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Heute ist es schon wieder passiert. Im Trance komme ich von der Arbeit nach Hause, zücke meinen Hausschlüssel und stelle fest, er paßt nicht. Ich werde nervös, schaue Richtung Klingelschild und sehe: mein Name ist verschwunden! Adrenalin durchströmt meinen Körper, hundert absurde Theorien schießen durch meinen Kopf. Ich bin heimatlos. Mein gesamtes Hab und Gut wurde auf die Straße geworfen. Bin mittellos, habe keine Erinnerung an meine Vergangenheit mehr, Tränen füllen meine Augen, ich hypervetiliere. Meine Nachbarn sind Bestien, die mich monatelang beobachteten, um meine Gewohnheiten kennenzulernen. Dann eines morgens als ich die Wohnung verlasse, klauen sie alles was ich habe, tauschen die Schlösser aus. Sie lesen meine Tagebücher, verbrennen hysterisch kreischend meine geliebten Fotos, vergehen sich an meiner Espressomaschine, zerfleddern meine Bücher und …
dann merke ich, daß ich mal wieder vor der falschen Haustür stehe. Ich sehe mich um, will sichergehen, daß mich niemand beobachtet hat, laufe eine Tür weiter und husche in das richtige Haus.

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Eine Vergangenheit als Landei schüttelt man nicht einfach ab. Man trägt die erlernten Verhaltensmuster wie Gehirntätowierungen mit sich.
So keimt in mir an freien Wochenenden ununterdrückbar der Wunsch auf mal in die Stadt zu fahren.
Ohne überheblich wirken zu wollen, denn das Problem ist rein praktischer Natur: Wo fahre ich hin, wenn dieses Verlangen sich in mir regt, ich aber in Berlin-Mitte wohne?
Die Erleuchtung kam beim morgendlichen Einkauf als ich aus einem fremden Fenster den Radiosender Kiss FM hörte, der mir vier Mal innerhalb weniger Sekunden die Gropiuspassagen anpries.
Als ich brötchenbepackt an den Frühstückstisch zurückkehrte, verkündete ich meinem Freund: „Schatz, mach dich schick, ich habe eine Überraschung!“
So warfen wir uns in Flanierschale, ich packte meinen Freund an der Hand und wir zogen los. Spätestens als wir am Herrmannplatz umstiegen, wurde er skeptisch. (Zu erkennen an dem Flattern seines rechten Nasenflügels.) Angekommen in Britz verdunkelte sich seine Mine.
Für mich war es dennoch sehr aufregend. In den labyrinthartig angelegten Gropiuspassagen gibt es Geschäfte, die ich in meinem Leben noch nicht gesehen habe. Eines davon (Claire’s Accessoires), war ohne Zweifel DAS Geschäft für modebewußte junge Leute, die Abends Clubs aufsuchen, um dort tanzen zu gehen.
Wir durchforsteten Laden für Laden, irrten einige Male im Kreis, entgingen knapp drei Schlägereien, weil wir im Gedrängel junge Herren anstießen ohne knierutschend um Verzeihung zu bitten, speisten im neonbeleuchteten Pizza Hut und bestaunten schlussendlich die Modenschau von WE und forever18, in der wir mundgeöffnet erfuhren „was diesen Winter modetechnisch alles möglich ist.“
Hochzufrieden kehrten wir fünf Stunden später nach Mitte zurück.

