Es ist schon etwas länger her, da habe ich einen Fermentier Workshop besucht. Das war sogar vor der Pandemie – also noch bevor wir uns alle seltsame Hobbys angeschafft haben, um nicht verrückt zu werden.
Jedenfalls war die Workshopleiterin derartig begeistert, dass ich mich die ganze Zeit gefragt habe: „Was hat die genommen? Muss ich nur ausreichend Kombucha trinken und dann werde ich auch automatisch so high und enthusiastisch?“
Fermentieren ist stark vereinfacht dass man Gemüse mit den Händen knetet und dann in Salzwasser einlegt und wegstellt. Die Hefekulturen der Hände wandeln alles in ein saueres Milieu. Dadurch wird der eingelegte Kram haltbar. Gesund ist es noch dazu!
Die Workshopleiterin riet uns deswegen vor dem Gemüsekneten AUF KEINEN FALL die Hände zu waschen. Das mache die ganze Hefe in den Händen kaputt. Das wäre doch sehr schade und am besten wäre es, wenn wir alle rundum mit unseren Händen im Gemüse der anderen rumrühren würden. Ja, wer sich traut, der könne auch seine Schuhe und Strümpfe ausziehen und mit den Füßen das Gemüse bearbeiten.
Wir lächelten alle verhalten und kneteten unser eigenes Gemüse.
An dieses Erlebnis musste ich neulich im Gym beim Trainieren denken. Da fiel mir nämlich auf, dass meine Hände ungefähr nach dem dritten Gerät unangenehm rochen. Es war 6.15 Uhr, das Gym hatte gerade geöffnet und ich dachte mir: „Komisch. Die Griffe müssen doch gerade erst gereinigt worden sein über Nacht, warum riecht das denn so -hefig?“
Ich war mir auch ziemlich sicher, dass der Geruch nicht direkt von mir kam, denn ich wasche mir die Hände zum Start immer gründlich. Ich reise mit der Tram an und generell finde ich, sollte man sich die Hände waschen, wenn man von draußen irgendwo rein kommt. Messerscharf kombinierte ich also: Meine Hände hatten den Duft von Veilchen zu Hefemuff gewechselt weil ich die Gerätegriffe angefasst hatte.
Ich entschloss mich folglich nach dem Training am Tresen mal zu fragen, wie oft die Griffe gereinigt wurden. Schon als ich die Frage stellte, wechselte das Gesicht der Tresenkraft von freundlich interessiert zu hääää? Die Griffe der Geräte würden nie gereinigt. Also nicht vom Gym. Nicht abends, nicht einmal die Woche, nie. Das sei Aufgabe der Mitglieder. Es stünden ja Boxen mit Tüchern rum, die könne ich nutzen, wenn mich der Zustand störe. Das sollten eigentlich alle ständig machen wenn sie trainieren. Das sei nun wirklich nicht Verantwortung des Betreibers.
Aha. Dafür dass die Kette zur der mein Gym gehört, sich in der Werbung als Gym im Luxus-Segment präsentiert, finde ich das mindestens – überraschend.
Die Boxen mit den Desinfektionstüchern kannte ich. Bei den Cardiogeräten standen viele rum und da hatte ich auch schon andere gesehen, die sie benutzen. Dort benutze ich sie auch. Aber auf der Gerätefläche stand genau eine Box und ich hab in den letzten Monaten ungefähr drei Menschen gesehen, die sie benutzt haben. Ich benutze sie bei dem Gerät für Hüftabduktion bzw. -adduktion wenn ich kurze Hosen trage um die Flächen, die meine Knie berühren zu reinigen. Den Rest des Geräts schütze ich/schützen alle mit einem Handtuch.
Den Anspruch die Griffe eines jeden Geräts und jede Hantel selbst zu reinigen, finde ich utopisch. V.a. man muss sie ja vorher reinigen, weil man nicht sicher sein kann, dass der Vorgänger das bereits getan hat und nachher weil man die Griffe selbst angefasst hat.
Jedes Gerät wird zwischen 6 und 23 Uhr ungefähr 113 Mal genutzt. D.h. der Betreiber möchte, dass pro Gerät rund 120 Tücher verbraucht werden. Ich schätze in dem Gym in dem ich bin, gibt es so 55 Geräte und naja keine Ahnung 150 Hanteln, sowie hmmm 200 Gewichtsplatten. Die werden ja auch angefasst. Also uff 120*55+80*150+80*200 = 34.600 Tücher. Der Betreiber möchte also, dass am Tag 34.600 Tücher genutzt werden, damit die Griffe nicht stinken. Meine 10 sec Recherche dazu hat ergeben, dass ein Tuch ca. 0,04 Euro kostet. Macht 1.384 Euro. Für das Geld könnte man schon eine Reinigungskraft am Abend mal die Griffe abwischen lassen, denke ich.
Machen sie aber nicht.

Jetzt wäre ich ja nicht ich, wenn ich wegen sowas verzage. Ich werde mir einfach Handschuhe für nen Zehner besorgen UND ich werde Gym Kimchi machen. Dafür habe ich mir bereits einige Kilo Chinakohl besorgt, die ich einfach halbiere und beim nächsten Training werde ich abends kurz vor Schluss den Chinakohl auf den Gerätegriffen aufspießen und tüchtig hin und her reiben, damit all die guten Hefekulturen der 112 Menschen vor mir in den Kohl übergehen. Ähnlich verfahre ich mit dem Rettich und den Möhren. Wobei ich auch überlege, ob man diese beiden Zutaten nicht in die Gymnastikmatten einrollt und wälzt. Ich denke, die werden auch nie vom Gym gereinigt und auf eine Matte passen direkt einige Kilo Möhren und Rettich.
Für die Fermentation ist es ja auch wichtig, dass man die Struktur des Gemüses aufbricht. Das macht man sonst mit viel Kraft und Geduld, aber ich spiele mit dem Gedanken das etwas zu beschleunigen. Man könnte den vorbehandelten Kohl ja in dicke Scheiben schneiden und zwischen die Gewichtsplatten der Geräte legen. Beim Trainieren gehen die ja rauf und runter und würden bestimm ganz hervorragend die Zellwände aufbrechen.
Ich weiß allerdings noch nicht wie ich den guten Gemüsesaft, der dann rausläuft, aufsammelt. Der dient als Lake und man braucht ausreichend viel damit das Gemüse nicht anfängt zu schimmeln. Ich muss mich also mal umschauen, was man da im Gym nutzen kann.
Ich bin mit diesem Plan jetzt wieder ganz gut gelaunt. Es ist eben alles eine Frage des Mindsets. Vorher dachte ich „WTF ich zahle 50 Euro im Monat und dann werden die Geräte nicht mal gereinigt“ und jetzt denke ich „Wow, nur 50 Euro im Monat UND ich kann da zentner- wenn nicht sogar tonnenweise vorbehandeltes Gemüse mit dem besten Bakterien-Hefe-Mix der Welt nach Hause schleppen, um nebenberuflich Kimchi auf einem kleinen Bio-Hipster-Wochenmarkt zu verkaufen und reich werden!“
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Das Fitness-Studio einer westdeutschen Großstadt, dass ich besuche, hat überall Papierspender und Desinfektionsspray herum. Diese werden auch sehr sehr rege genutzt. Sogar von alten weißen Männern. Menschen, die nach sich nicht „abputzen“ werden in aller Regel sehr schief angeschaut.
Finde ich gut.