111208348221210529

Tag 2 unseres Aufenthalts in Neustrelitz

Ich bin urlaubsreif. Sobald ich aus Neustrelitz zurück komme, muss ich mich erholen. Mein Freund hatte mich unter dem Vorwand eines romantischen Osteraufenthalts nach Mecklenburg-Vorpommern gelockt. Nach und nach stellt sich heraus, dass es sich um ein Antispeckrobbenarschtrainingsprogramm handelt. Ich nehme an der Hund hat die ganze Aktion mehrere Jahre im Voraus geplant. Es begann nach dem Frühstück ganz harmlos. Wir wollten in der lauen Märzsonne einmal um den Zierker See radeln. In Wiesenthal, ich war noch recht frisch, schlug er vor noch einen kleinen Abstecher nach Prälank zu machen. Wir fuhren vorbei am Kleinen Prälanksee und passierten den Großen Prälanksee als sich erste Erschöpfungssymptome einstellten, immerhin waren wir bereits eine Stunde unterwegs. Mein Freund überlistete mich dann erneut, indem er mir einen Latte Macchiato im Café Prälank in Aussicht stellte. Als der nächste See vor uns am Horizont erschien, wurde mir klar, dass wir das Café schon lange passiert hatten. Da es nicht mehr weit nach Userin war, erhoffte ich mir dort eine kleine Rast. Munter durch Klein Quasow, an unsichtbaren Mühlen vorbei, weiter nach Weserberg. Meine Kräfte schwanden. Die ersten Zitronenfalter, die zu meinem Erstaunen ungewöhnlich schnell fliegen können, überholten mich. Als wir dann fast vier Stunden unterwegs waren, drohten meine Kräfte mich endgültig zu verlassen. Das nächste Café wurde durch meinen Freund abgelehnt, weil die Außenansicht nahe legte, dass man innen Cappuccino ausschließlich mit Sprühsahne reichte. In meinem Zustand wäre mir das trotz meiner sonst ausgeprägten Nöligkeit ebenfalls ein Dorn im Auge gewesen und gerne hätte ich mich stundenlang bei ihm beschwert, wenn ER vorgeschlagen hätte das Etablissement aufzusuchen. Dennoch lies ich mich ob meines sauerstoffunterversorgten Gehirns auf einen Handel ein. Ein Restaurant sollten wir noch weiter fahren, egal wie es aussähe, wir würden dort rasten. Man muss dazu sagen, dass trotz der wunderschönen Landschaft und den zahlreichen Seen die Mecklenburg-Vorpommer noch nicht drauf gekommen sind, dass Städter wie wir sich lächelnd das Geld aus den Taschen ziehen lassen würden, wenn es denn Cafés gäbe – vielleicht sogar mit Seeblick. In ein solches Café zu investieren scheint dem Mecklenburg-Vorpommer jedoch eine fixe Idee. Wahrscheinlich mutet ihnen das Seegaststättenkonzept ähnlich absurd an, wie unsereins die Idee, doch mal ein gemütliches Picknick auf der Berliner Autostadtbahn zu machen, empfände.
Ziele zu erreichen ist nur eine Frage der Motivation und so schaffte es mein gewiefter Freund natürlich auf einer der zahlreich angebrachten Radwanderkarten ein Restaurant auszumachen, welch allen mecklenburgvorpommerischen Traditionen zum Trotz direkt an einem See gelegen war. Die ‚blaue Radwanderlinie’ führte laut Plan schnurgerade dort hin. Ich überzeugte mich auf der Zeichnung persönlich, dass mein Mittagessen nur noch wenige Kilometer entfernt war. Auf der Karte war eine ungebogene Eisenbahnlinie zu sehen. Rechts davon befand sich der Radfahrweg. Wir machten uns also auf den Weg. Leicht skeptisch stimmte mich der Umstand, dass sich links neben den Schienen eine weitere Straße befand, auf der ich zahlreiche Radler beobachten konnte.
