Fallbeispiele zum Buch

Liebe Leserinnen und Leser,

im hinteren Teil meines Buchs „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss“ findet ihr ausgewählte Antworten auf Fallbeispiele. Hier im Blog könnt ihr noch die Antworten der jeweils anderen beiden Familien nachlesen.

Familie A

hat zwei Töchter (11 und 14). Die ältere Tochter hat mit 13 Jahren ein eigenes Smartphone bekommen, die jüngere hat noch keins. Auf dem Smartphone der älteren Tochter ist Google Family Linkinstalliert, damit Apps nicht eigenständig installiert werden können. Nachts liegt das Smartphone nicht in ihrem Zimmer.

Die jüngere Tochter darf ein ausrangiertes Smartphone ohne SIM-Karte nutzen, um Musik zu hören und zu fotografieren.

In dem Haushalt gibt es keine Spielkonsolen, aber für den Amazon Fire TV-Stickhat ein Elternteil einen Controller angeschafft, der unregelmäßig für Auto- oder Jump’n’Run-Spiele eingesetzt wird. Es gibt im Haushalt einen PC, einen Laptop und ein Tablet. Diese Geräte dürfen von allen Familienmitgliedern genutzt werden, PC und Laptop nach Rücksprache mit den Eltern, das Tablet einfach so.

Explizite Mediennutzungszeiten sind überflüssig, weil der Alltag eher von Offline-Aktivitäten bestimmt ist.

Familie B

hat zwei Söhne (10 und 12). Der ältere Sohn hat gegen Ende der vierten Klasse ein eigenes Smartphone bekommen, der jüngere hat noch keins. In Kürze wird eine Switch gekauft; außerdem gibt es einen Nintendo Classic Mini, zwei Notebooks und ein Tablet. Die Mediennutzungszeiten und Vereinbarungen, sehen wie folgt aus: Drei Tage in der Woche sind medienfrei (Die Familie stellt fest: „Damit übrigens auch streitfrei, das war die beste Entscheidung ever“). An den anderen Tagen liegt die Medienzeit zwischen dem Ende der Ganztagsschule, kleineren Pflichten und dem Abendbrot. Viel Zeit bleibt also nicht, aber die Zeit wird auch nicht gestoppt und das Abendbrot ist mal früher, mal später fertig. Am Wochenende ist im Grunde alles möglich, es kommt auf die aktuelle Planung und die Vorhaben an. Aber die Jungs müssen ja auch mal ein paar Level schaffen oder einen Film zu Ende sehen können.  

Familie C

hat zwei Töchter (9 und 8) und einen Sohn (5). Beide Töchter haben zum Schulanfang ein altes Smartphone bekommen, da sie allein mit Bus und Bahn fahren. Es gibt etliche Spielkonsolen im Haus: Die Töchter haben mit jeweils fünf Jahren einen Nintendo 3DS XL bekommen, der Sohn bereits mit drei. Es gibt außerdem eine Wii, ein NES mini und ein Super-NES mini, die den Eltern gehören, aber von den Kindern bespielt werden können. Ein Elternteil besitzt eine Switch, die jedoch vor allem der kleine Sohn nutzt. Die größere Tochter hat ebenfalls eine Switch, die jüngere möchte keine. Außerdem gibt es zwei Tablets, die der gesamten Familie gehören und die vor allem zum YouTube-Gucken und Minecraft-Spielen genutzt werden. Selbst die Großeltern (beide 70) spielen digital: Der Großvater besitzt einen Gamecube, eine Wii, eine Switch und einen Nintendo 3DS; die Großmutter spielt vor allem auf dem iPad und ihrem Nintendo 3DS XL. Die Großeltern probieren alle Spiele, von denen die Enkel erzählen, selbst aus und erspielen – da sie als Rentner mehr Zeit haben – für die Kinder Bonus-Items. Beide haben eine hohe Spielkompetenz und können den Enkeln beim gemeinsamen Gamen noch viel beibringen. Die Eltern haben jeweils einen Laptop, auch die ältere Tochter hat einen, den sie zum Schreiben nutzt. Alle drei Kinder haben einen iPod Touch, auf dem vor allem Hörspiele zu finden sind, aber auch Spiele-Apps und YouTube.