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Abends mussten wir natürlich ausgehen, da das ungeschriebene Gesetz bestimmt, abends auszugehen, wenn man morgens ausschlafen kann.
Also warteten wir nasepopelnd auf 24 h, um das Haus erneut zu verlassen. Vor 24 h geht man nämlich nur weg, wenn man uncool ist, jedenfalls war das so, als ich jung war.
Die erste Lehre, die ich aus dem Abend zog, war die, daß sich die Zeiten geändert haben und man im 21. Jahrhundert ziemlich uncool ist, wenn man schon um Mitternacht in einen Club geht. Wir waren Gast 6 und 7. Wobei das etwas übertrieben ist, denn 1 und 2 waren Bardamen, bei Nummer 3,4 und 5 handelte es sich um DJs.
Zusätzlich zum Tanzangebot war in einem 2. Raum eine Band zu bestaunen.
Das merkte ich aber erst als ich die sanitären Anlagen aufsuchte. Denn die Bandmitglieder standen gelangweilt im Gang und warteten, daß die Bühne vorbereitet wurde. Sie riefen jeder 2. Frau „I love you!“ hinter her und ich muß gestehen, als ich händewaschend im Bad stand, war ich etwas beleidigt, daß ich zu jenen Frauen gehörte, denen sie dies nicht zugerufen hatten.
In meiner Gutmütigkeit beschloß ich ihnen dennoch zu lauschen. Unerfreulicherweise war der Tontechniker taub und so konnte man lediglich fünf Lieder der sicherlich im Grunde talentierten Band anhören ohne größeren Schaden davonzutragen.
Beim Beobachten der Menschen auf der Tanzfläche, fiel mir der Nachmittag in den Gropiuspassagen wieder ein. Denn die Damen trugen vornehmlich Accessoires, welche sie zweifelsohne dort erstanden hatten. Meistgetragene Extras des Abends waren neonfarbene Netzhalbhandschuhe und pastellfarbene Moonboots. Beides Kleidungsstücke, die nicht nur grandios schmücken sondern auch ein Muss auf jeder 60 Grad heißen Tanzfläche sind. Ich notiere mir das Stichwort fashion victim auf einem Zettel und gehe dazu über das Tanzverhalten schriftlich festzuhalten, um mich angemessen in die deutsche Kultur des Tanzens integrieren zu können.
Füße möglichst wenig bewegen (macht Sinn, wenn man so schwere Schuhe trägt), Oberkörper stakkato-artig erschüttern, Bierflasche mit doppelseitigem Klebeband in die rechte Handfläche kleben, Haare ins Gesicht fallen lassen und gegenläufig zum Körper wiegen.
Das probiere ich im Anschluß gleich aus, gebe aber drei Minuten später entkräftet auf, da meine Brüste mehrere Male Bekanntschaft mit den Ellebogen eines zwei Meter großen Mannes machen.
Meine Ausgehlaune hat mittlerweile den Nullpunkt erreicht. Als ich aus dem Club komme und mich ein Rudel junger Männer mit einem „Hey – geht da was ab, ey?“ begrüßt, gehe ich schweigend weiter. „Alter, bist Du taubstumm odda wie? Ha, ha!“
Ich bleibe stehen, atme tief durch, drehe mich um und gehe zu dem Pulk zurück:
„Meine Herren, sie werden es verzeihen, wenn ich ihnen nicht geantwortet habe. Ich ging von der irrigen Annahme aus, daß sie nicht auf ein längeres Gespräch zielten.
Die Antwort auf ihre freundlich gestellte Frage, ließe sich auch ohne Worte aus dem Kontext erschließen, sofern sie bereit wären, ihr Oberstübchen zu bemühen.
Da dem nicht so ist, erläutere ich es ihnen gerne. Schauen sie hier die lange Schlange vor dem Club. Das sind Menschen, die, vermutlich wie sie, begehren, die Tanzlokalität zu besuchen. Ich hingegen, komme gerade AUS dem Club. Daraus können sie schließen, daß ich mich im Inneren befand. Wie sie ebenfalls beobachten konnten, bin ich gerade AUS dem Club nach draußen gegangen, um mich, sie ahnen es, auf den Heimweg zu machen. Diese beiden Beobachtungen mit ein bißchen Menschenverstand verknüpft, ergeben folgende Ableitung: Weder Lokalität, noch musikalische Beschallung, noch Publikum sagen mir zu. Würden sie mich tatsächlich nach meiner Meinung fragen, ich würde ihnen raten, investieren sie das Geld in ein schönes Buch, gehen sie nach Hause, lesen sie es. Sollten sie es nun im Anschluß wünschen, kann ich ihnen liebend gerne noch eine Buchempfehlung aussprechen.“
Nachdem ich prüfend feststellte, daß es keinen weiteren Diskussionsbedarf gab, empfahl ich mich und machte mich auf den Nachhauseweg.

