Gedanken eines Kindergartenkindes zum Thema Kinderfreundlichkeit

Ich muss noch in die Apotheke und nehme die direkt neben dem Spielplatz. Kind 3.0 kommt mit. Innen ist ein winziges Karussell mit drei Plätzen, eine kleine Couch, daneben einige Bücher und zwei große Bagger. Vor mir ein Rollstuhlfahrer. Ich stelle mich mit Diskretionsabstand an.

Kind 3.0 derweil schaut völlig fasziniert auf das sich drehende Karussell. Ein kleiner Junge dreht sich auf ihm. Er streckt den Fuß als Bremse raus und lädt Kind 3.0 ein mitaufzusteigen. Kind 3.0 nimmt die Einladung gerne an.

Eine zweite Apothekerin kommt an den Tresen und winkt mich ran. Ich schildere mein Begehr. Der Heuschnupfen dieses Jahr macht mich irre. Wir diskutieren hin und her was helfen könnte. Unser Gespräch dauert rund fünfzehn Minuten. Die Apothekerin schaut Nebenwirkungen nach, vergleicht Preise. Wir sprechen darüber wie lange man ein abschwellendes Nasenspray tatsächlich benutzen darf. „Wenn alle Menschen so vorsichtig mit Drogen umgehen würden, wie mit Nasensprays gäbe es deutlich weniger Probleme in der Welt. Die meisten nehmen die Warnung so ein Nasenspray nicht länger als eine Woche zu benutzen, sehr, sehr ernst.“

Ich bezahle, rufe Kind 3.0 und wir gehen.

Draußen bleibt Kind 3.0 stehen und schaut zurück zu dem Laden: „Warum hatten die da ein Karussell?“

„Hat es dir denn gefallen?“, frage ich.

„Ja, sehr!“

„Das nennt sich kinderfreundlich.“

„Kinderfreundlich?“

„Ja, die haben sich etwas ausgedacht, was Kindern gefällt, damit die Erwachsenen in Ruhe mit den Apothekerinnen sprechen können. Machmal will man nicht nur was abholen, sondern benötigt Beratung…“

„Und die Kinder spielen dann!“

„Genau.“

„Das ist toll. Wollen wir da nächstes Mal wieder hin gehen?“

„Klar, können wir machen, wenn ich wieder was aus der Apotheke brauche.“

„Warum sind nicht alle Einkaufsläden kinderfreundlich?“ Kind 3.0 spricht kinderfreundlich aus, wie Kinder Worte aussprechen, die sie sich das erste Mal zusammen buchstabiert haben.

„Das frage ich mich auch. Es gibt sogar Orte an denen Kinder verboten sind.“

Kind 3.0 schaut mich empört an: „Was sind das denn für Orte?“

„Restaurants, Cafés, Hotels…“

„Und da gehen Menschen hin, die keine Kinder haben?“

„Nicht nur, da gehen sogar Eltern hin, die kinderfrei haben und dann auf keinen Fall Kinder sehen wollen.“

Kind 3.0 schaut ungläubig: „Aber das ist doch voll gemein?“

„ICH finde das auch. Machmal blogge ich auch darüber, dass ich das unmöglich finde.“

Kind 3.0 schaut nachdenklich: „Wenn die Erwachsenen ihre Ruhe haben wollen, warum gibt es dann nicht eher sowas wie in der Apotheke?“

„Wahrscheinlich weil sie wirklich nichts hören wollen. Vermutlich auch keine anderen Erwachsenen und schon gar keine Kinder auf Karussells.“

„Dann können die doch am besten zuhause bleiben?“

Ich muss lachen. Ja, das finde ich irgendwie auch.

Wir steigen auf mein Fahrrad. Während wir unsere Helme aufsetzen, sagt Kind 3.0: „Leute, die Kinder verbieten wollen, sollten nicht dein Blog lesen dürfen!“

„Nie mehr?“

„Na fünf Tage. Oder eine Woche. Eine ganze Woche. Oder fünf Tage. Jedenfalls… das was mehr ist!“

Ja, diese drakonische Strafe hätten sie sich eigentlich verdient.

130 Gedanken zu „Gedanken eines Kindergartenkindes zum Thema Kinderfreundlichkeit“

  1. Ich möchte mal einwerfen, dass Kinderfreundlichkeit auch Kundenfreundlichkeit für andere Kunden ohne Kinder bedeuten kann, wenns gut gemacht ist.
    Denn was nörft mehr: Ein Kind, das in der Schlange stehen muss und quengelt, oder ein Kind, das friedlich fröhlich aufm Karussell sitzt?