Da die Kinder auf eine Freie Schule gehen und dort tagsüber meist draußen sind, auf Bäume klettern und spielen, dürfen sie den restlichen Teil des Tages frei über ihre digitalen Endgeräte verfügen. Es gibt nur wenige Einschränkungen: Am Abendbrottisch werden alle Geräte weggelegt, auch die der Erwachsenen. Sollten die Kinder abends im Bett noch etwas auf ihren iPods oder den Tablets gucken wollen, dürfen sie keine Kopfhörer mit Kabeln nutzen. Sind Freunde zu Besuch, wird ohne Medien gespielt, da die Beschränkungen der anderen Familien nicht untergraben werden sollen. In den Ferien ist medienfreie Zeit für alle (auch für die Erwachsenen), Ausnahme: „Wenn wir in der schulfreien Zeit wegfahren, dürfen alle Endgeräte benutzt werden.“

 

Fallbeispiel 1) Euer Sohn (7) sagt, dass alle seine Freunde schon ein richtiges Smartphone haben und dass sie sich damit per Sprachnachricht zum Fußballspielen verabreden. Er fühlt sich total abgeschnitten und hätte deshalb auch gern eins.

Familie A

„Diese Frage kann ich nur sehr theoretisch beantworten. Erstmal würde ich mich fragen, wieso 7-Jährige Smartphones brauchen. Nachdem ich kein einziges Argument dafür finden kann, würde ich meinem Sohn erklären, dass ich sicher bin, dass seine Freunde wie immer auf dem Bolzplatz um die Ecke sind und er einfach mal dort vorbeischauen soll.“

Familie C

„Mein Kind ist eher das Kind, das schon mit sechs Jahren ein Smartphone hat und von dem dir dein Kind dann neidisch zuhause erzählt. Wir wohnen in Berlin, meine Kinder fahren allein mit der U-Bahn zu Freunden, mit der S-Bahn zum Training und mit dem Bus zur Schule. Als sie damit in der ersten Klasse anfingen, habe ich meine alten Smartphones aus einer Schublade geholt, den Akku erneuern lassen, Sim-Karten eingebaut und sie meinen Kindern in die Hand gedrückt, falls sie in Notsituationen geraten. Sie rufen mich an, wenn etwas ist, ansonsten liegen ihre Smartphones unbeachtet in ihren Rucksäcken. Die darauf angezeigte Onlinezeit beträgt in 9 von 10 Wochen unter 1 Minute, und in der anderen Woche unter 5 Minuten. Ich glaube, das liegt daran, dass wir kein Bohei um die Dinger gemacht haben. Sie mussten sie sich nicht erst sehnlichst zum Geburtstag wünschen, nicht bis zur Sekundarschule darauf warten, sie sich nicht vom Taschengeld zusammen sparen und sie laufen auch nicht Gefahr, dass sie ihnen aus erzieherischen Gründen weggenommen werden. Die Smartphones sind Kommunikationsmittel, nicht mehr, nicht weniger.“

 

Fallbeispiel 2) Es ist 18 Uhr. Ihr ruft eure 14-jährige Tochter zum Abendessen. Vor einer Stunde habt ihr ausgemacht, dass es um 18 Uhr Abendessen gibt. Sie aber spielt gerade League of Legends und kommt nicht. Der Deal ist jedoch: Es wird gemeinsam gegessen. Erst reagiert sie gar nicht, und als ihr noch mal ruft, knallt sie ihre Zimmertür zu.