Nach ca. 400 Metern bog unser Radweg scharf nach rechts ab. Wir fuhren durch den Wald (noch dachte ich, es handle sich um eine Abkürzung und lachte mir innerlich ins Fäustchen), über Felder (und stellte mir vor, wie wir hase- und igelgleich vor den anderen Radfahrern im Café Seeblick ankamen), Berg rauf, Berg runter (und schon kaffeeschlürfend auf unseren Plätzen in der Sonne saßen wenn die anderen Deppenfahrradfahrer endlich schwitzend und keuchend eintrudelten), am Seeufer entlang, bis schließlich die letzten Zeichen der Zivilisation verschwanden. Selbst auf dem höchsten Punkt unseres Weges ließen sich in keiner der Himmelsrichtungen Menschenlebenszeichen ausmachen. Die Sonne war heiß geworden. Meine Kehle war trocken. Das Vogelgezwitscher wich in meinen Ohren dem Rauschen meines Blutes. Ich hoffte inständig, dass das Ziel nun näher als der Start wäre, denn an den Start zurück hätten meine Beine mich nie und nimmer mehr getragen. Im Trance radelte ich weiter und weiter und als wir fast am Ende des Sees angelangt waren, tauchten am Horizont endlich auch wieder Häusersilhouetten auf. Leider endete der Weg an dieser hoffnungserweckenden Stelle bzw. er machte eine 180 Grad Biege nach links zurück ins Feld. Wir fuhren also den ganzen beschissenen Weg zurück. Nun, was noch schlimmer war, nicht den eigentlichen Weg sondern eben eine zum Weg parallel verlaufende Serpentine. Als wir dann fast am Ausgangsort waren bog der Weg sich erneut in die andere Richtung. Ich trampelte ab da apathisch in meine Pedale und schwor mir, den verlogenen Kartenmaler persönlich zu erwürgen. Während ich in meine Mordgedanken vertieft war, fiel mir gar nicht auf, dass der Schotterweg sich in eine asphaltierte Straße gewandelt hatte und wir geradewegs auf die Gaststätte Havelberge zusteuerten. Als wir da waren, kannte meine Begeisterung kaum Grenzen. Mein Freund konnte mich nur schwer davon abhalten jeden einzelnen Kellner zu umarmen. Ich rannte aufs Klo und trank erst mal zwei Liter des erfrischenden Nass, welches hier tatsächlich frei erhältlich und trinkbar aus den Rohren floss. Ich weiß nicht, was ihm daran so peinlich war. Ich glaube nicht, dass das ganze Restaurant sich nach mir umdrehte nur weil ich „Wasser! Wasser!“ aus den Toilettenräumen schrie.
Der Blick in den Spiegel lies mir im Übrigen die Einsicht wie Schuppen von den Augen fallen, warum echte Radfahrprofis ausschließlich mit Kappen Fahrrad fuhren. Meine Frisur war ganz und gar ruiniert und mein Pony stand nach oben wie eine skurrile Felsformation der Sächsischen Schweiz.
Nachdem ich mich erfrischt und in Ordnung gebracht hatte, besann ich mich wieder meines Grostädtertums und testete die Geduld der freundlichen Eingeborenen. Ich bestellte standesgemäß ein Putensteak, verlangte jedoch Pommes Frites statt Kartoffelecken, bat darum die Salatsoße wegzulassen und mir anstatt dessen Essig und Öl zu bringen. Ich bemängelte mit vorgeschobener Unterlippe, dass es keinen Mangosaft gab und bestellte beleidigt nach einer fünfminütigen Denkpause in Anwesenheit der Kellnerin ein Wasser. Nachdem ich mir sicher war für verrückt gehalten zu werden, orderte ich zum Nachtisch eine Kugel Schokoladeneis mit Erdbeersoße, versicherte mich vorher aber, dass es sich um künstliche Erdbeersoße mit maximal naturidentischen Aromastoffen in keinem Fall aber aus tatsächlichen Erdbeeren hergestellte Soße handelte.
Als wir nach unserem Essen wieder die Fahrräder bestiegen, fühlte es sich zehn Millisekunden so an, als wäre ich in meine natürliche Position zurück gekehrt. Während ich lautstark verkündete, wie widersinnig es sei, den ganzen Tag verbuckelt vor dem Computer zu sitzen, wünschte ich mir nichts sehnlicher als das, denn die ersten Muskelschmerzen setzten ein.
Das Straßenschild zeigte noch 15 Kilometer zu unserem Hotelort und ich wünschte mein Handy nie verbannt zu haben, denn dann hätte ich ein Taxi rufen können, um mich abholen zu lassen. So blieb mir diese Option verwährt und ich strampelte unter großen Schmerzen Richtung Hotel.
