden Alter dazu.
Dennoch sitzt man aus unerfindlichen Gründen spätestens um 6.35 Uhr fürchterlich gut gelaunten Eltern gegenüber, die einfach nicht verstehen, warum man ein solches Gesicht zieht.
Der Tag will genossen werden, das muss man als Kind doch einsehen!
Im Sommer wird dementsprechend der Biomüll im Garten umgeschichtet, der Rasen gemäht oder das Hornissennest versetzt und im Winter besteht der Tagesgenuss aus Schnee schippen, Schweinehälften zum Fest einkaufen und aus Silberbesteck polieren.
Verständnislos sitzt man als Kind da und versteht die Eltern nicht. Jedenfalls bis man eigene Kinder hat, die irgendwann kaum Zuhause sind: Die weckt man dann auch um 6.30 Uhr (und das nachdem man sich schon seit 4.00 Uhr gebremst hat, den Tag nicht schon bei Sonnenaufgang zu begehen).
Rätselhaft wie die Bräuche sind auch die Sätze, die die Eltern sagen:
So ist es seit meinem siebzenten Lebensjahr wenigstens nicht mehr peinlich, wenn meine Mutter, nachdem mich ein Jüngling zum Ausgehen abholt, durch das Treppenhaus ruft: „Hast Du auch Pipi gemacht? Der Weg ist lang!“
Magenkrämpfe verursachen nur noch Sätze wie: „Ach, wenn Du so schön rund bist, sind doch schon weit über 60 Kilo oder? … dann siehst Du aber nett aus.“
Dann gibt es da noch Sprüche, bei denen einem die Ohren klingeln. In den Top 10 befinden sich:
– Für jedes ‚Mama‘ ne Mark und ich wär‘ reich.
– Ja, ja wenn, wenn, wenn meine Oma vier Räder hätte, wäre sie ein Omnibus.
– Ja, ja, die anderen! Die anderen interessieren aber nicht! So lange du deine Füße unter meinen Tisch tust …
Und dann kommt eines Tages der Moment, indem die Phoneme, die den eigenen Mund verlassen Sätze bilden wie:
– Warum, warum! Warum ist die Banane krumm!
oder man antwortet, sich sogar lustig findend, auf die Einleitung: Mamaaaaa, weißt du was? mit „Ja, wenn es regnet, ist die Straße naß“.
Ja und das ist es dann: das endgültige, absolut unwiderrufliche Ende der eigenen Jugend.

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