Familie A

„Wir haben bzgl. des gemeinsamen Abendessens keinen „Deal“, sondern wir essen abends einfach zusammen (außer der Tagesplan der Kinder oder eines Erwachsenen lässt dies aufgrund unregelmäßiger oder regelmäßiger Termine nicht zu). Das Beispiel mit dem Computerspiel ist für uns eher unrealistisch, aber natürlich kann es sein, dass eine Tochter nicht zum Abendbrot erscheint, wenn sie gerufen wird. Nach zweimaligem Rufen würde ich zum Zimmer gehen, das Einstellen der Aktivität anordnen und mitteilen, dass es ohne sofortiges Erscheinen zu Tisch kein Essen mehr gibt. Da wir Töchter haben, die gerne Essen (und wissen, dass sie später tatsächlich höchstens ein Stück trockenes Brot bekommen würden), funktioniert das ausnahmslos.“

Familie B

„Da würde sich unsere Reaktion viel eher auf das Türenknallen und das Nichtantworten beziehen als auf die Sache mit dem Spiel. Verhandeln kann man vieles, Unfreundlichkeiten müssen aber nicht sein und bleiben sozusagen Erziehungsauftrag. Das würden wir klären wollen, ohne Änderung der Absprache und ohne Geheimrezept des Gelingens.“

 

Fallbeispiel 3) Freitag erscheint der langersehnte Teil 2 des Lieblingscomputerspiels eurer Tochter (12). Sie ist schon total aufgeregt. Am kommenden Montag schreibt sie allerdings eine wichtige NaWi-Arbeit.

Familie B

„Wenn es erst Freitag ist, dann sind noch zwei Wochenendtage über, da wird man eine also elegant Verhandlungslösung finden können. Wir haben auf Wochenendregeln komplett verzichtet, die waren alle zu kompliziert, wir stehen es jetzt einfach durch, das Abwägen der Interessen und Pflichten für jedes Wochenende immer wieder neu anzugehen. Die Wochentage sind dafür umso klarer reglementiert.“

Familie C

„Das Gehirn nimmt sowieso keine Informationen auf, wenn es eigentlich mit etwas anderem beschäftigt ist und wenn das Spiel lange ersehnt wurde, dann ist es nicht sinnvoll, darauf zu bestehen, dass die Tochter erst für die Schule lernt. Selbst wenn sie es brav versucht, käme ihr der natürliche, schlecht zu unterdrückende Hang des Menschen, sich genau dem unbedingt zuzuwenden, das einen fasziniert und begeistert, in die Quere. Sie würde also auf den NaWi-Hefter starren, verzweifelt versuchen, sich zu konzentrieren und doch immer wieder von den Gedanken an das Computerspiel abgelenkt werden. Ich würde das Kind also am Freitag so schnell und so lange wie möglich spielen lassen, den größten Teil des Samstags ebenfalls für das Spiel freihalten und Samstagabend, wenn der erste Spielrausch vielleicht etwas abgeflaut ist, mal versuchen, eine Stunde Lernzeit einzubauen. Dann am Sonntag das Kind anregen, abwechselnd zu spielen und für die Arbeit zu lernen. Grundsätzlich liegt bei uns in der Familie aber Schule und schulisches Lernen in der Verantwortung der Kinder (wie gesagt: Freie Schule, Freilerner), insofern würde ich, wenn meine Kinder sich gegen das Lernen für die NaWi-Arbeit entschieden, das so akzeptieren. Sollte es dann eine schlechte Note geben, wüssten sie ja, woran es lag. Ich selbst habe übrigens meine mündliche Abi-Prüfung in Politische Weltkunde versemmelt, weil ich mich eine Woche vorher zum ersten Mal unsterblich verliebt hatte und ich mich wirklich auf nichts anderes, als auf Knutschen konzentrieren konnte. Die Liebe war nach 2 Monaten passé, die Note 4 blieb. Daraus habe ich gelernt.“

 

Fallbeispiel 4) Euer Sohn (13) geht eigentlich immer pünktlich und ohne Widerspruch um 20 Uhr Zähneputzen und schläft dann spätestens um 22 Uhr. Trotzdem kommt er morgens total schwer in die Gänge. Er ist supermüde und immer öfter verschläft er seinen Wecker. In der Schule ist er gereizt, und seine Noten haben sich im vergangenen Halbjahr kontinuierlich verschlechtert. Nicht dramatisch, aber die Vieren kommen jetzt nicht mehr nur sporadisch.