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Jetzt mal im Ernst. Immer wenn ich derartige Diskussionen verfolge, muss ich mich doch stark wundern.
Da werden Ängste mit Argumentationen verwechselt. Ich frage mich bei solcherlei Debatten als aller erstes: Wer oder was ist bitte ein Ausländer?
Wer kann das definieren?
Bin ich als Halbitalienerin Ausländerin? Ist es mein Vater mit deutscher Staatsangehörigkeit, weil er in Italien geboren ist, Ausländer? Mein Großvater der mit italienischer Staatsangehörigkeit in Deutschland lebt?
Was wäre, wenn wir Afrikaner wären, was wenn wir Australier wären? Wenn wir gar eine anderen Religionsgemeinschaft angehörten?
Was ist bitte ein GASTLAND? Bin ich hier zu Gast, mein Vater, mein Großvater? Müssen wir alle zurück? Und wohin dann?
Was ist bitte deutsche Kultur und an was muss ich mich anpassen? Darf ich jetzt nur noch schweinebraten- und sauerkrautessend Wagner hören, weil ich mich sonst der deutschen Kultur und meinem Gastland nicht anpasse?
Es regt mich wirklich maßlos auf.

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Ich hab da mal ne Frage. Wer kann es sich eigentlich leisten, Klamotten woanders als bei H&M zu kaufen?
Es gibt nichts deprimierendes als wenn man bei H&M schon alles gekauft hat, was einem zusagt und man dann nichts mehr kaufen kann, weil es bei den anderen viel zu teuer ist.

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Heute habe ich auf Fremdanregung begonnen meine Spammails aufmerksam zu lesen und bin auf allerlei Großartigkeiten gestoßen, die mir bislang bedauerlicherweise entgangen sind. So zum Beispiel folgende:

Hi nuf!

We have a new product that we offer to you, Cialis soft tabs,
Cialis Soft Tabs is the new impotence treatment drug that everyone is talking about.Soft Tabs acts up to 36 hours, compare this to only two or three hours of Viagra action!
Simply disolve half a pill under your tongue, 10 min before sex, for the best erections you’ve ever had!
Soft Tabs also have less sidebacks (you can drive or mix alcohol drinks with them).

–> Habe umgehend eine Packung bestellt. Suche nun Freiwilligen, der sich die Tabletten in alkoholhaltige Getränke mischen will und seine Erfahrung mit einer 36stündigen Erektion schildert.

Außerdem habe ich Anschluß einen Verteiler aller Sexangebote zusammengestellt und mich beschwert, daß ich unter 600 Mails kein einzig auf die Frau abgestimmtes Angebot finden konnte

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Ich fürchte, der Mann als solches muß sich bald eine neue ökologische Nische suchen. Gestern Abend entsorgte ich fachmännisch und nur unter mittelschweren Qualen meine erste Spinne. Um es präzise zu formulieren, mein erstes Spinnentier, denn es handelte sich um einen Weberknecht.
Dabei stellte ich fest, daß auch hier ein geordnetes Vorgehen ein wesentlicher Aspekt zur Zielerreichung darstellt.
Die aufkeimende Panik beim Erblicken des Ungetüms, rationalisierte ich zunächst. Evolotionsgeschichtlich macht es durchaus Sinn, Spinnen zu fürchten. Jedoch beruht die empfundene Angst in der Regel auf einer stark pauschalierten Sichtweise der Gattung Spinne. Als ich den Weberknecht an meiner Schlafzimmerwand entdeckt hatte, sprang ich auf und recherchierte schnell alle notwendigen Informationen. Dabei stellte sich heraus „Die Weberknechte verfügen weder über durchbohrte Kieferklauen und Giftdrüsen noch über Spinndrüsen.“ Die Lebensgefahr bei der Beseitigung dürfte, so schlußfolgerte ich, minimal sein. Eigentlich wollte ich es konsequent angehen und das Tierchen am Bein schnappen und aus dem Fenster werfen. Ob der mangelnden Spinndrüsen, wäre es sicherlich bei dem Fenstersturz verendet, was ich als leidenschaftliche Tierfreundin nicht verantworten wollte. Außerdem können Weberknechte bei Gefahr einzelne Beine abwerfen, was das am Beinpacken auch suboptimale Lösung darstellt.
So griff ich auch die mehrmals beobachtete Glas-Karten-Methode zurück und setzte den Weberknecht ins Treppenhaus.
Den Rest der Nacht verbrachte ich dennoch wach. Ich grübelte, welchen Sinn Männer nun noch in meinem Leben machten.
Glücklicherweise kam mir in den frühen Morgenstunden das Vögeln in den Sinn, was ein unbesorgtes Einschlafen dann noch ermöglichte.