Wir hielten nur kurz im Industriegebiet, um das dortige Kino aufzusuchen und herauszufinden, ob sich ein abendlicher Besuch lohnen könnte. Mein Freund stellte dabei fest, dass er es rührend fände, wie die Menschen, die in Neustrelitz wohnen, versuchten sich durch Nachahmung der städtischen Kultur ein menschenwürdiges Leben zu schaffen.
Ich dagegen versuchte die Wahngedanken loszuwerden, die mich aufsuchten, als wir ein Straßenschild passierten, welches einen FKK-Campingplatz in ein Kilometer Entfernung anzeigte.
Ich hatte mal einen Fernsehbericht über eine solche Einrichtung gesehen. FKK-Campingplätze werden ausschließlich von körperbehaarten Hautlappenmonstern besucht, die nicht nur splitternackt und sackkratzend an Supermarktkassen anstanden sondern auch Kimmenschwitzenflecken auf den Stühlen der FKK-Restaurants hinterließen.
Während ich so über die Ästhetik von FKK-Einrichtungen sinnierte, kämpfte sich die Pein, die mein Gesäß mir verursachte langsam in mein Bewusstsein. Den Rest des Rückwegs beschäftigte mich die Frage, ob nun meine Beine oder eben mein Hintern mir mehr weh taten.
Die letzten Meter zum Hotel legte ich in Zeitlupe leidend wie Rocky zurück und brüllte dabei nach Art des Herrn Balboas statt „Adriaaaaaaan“ den Namen des Hotels.
Seitdem liege ich unbewegt auf meinem Bett. Seit einigen Stunden schon weile ich auf einem Sandkorn, welches sich in meine rote und angespannte Haut frisst. Leider bin ich zu schwach es zu entfernen. Es bleibt mir nichts anderes, als den Scherz zu ertragen und an einen wunderbaren Hornbachwerbespruch zu denken, bei dem ein Zementsack beladener Bauarbeiter mit entgleisten Gesichtszügen ausruft: „Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt!“

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Tag 2 unseres Aufenthalts in Neustrelitz

Ich bin urlaubsreif. Sobald ich aus Neustrelitz zurück komme, muss ich mich erholen. Mein Freund hatte mich unter dem Vorwand eines romantischen Osteraufenthalts nach Mecklenburg-Vorpommern gelockt. Nach und nach stellt sich heraus, dass es sich um ein Antispeckrobbenarschtrainingsprogramm handelt. Ich nehme an der Hund hat die ganze Aktion mehrere Jahre im Voraus geplant. Es begann nach dem Frühstück ganz harmlos. Wir wollten in der lauen Märzsonne einmal um den Zierker See radeln. In Wiesenthal, ich war noch recht frisch, schlug er vor noch einen kleinen Abstecher nach Prälank zu machen. Wir fuhren vorbei am Kleinen Prälanksee und passierten den Großen Prälanksee als sich erste Erschöpfungssymptome einstellten, immerhin waren wir bereits eine Stunde unterwegs. Mein Freund überlistete mich dann erneut, indem er mir einen Latte Macchiato im Café Prälank in Aussicht stellte. Als der nächste See vor uns am Horizont erschien, wurde mir klar, dass wir das Café schon lange passiert hatten. Da es nicht mehr weit nach Userin war, erhoffte ich mir dort eine kleine Rast. Munter durch Klein Quasow, an unsichtbaren Mühlen vorbei, weiter nach Weserberg. Meine Kräfte schwanden. Die ersten Zitronenfalter, die zu meinem Erstaunen ungewöhnlich schnell fliegen können, überholten mich. Als wir dann fast vier Stunden unterwegs waren, drohten meine Kräfte mich endgültig zu verlassen. Das nächste Café wurde durch meinen Freund abgelehnt, weil die Außenansicht nahe legte, dass man innen Cappuccino ausschließlich mit Sprühsahne reichte. In meinem Zustand wäre mir das trotz meiner sonst ausgeprägten Nöligkeit ebenfalls ein Dorn im Auge gewesen und gerne hätte ich mich stundenlang bei ihm beschwert, wenn ER vorgeschlagen hätte das Etablissement aufzusuchen. Dennoch lies ich mich ob meines sauerstoffunterversorgten Gehirns auf einen Handel ein. Ein Restaurant sollten wir noch weiter fahren, egal wie es aussähe, wir würden dort rasten. Man muss dazu sagen, dass trotz der wunderschönen Landschaft und den zahlreichen Seen die Mecklenburg-Vorpommer noch nicht drauf gekommen sind, dass Städter wie wir sich lächelnd das Geld aus den Taschen ziehen lassen würden, wenn es denn Cafés gäbe – vielleicht sogar mit Seeblick. In ein solches Café zu investieren scheint dem Mecklenburg-Vorpommer jedoch eine fixe Idee. Wahrscheinlich mutet ihnen das Seegaststättenkonzept ähnlich absurd an, wie unsereins die Idee, doch mal ein gemütliches Picknick auf der Berliner Autostadtbahn zu machen, empfände.