Familie A

„22 Uhr finde ich etwas spät. Aber es liegt unabhängig davon die Vermutung nahe, dass die vereinbarte Schlafenszeit aufgrund heimlicher Computerspiele nicht eingehalten wird. Ich würde offen ansprechen, dass ich mich wundere, dass er so müde ist und seine schulischen Leistungen schlechter werden und im Gespräch versuchen herauszufinden, wie er die Situation selbst einschätzt. Vielleicht ergeben sich in der Diskussion gemeinsame Ansätze, wie sich sein Verhalten ändern könnte.“

Familie B

„Der Sohn ist vermutlich 12 oder 13, da nützt erst einmal keine Maßnahme etwas, weder in der medien- noch in der sonstigen Erziehung, es bedarf der Nähe und des Vertrauens, da muss man reden können. Was selbstverständlich eine höhere Kunst ist, schon klar.“

 

Fallbeispiel 5) Urlaub! Ihr habt einen tollen Ausflug ans Meer geplant. Der Picknickkorb ist gepackt. Als es losgehen soll, haben eure Kinder (9 und 14) keine Lust mitzukommen und wollen lieber YouTube schauen.

Familie A

„Bei uns wäre es ein Rucksack. Wie auch immer, ich schaue beide Kinder verständnislos an, bis beide anfangen zu grinsen und zur Tür rennen… bei einem nicht ganz so attraktiven Ausflugsziel muss ich vielleicht etwas motivieren (tolle Kletterfelsen, Eis für alle am Ende, ohne Bewegung laufen wir alle Gefahr, Schimmel anzusetzen).“

Familie C

„Das passiert bei meinen Kindern auch, und an dieser Stelle sind wir Eltern tatsächlich unnachgiebig. YouTube rennt nicht weg, es ist nachher noch da, jetzt ist aber erst einmal Zeit für Gemeinschaft bevor die Sonne untergeht und der Urlaub vorbei ist. Unsere Kinder stöhnen dann zwar, und manchmal werden sie auch wütend, aber das ist, sobald wir draußen sind, auch schnell vergessen. Wir haben den Kindern schon früh die Zusammenhänge im Gehirn erklärt, faules Basissystem versus Präfrontaler Kortex, Bedürfnisbefriedigung etc., so dass sie wissen, dass menschliche Beziehung und freies Spiel draußen in der Natur wichtig sind als Ausgleich zu Digitalen Medien. Das macht sie kompromissbereiter und verständnisvoller, wenn wir Erwachsenen mal wieder auf einen Ausflug beharren.“

 

Fallbeispiel 6) Die Mutter einer Klassenkameradin eurer elfjährigen Tochter ruft euch an und berichtet, dass eure Tochter einen TikTok-Account hat, von dem ihr bislang nichts wusstet.

Familie B

„Dann haben wir offensichtlich etwas versäumt, entweder vernünftige Erklärungen oder Vertrauensaufbau, das wird dann zu klären sein und ist weder für das Kind noch für uns lustig.“