    Beispiel Langeoog – ja, ein Familienziel – wo auch das schicke Feinschmecker-Restaurant das kleine bisschen mitdenkt und
    a) Malstifte und Ausmal-Sets auf den Tisch legt bzw.
    b) in einer ruhigen Ecke, wo andere Gäste es nicht mitbekommen, ein paar Spielzeuge stehen hat.

  2. Mometason, der Wirkstoff ist zwar noch Rezeptflichtig, aber bereits seit letztem Jahr empfohlen, aus der Rezeptpflicht entlassen zu werden. Hilft ganz wunderbar, der Gang zum Arzt um es verschreiben zu lassen ist sehr, sehr (!) zu empfehlen.

  3. Sehe ich etwas anders. Die Welt ist groß genug, um beides anzubieten und auszuhalten. Eine kinderfreundliche Apotheke ist für den Moment genauso großartig und sinnvoll wie ein ruhiges stilles gediegenes Cafe, in dem Lärm nicht geduldet wird. Ich würde es allerdings bevorzugen, wenn Kinder nicht generell nicht erwünscht sind, wenn stattdessen nur der Ober mit einem dezenten Hinweis eingreift, wenn offensichtlich überforderte Eltern auf überreizte Kinder treffen. Darf ich hier trotzdem weiterlesen?

  4. Naja – ich hab auch ein Kind & wenn wir mal „kindfrei“ haben, gehe ich auch lieber in Restaurants ohne Kinder. Und ich kann die Leute auch gut verstehen, die ähnlich denke. Manche Gören sind nämlich ganz schöne Bratzen. Sobald man dann um ein wenig mehr Ruhe bittet, weil das Kind zum 10ten Mal um den Tisch gerannt ist, wird man von den Eltern mit „es ist nun mal ein Kind“ und hochgezogener Augenbraue bedacht. Und mit Kind gehen wir halt nur dort hin, wo man Kinder mag. Ist für alle entspannter. Da gibt es schon eine Menge… Unsere Lieblingsrestaurant hat in der Ecke ein Schloss mit Rutsche und Bank zum Malen. Tolle Sache.

  5. Danke für den Beitrag. Ich habe in meiner Umgebung 4 Bäckereien, und ich fahre am Wochenende immer zu der, wo mein knapp dreijähriger immer noch ein kleines Brötchen geschenkt bekommt.
    Inzwischen ist er laut eigener Aussage deutlich zu groß dafür und wir lehnen immer dankend ab, aber das ist in meiner Umgebung die einzige Bäckerei, die das macht und wo die Verkäuferinnen immer sehr nett zu dem Kleinen waren und auch immer noch sind.
    Dadurch wurde im zum Stammkunden.
    Seitdem ich Vater bin ist mir Kinderfreundlichkeit sehr wichtig. Vorher habe ich mir darum nie Gedanken gemacht.

  6. Mir auch nicht, aber eine gute Gesichtscreme aus der Apotheke (roter Deckel, mit Empfehlung vom Allergikerverband) trägt bei mir unterstützend dazu bei, dass die Haut nicht auch noch explodiert. Ich war jahrelang so naiv, das vollkommen zu unterschätzen und hab mich gewundert, dass die günstigen Hausmarke-Produkte aus der Drogerie nix ausrichten….“is doch auch Creme“. Not.

  7. Vor ca. 50 Jahren (kein Witz) gab es in unserem Ort eine Drogerie, die eine Rutschbahn vom EG in die Verkaufsräume im UG hatte. Dreimal dürft ihr raten, in welche Drogerie alle Kinder des Orts, mich eingeschlossen, ihre Mütter schleppten und welcher Drogist sich eine goldene Nase verdient hat. Der Apotheker scheint ähnlich zu denken. Kinderfreundlichkeit zahlt sich aus. So oder so. Deshalb: mehr Karusselle und Rutschbahnen in die Läden. Denkt mal drüber nach, liebe Retailer. Da kann dann auch Amazon nicht mithalten.

    1. Na ja. Erst mal aufhören bei Amazon einzukaufen, oder Wunschlisten zu verlinken, dann kann mal über die Ladenausstattung im Einzelhandel diskutieren…

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    Gerne gelesen
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