Ziele zu erreichen ist nur eine Frage der Motivation und so schaffte es mein gewiefter Freund natürlich auf einer der zahlreich angebrachten Radwanderkarten ein Restaurant auszumachen, welch allen mecklenburgvorpommerischen Traditionen zum Trotz direkt an einem See gelegen war. Die ‚blaue Radwanderlinie’ führte laut Plan schnurgerade dort hin. Ich überzeugte mich auf der Zeichnung persönlich, dass mein Mittagessen nur noch wenige Kilometer entfernt war. Auf der Karte war eine ungebogene Eisenbahnlinie zu sehen. Rechts davon befand sich der Radfahrweg. Wir machten uns also auf den Weg. Leicht skeptisch stimmte mich der Umstand, dass sich links neben den Schienen eine weitere Straße befand, auf der ich zahlreiche Radler beobachten konnte.
Nach ca. 400 Metern bog unser Radweg scharf nach rechts ab. Wir fuhren durch den Wald (noch dachte ich, es handle sich um eine Abkürzung und lachte mir innerlich ins Fäustchen), über Felder (und stellte mir vor, wie wir hase- und igelgleich vor den anderen Radfahrern im Café Seeblick ankamen), Berg rauf, Berg runter (und schon kaffeeschlürfend auf unseren Plätzen in der Sonne saßen wenn die anderen Deppenfahrradfahrer endlich schwitzend und keuchend eintrudelten), am Seeufer entlang, bis schließlich die letzten Zeichen der Zivilisation verschwanden. Selbst auf dem höchsten Punkt unseres Weges ließen sich in keiner der Himmelsrichtungen Menschenlebenszeichen ausmachen. Die Sonne war heiß geworden. Meine Kehle war trocken. Das Vogelgezwitscher wich in meinen Ohren dem Rauschen meines Blutes. Ich hoffte inständig, dass das Ziel nun näher als der Start wäre, denn an den Start zurück hätten meine Beine mich nie und nimmer mehr getragen. Im Trance radelte ich weiter und weiter und als wir fast am Ende des Sees angelangt waren, tauchten am Horizont endlich auch wieder Häusersilhouetten auf. Leider endete der Weg an dieser hoffnungserweckenden Stelle bzw. er machte eine 180 Grad Biege nach links zurück ins Feld. Wir fuhren also den ganzen beschissenen Weg zurück. Nun, was noch schlimmer war, nicht den eigentlichen Weg sondern eben eine zum Weg parallel verlaufende Serpentine. Als wir dann fast am Ausgangsort waren bog der Weg sich erneut in die andere Richtung. Ich trampelte ab da apathisch in meine Pedale und schwor mir, den verlogenen Kartenmaler persönlich zu erwürgen. Während ich in meine Mordgedanken vertieft war, fiel mir gar nicht auf, dass der Schotterweg sich in eine asphaltierte Straße gewandelt hatte und wir geradewegs auf die Gaststätte Havelberge zusteuerten. Als wir da waren, kannte meine Begeisterung kaum Grenzen. Mein Freund konnte mich nur schwer davon abhalten jeden einzelnen Kellner zu umarmen. Ich rannte aufs Klo und trank erst mal zwei Liter des erfrischenden Nass, welches hier tatsächlich frei erhältlich und trinkbar aus den Rohren floss. Ich weiß nicht, was ihm daran so peinlich war. Ich glaube nicht, dass das ganze Restaurant sich nach mir umdrehte nur weil ich „Wasser! Wasser!“ aus den Toilettenräumen schrie.
Der Blick in den Spiegel lies mir im Übrigen die Einsicht wie Schuppen von den Augen fallen, warum echte Radfahrprofis ausschließlich mit Kappen Fahrrad fuhren. Meine Frisur war ganz und gar ruiniert und mein Pony stand nach oben wie eine skurrile Felsformation der Sächsischen Schweiz.