Familie C

„Ich finde TikTok super und habe es selbst auf dem Handy. Mir macht es Spaß, die oft lustigen Clips anzugucken. Wie viel kreatives Potential und wie viel Spielerei in uns allen steckt – Wahnsinn! Wenn meine Tochter mir also verheimlicht, dass sie einen eigenen Account hat, würde mich das schon irgendwie anpieksen. Ich würde mich fragen, ob sie mir nicht vertraut, oder ob sie einfach nicht will, dass ihre Mutter da reinplatzt, wo sie sich mit Freunden online trifft. Letzteres fände ich verständlich. Nichtsdestotrotz würde ich mit meiner Tochter reden, denn es gibt ein paar Dinge bezüglich der App und bezüglich meiner Sicherheitsbedenken, die sie unbedingt wissen sollte. Ich möchte z.B. nicht, dass das Gesicht meiner Kinder im Internet zu sehen ist (und auch ihren Körper nicht, wenn er nur leicht bekleidet ist). Mein Gesicht muss ich berufsbedingt in Kameras halten, aber das sind nie private Fotos oder Filmchen, die einen potentiellen Arbeitgeber abschrecken könnten. Und so möchte ich das auch mit Fotos und Filmen meiner Kinder halten. Hinzu kommt, dass ich möchte, dass die Filme, die meine Kinder hochladen, nichts über unseren Wohnort oder ihren echten Namen verraten. Ich möchte auch, dass meine Kinder wissen, dass es im Internet seltsame Gestalten gibt, die ihnen möglicherweise Böses wollen, und die sich via TikTok und anderen Apps gern an junge Mädchen ranschleichen. Sie sollten wissen, wie diese Typen das versuchen, und was sie tun können, wenn ihnen das tatsächlich passiert. Sollte das je geschehen, hoffe ich, dass sie wissen, dass sie zu mir kommen können, ohne Angst haben zu müssen, von mir eine Standpauke zu erhalten, weil sie heimlich eine bestimmte App benutzt haben.“

 

Fallbeispiel 7) Ihr bekommt mit, dass durch den Klassenchat eures 17-jährigen Kindes das Foto eines euch unbekannten Mädchens geistert. Das Mädchen ist oben ohne.

Familie A

„Für uns sehr theoretisch. Ich würde nachschauen, was TikTok ist. Dann würde ich meine Tochter fragen, was TikTok ist und ihr dann klarmachen, dass ich nicht verstehe, warum sie sich über die medienpädagogischen Anweisungen der Schule und unsere Vorgaben hinwegsetzt. Ich würde verdeutlichen, warum ich und viele andere die Veröffentlichung von Videos im Internet (ich weiß, das trifft auf TikTok nicht direkt zu, ich habe ja gerade nachgeschaut, was die App macht, aber vom Ergebnis her scheint es mir durchaus vergleichbar) durch Kinder für keine gute Idee halte. Aber wie gesagt, nur theoretisch, denn unsere elfjährige Tochter hat gar kein Smartphone. Unsere ältere Tochter hat keine Zeit für (und kein Interesse an) solche Art der Freizeitgestaltung. Und zu guter Letzt wäre die Installation der App dank Family Link gar nicht möglich gewesen…“

Familie B

„Das kann ich noch gar nicht beantworten, dahin haben wir uns noch nicht vorgearbeitet, pardon.“

 

Fallbeispiel 8) Dein Sohn (9) will das Spiel spielen, das sein Bruder (14) spielt. Das Spiel hat eine USK-Empfehlung  von 16 Jahren.

Familie B

„FSK-Empfehlungen halten wir größtenteils ein, die sind ja auch herrlich einfach. Ich kan sie zwar bei Spielen oft überhaupt nicht nachvollziehen, aber egal. Gelegenheiten zur vereinfachung immer ausnutzen, alte Regel. Siehe auch Schulpflicht, das ist eben so, Ende Gespräch.“

