Eine Frau in meinem Alter

Nun bin ich angekommen im „Eine Frau in Deinem Alter“-Alter.
Ich glaube nämlich, ich sehe noch ganz gut aus für eine Frau in meinem Alter. Glücklicherweise.
Schönheit in der Jugend ist dichotom. Eine Frau ist mit zwanzig schön oder nicht schön.
Jenseits der Dreißig wandeln sich die Untergruppen. Eine Frau ist gutaussehend für ihr Alter oder einfach nur über dreißig und somit im engeren Sinne keine Untermenge des Oberbergriffs Schönheit.
Die Entwicklung der Psyche jedoch nimmt einen erfreulicheren Verlauf als die der Physis.
Indirekt proportional zum Verfall der Schönheit steigt das Selbstbewusstsein. Die Komplexe fallen dem Zeitmangel des Alltags zum Opfer. Sich Komplexe einreden und dauerhaft aufrecht halten ist nur möglich, wenn man dazu ausreichend Zeit hat.
Als Ü35 mit Kindern, einem selbstgeführten Haushalt und einer Teilzeitberufstätigkeit gibt es keinerlei Möglichkeiten sich vor einen beleuchteten Vergrößerungsspiegel zu stellen und erfundene Makel der Kosmetikindustrie an sich zu entdecken.
Umso erstaunlicher: ich finde mich ok.
Und das obwohl ich seit Jahren die Haare nicht mehr färbe, ca. zehn Kilo zugenommen habe und mein Kleiderschrank ausschließlich leicht angekotzte Kleidungsstücke vorzuweisen hat.
Ein Schock am Anfang. Aber langsam gewöhne ich mich dran. Und sollte ich sogar mal die Zeit finden mich zu kämmen, so höre ich gelegentlich wohlwollende Komplimente der Art, dass ich für mein Alter noch ganz gut aussehe.
Das ist toll.
Männer haben dieses Problem mit der Schönheit übrigens nicht. George Clooney, Brat Pitt und Hugh Jackman sind zwar älter als ich, sie sehen aber alle gut und nicht gut für ihr Alter aus. Kein Mann sieht je gut für sein Alter aus.
Die natürlich gebliebenen Hollywood Diven wie … ähhh … also … hmmm… nun die gibt es nicht. Die anderen sind operiert, abgesaugt, gebotoxt oder gut ausgeleuchtet und sehen alle aus wie Zwanzig. Jedenfalls bis sie vierzig sind. Dann sehen auch die trotz aller Pimpmaßnahmen nur noch gut für ihr Alter aus. So wie ich.
Macht aber nichts, denn wie gesagt, das Selbstbewusstsein steigt mit dem Alter, vielleicht schießt es sogar ein bisschen über die Amplitude der Normalverteilungskurve hinaus und als Psychologin weiß ich natürlich: eine leichte Selbstüberschätzung führt zu einer optimistischeren Einstellung und die verhilft zu einem leicht verblendeten, aber umso fröhlicherem Leben.

10 Gedanken zu „Eine Frau in meinem Alter“

  1. Ab heute also zwei neue Kategorien: Frauen, die den Ausspruch „siehst gut aus für Dein Alter“ als positiv wahrnehmen und Frauen, die mir für diesen Spruch die Fresse polieren. Vielleicht auch eine Guideline für die Einteilung in „selbstbewusst“ und „nicht-selbstbewusst“ bzw. in „unsicher“ und „überschätzt“. Psychologie soll ja gemeinhin eine Wissenschaft sein.

  2. Alles eine Frage der Verhältnisse, wie Albert E. bereits zu erkennen pflegte. Von der Mehrheit erwünscht sind Frauen mit dem Aussehen von Marilyn Monroe und dem Intellekt Albert Einsteins. Umgekehrt nicht. Der Mensch ist so. (obwohl ich gegen den Intellekt von MM wahrscheinlich gar nichts einzuwenden gehabt hätte – naja, ist eine andere Geschichte)

    Wie war das mit der Definition von Schönheit: Das perfekte Mittelmaß? Wer kann so etwas furchtbares wollen?

  3. Alles ist relativ. Das wusste auch schon Einstein. „Relativ“ gut aussehen. Wahre Schönheit kommt eh von innen. Aber da mischt das Selbstbewusstsein einer Person meines Erachtens immer mit. So ist es doch auch bei solchen Filmprominenten wie Brad Pitt oder George Clooney, die beide ja gerade auf die Fünfzig zu gehen.

  4. Oh, es gibt sie, die zeitlos schönen, unoperierten (zumindest nicht ersichtlich) Ü45-Frauen Hollywoods: Helen Mirren, Judi Dench, Susan Sarandon, Sigourney Weaver, Jamie Lee Curtis. Ich halte es mit meinem zauberhaften Ehemann: Fast jeder kann mit etwas Schminke und tollen Klamotten hübsch aussehen. Aber Schönheit ist etwas anderes: Ausstrahlung, Charme und Charakter. Und die reifen doch mit dem Alter!

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