Nachdem ich mich erfrischt und in Ordnung gebracht hatte, besann ich mich wieder meines Grostädtertums und testete die Geduld der freundlichen Eingeborenen. Ich bestellte standesgemäß ein Putensteak, verlangte jedoch Pommes Frites statt Kartoffelecken, bat darum die Salatsoße wegzulassen und mir anstatt dessen Essig und Öl zu bringen. Ich bemängelte mit vorgeschobener Unterlippe, dass es keinen Mangosaft gab und bestellte beleidigt nach einer fünfminütigen Denkpause in Anwesenheit der Kellnerin ein Wasser. Nachdem ich mir sicher war für verrückt gehalten zu werden, orderte ich zum Nachtisch eine Kugel Schokoladeneis mit Erdbeersoße, versicherte mich vorher aber, dass es sich um künstliche Erdbeersoße mit maximal naturidentischen Aromastoffen in keinem Fall aber aus tatsächlichen Erdbeeren hergestellte Soße handelte.
Als wir nach unserem Essen wieder die Fahrräder bestiegen, fühlte es sich zehn Millisekunden so an, als wäre ich in meine natürliche Position zurück gekehrt. Während ich lautstark verkündete, wie widersinnig es sei, den ganzen Tag verbuckelt vor dem Computer zu sitzen, wünschte ich mir nichts sehnlicher als das, denn die ersten Muskelschmerzen setzten ein.
Das Straßenschild zeigte noch 15 Kilometer zu unserem Hotelort und ich wünschte mein Handy nie verbannt zu haben, denn dann hätte ich ein Taxi rufen können, um mich abholen zu lassen. So blieb mir diese Option verwährt und ich strampelte unter großen Schmerzen Richtung Hotel.
Wir hielten nur kurz im Industriegebiet, um das dortige Kino aufzusuchen und herauszufinden, ob sich ein abendlicher Besuch lohnen könnte. Mein Freund stellte dabei fest, dass er es rührend fände, wie die Menschen, die in Neustrelitz wohnen, versuchten sich durch Nachahmung der städtischen Kultur ein menschenwürdiges Leben zu schaffen.
Ich dagegen versuchte die Wahngedanken loszuwerden, die mich aufsuchten, als wir ein Straßenschild passierten, welches einen FKK-Campingplatz in ein Kilometer Entfernung anzeigte.
Ich hatte mal einen Fernsehbericht über eine solche Einrichtung gesehen. FKK-Campingplätze werden ausschließlich von körperbehaarten Hautlappenmonstern besucht, die nicht nur splitternackt und sackkratzend an Supermarktkassen anstanden sondern auch Kimmenschwitzenflecken auf den Stühlen der FKK-Restaurants hinterließen.
Während ich so über die Ästhetik von FKK-Einrichtungen sinnierte, kämpfte sich die Pein, die mein Gesäß mir verursachte langsam in mein Bewusstsein. Den Rest des Rückwegs beschäftigte mich die Frage, ob nun meine Beine oder eben mein Hintern mir mehr weh taten.
Die letzten Meter zum Hotel legte ich in Zeitlupe leidend wie Rocky zurück und brüllte dabei nach Art des Herrn Balboas statt „Adriaaaaaaan“ den Namen des Hotels.
Seitdem liege ich unbewegt auf meinem Bett. Seit einigen Stunden schon weile ich auf einem Sandkorn, welches sich in meine rote und angespannte Haut frisst. Leider bin ich zu schwach es zu entfernen. Es bleibt mir nichts anderes, als den Scherz zu ertragen und an einen wunderbaren Hornbachwerbespruch zu denken, bei dem ein Zementsack beladener Bauarbeiter mit entgleisten Gesichtszügen ausruft: „Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt!“

111208344090012463

Wer hat Angst vorm Frühstücksdrachen?

Am zweiten Morgen ist uns der entscheidende Durchbruch gelungen. Wir haben eine Tasse Kaffee erhalten, obwohl der Frühstücksdrachen (kurz FD) schon ausdruckslos die letzten vier Liter aus dem großen Kaffeespender des Frühstücksbuffets in den Ausguss geschüttet hatte.
Um den Wagemut dieser beherzten Aktion ermessen zu können, muss ich zu Tag eins zurück kehren.