Familie C

„Das ist bei uns auch schon vorgekommen, allerdings mit USK 12. Ich finde, es ist wichtig, zu erkennen, dass es nicht der Job des großen Kindes ist, das Spiel irgendwie heimlich zu spielen, oder nur dann rauszuholen, wenn der Kleine nicht da ist, um diesen Stress zu vermeiden. Es ist natürlich gut, wenn die großen Geschwister Rücksicht lernen, aber sie sollen auch nicht darunter leiden, dass sie kleinere Geschwister haben. Es ist unser Job als Eltern, dem Kleinen zu erklären, warum er das Spiel nicht spielen darf, dann seine Wut auszuhalten, zu begleiten und ihm Alternativen anzubieten. Nicht von der Hand zu weisen ist natürlich der Fakt, dass kleinere Geschwister oft Dinge früher dürfen, als die größeren. Das war bei uns auch so – der Kleine hat seinen iPod und seine Spielkonsole jeweils zwei Jahre früher bekommen, als seine Schwestern. Aber so eine USK hat ja einen bestimmten Sinn und wir Eltern haben den Auftrag, unsere Kinder zu schützen. Mittlerweile ist es bei uns so, dass der Kleine freiwillig aus dem Zimmer geht, wenn die Große einen Film ab 12 guckt, oder ein Spiel ab 12 spielt. Das lief am Anfang natürlich nicht so friedlich – als er etwa 3 Jahre alt war und die Mädchen Filme ab 6 guckten, musste ich mehr als einmal einen sehr, sehr wütenden Knirps sanft davon abhalten, einfach ins Zimmer zu stürmen. Wir saßen da manchmal bis zu einer dreiviertel Stunde vor der Wohnzimmertür, bis er sich beruhigt hatte. Ich habe seine Wut gut verstanden, und das ihm gegenüber auch ausgedrückt, aber in diesem Fall blieb es stur bei meinem Nein. Nach und nach wurde es dann besser. Es ist wichtig, dass das kindliche Gehirn auch lernt, mit Unvermeidbarkeiten umzugehen, natürliche Grenzen zu akzeptieren und Bedürfnisse von anderen zu berücksichtigen – und in diesen Situationen hatte mein Sohn die Chance dazu. Jetzt, mit 5 Jahren, kann er das gut und er lässt, wie gesagt, seine Schwester freiwillig allein. Manchmal rückversichert er sich dann noch bei mir, dass er dieses bestimmte Spiel dann auch spielen darf, wenn er so alt wie seine Schwester jetzt ist. Das bejahe ich natürlich.“

 

Fallbeispiel 9) Euer Kind (6) hat eine App heruntergeladen, über die ihr just am nächsten Tag zufällig lest. Die App sammelt exzessiv Daten und steht im Verdacht, auf Systeme zuzugreifen, auf die sie eigentlich keinen Zugriff haben darf. Allerdings sind im Moment alle Jugendlichen ganz verrückt nach ihr. Die App verfügt nämlich über eine Greenscreen-Funktion, mit deren Hilfe man sich an die verrücktesten Orte bringen kann. Zumindest auf dem Foto.

Familie A

„Zu diesem Szenario fällt mir nicht so recht ein sinnvolles Vorgehen ein, sondern es stellen sich mir eher Fragen. Wieso hat mein sechsjähriges Kind ein Smartphone, mit dem es offenbar selbstständig App installieren kann? Hat das Kind nichts Besseres zu tun, als sich in Orte zu montieren, die es nicht kennt? Das arme Kind! Ich schaue mir lieber mit ihm unsere Fotoalben der letzten Urlaube an und bringe uns damit gedanklich an Meer und Strand und auf Felsen und in Berge.“

Familie C

„Ich würde die App vom Kind löschen lassen. Auch, wenn es schwer fällt und das Kind sauer mit mir ist. Ich würde ihm aber sehr genau erklären, warum es bedenklich ist, dass die App so viele Daten sammelt und auf Systeme zugreift. Wie ich mein Kind kenne, wäre es so genervt von meinem Sermon, dass es die App sofort freiwillig vom Handy nimmt. Dürften seine Freunde die App behalten, würde es aber auf deren Handy weiter damit spielen. Meine Kinder laden bisher allerdings noch keine Apps allein herunter. Wenn sie etwas Bestimmtes haben wollen, kommen sie zu mir. Ich höre mir an, warum ihnen die App wichtig ist, ich recherchiere ein bisschen, manchmal ringe ich auch eine Weile mit mir, weil ich den Inhalt so hirnrissig finde, aber wenn es keine Sicherheitsbedenken gibt, lade ich sie dann für sie auf ihr Gerät. Dieses Vorgehen war keine bewusste Entscheidung von uns, das kam einfach, weil sie zu jung waren, um lesen zu können, als sie die Geräte bekamen, und bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, es zu ändern.“

 

Fallbeispiel 10) Es ist 20 Uhr. Zusammen mit eurem Kind (4) habt ihr gerade auf Netflix eine Folge Dino Danageschaut. Jetzt soll es eigentlich ins Bett gehen. Euer Kind will aber noch eine Folge gucken. Unbedingt. Als ihr verneint, bekommt es einen Wutanfall.

Familie B

„Das haben wir in dem Alter durchgezogen, weil funktionierende Regeln irgendwo anfangen müssen, was mit Medien gar nicht unbedingt etwas zu tun hat. “

Familie C

„Tja, nun, das ist ja auch ärgerlich, nicht? Dass man etwas Schönes abbrechen muss, um ins blöde Bett zu gehen. Da ist ein Wutanfall jetzt nicht so ungewöhnlich. Zumal die menschliche Impulskontrolle im Gehirn vom Präfrontalen Kortex geregelt wird und dieser bei längerem Fernsehgucken gerne in den Ruhemodus geht. Will heißen: Wenn ich einem Kind sage, dass es nun ausmachen soll, und es deshalb ärgerlich wird, wird dieser Wutimpuls nicht von der Impulskontroll-Schleife herabgeregelt. Dementsprechend kommt die Wut ungebremst raus. Das ist nicht schön, klar, sollte uns Erwachsene aber nicht davon abhalten, bei unserem ‚Jetzt machst du das aus, bitte.‘ zu bleiben, und es sollte uns auch nicht in Panik versetzen. Unser Kind wird kein Serienjunkie, weil es mit vier Jahren nicht brav ‚Ja, Mama, natürlich höre ich jetzt auf zu gucken. Gern!‘ sagt.“

 

Fallbeispiel 11) Euer Kind (10) hat über einen Messenger-Dienst einen Drohbrief bekommen: „Leite diese Nachricht an fünf Kontakte weiter oder deine beste Freundin stirbt.“ Ihr löscht den Brief. Daraufhin rastet euer Kind fast aus, weil es ihn jetzt nicht weiterleiten kann.

Familie A

„Ich erkläre meinem Kind in angemessener Art und Weise, dass solche Briefe dämlich sind und sie gerade deswegen nicht weitergeleitet, sondern gelöscht werden sollten. Zudem versichere ich, dass noch nie jemand aufgrund eines solchen Briefes bzw. dessen nicht erfolgter Weiterleitung zu Tode gekommen ist. Selbst damals nicht, als die noch aus Papier waren…“

Familie B

„Ähnliche Fälle gab es schon, da hat Aufklärung tatsächlich geholfen, nicht nur durch uns, tatsächlich auch durch Sendungen wie Logo etc..“

 

Fallbeispiel 12) Es war wirklich keine Absicht, aber ihr habt mitbekommen, dass euer Kind (12) auf seinem Smartphone einen knapp dreiminütigen Hardcore-Porno-Clip hat.

Familie A

„An erster Stelle würde ich meinem Kind deutlich machen, dass der Sex, der in Pornos dargestellt ist, extra dafür gespielt wird, eben von speziellen Schauspielern und dass es sich keine Sorgen machen sollte, dass Sex so aussehen muss oder immer so aussieht. Dann würde ich mein Kind fragen, woher es dieses Video hat und ob es das Video weiterversendet hat. Je nach Antwort würde ich die Eltern des Versenders (in dem Fall, in dem der Versender ein anderes Kind ist) auf den Umstand aufmerksam machen und ggf. Kontakt aufnehmen zu den Eltern der Kinder, die das Video von meinem Kind weitergeleitet bekommen haben.“

Familie B

„Siehe 7, da fehlt mir noch die rechte Vorstellungskraft.“

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