Frühstück von acht bis zehn. Der Herr an der Rezeption heißt uns uns ab neun Uhr bereit zu halten. Gesagt getan. Um 09.03 Uhr betreten wir die Gaststätte. Außer uns gibt es nur einen weiteren Gast. Sie ist fast fertig mit dem Essen und schaut uns an, als ob wir wahnsinnig wären um diese Uhrzeit hier noch zu erscheinen. Wenige Minuten später, als der Frühstücksdrachen erscheint, wissen wir warum. Der FD, eine Frau unbestimmten Alters, deren Körpergewicht sich zu 70% auf die unteren Extremitäten konzentriert, erscheint in der Küchentür. Ihre gelb blitzenden Augen erspähen uns in Bruchteilen von Sekunden. Mit dem bratwurstdicken Zeigefinger deutet sie auf den gedeckten Platz. Wir setzen uns. Sie kommt näher. Jeden Schritt kann man auf der Oberfläche des mit Orangensaft gefüllten Glases verfolgen, die sich im Rhythmus der sich nähernden Schritte kräuselt.
Jetzt steht sie vor uns. Wir schauen sie an. Sie schaut uns an. Endlos lange Sekunden vergehen. Ich starre ihr entsetzt auf die Barthaare. Ihre Nasenflügel beben. Dann nehme ich mir ein Herz und frage mit meiner kindlichsten Stimme: Werte Herrscherin über das Frühstücksland, erlesene Dekoratörin der Frühstücksplatten, flinke Wurstplattenauffüllerin und Käsescheibchenabschneiderin, wäre es wohl möglich so etwas wie einen Milchkaffee zu erhalten, auf dass uns die köstlichen Brötchen noch leichter die Kehle herabgleiten?
Der FD bläst verächtlich Luft aus den Nüstern und grunzt knapp: Kaffee
Ich nicke und halte ihr zittrig meine Tasse hin.
Sie winkt ab und sagt in einem Ton, der keinen Widerspruch erlaubt: „Ich mache gleich einen Pott!“ und gibt mir damit unmissverständlich zu verstehen, dass sie mich töten wird, wenn ich versuchen sollte, mehr zu verlangen.
Danach verschwindet sie. Sie lässt uns mit einem üppigen Frühstück und einer Oldies-CD alleine (Evergreens wie: Papa Kalt, Klingel meine Glocke, Der einfache Simon sagt: Klatsch Deine Hände in die Luft).
Um 09.56 Uhr materealisiert sie an der Theke, stellt die Musik aus und starrt uns hasserfüllt über eine Zeitung hinweg an.
Als ich es wage, ein weiteres Brötchen aufzuschneiden, treten ihr kleine Dampfdruckwölkchen aus den Ohren. Um 10 Uhr 00 Minuten 00 Sekunden kommt sie an unseren Tisch, nimmt jeden einzelnen Gegenstand in die Hand und fragt: „Essen sie das noch?“
Als ich versuche zu scherzen: „Nein, den Teller esse ich heute mal nicht“, ernte ich einen Blick, der mein Blut gefrieren lässt. Wir verlassen rückwärts kriechend das Restaurant.
In der Nacht liege ich wach und schwöre mir, mich am nächsten Morgen nicht erneut einschüchtern zu lassen.
Alle Vorsätze verpuffen als ich höre, dass sie Xavier Naidoo aufgelegt hat. Sie steht stoisch in der Küchentür und hebt ihre grünlich verfärbte Oberlippe nur so wenig, dass ich ihre scharfen gelben Zähne sehen kann. Heute will sie sich uns nicht so lange Gefallen lassen und schüttet schon um halb zehn die letzten Liter Kaffee weg.
Wie viele, die mich persönlich kennen, wissen, hört bei Koffeinmangel am Morgen der Spaß bei mir auf.
Ein kurzes Diskussionsduell gewinne ich und sie fletscht ein letztes Mal die Zähne und verlangt meine Tasse, die sie gallespuckend auffüllt.
Ich schätze der Kaffe morgen, wird vergiftet sein.

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Wer hat Angst vorm Frühstücksdrachen?

Am zweiten Morgen ist uns der entscheidende Durchbruch gelungen. Wir haben eine Tasse Kaffee erhalten, obwohl der Frühstücksdrachen (kurz FD) schon ausdruckslos die letzten vier Liter aus dem großen Kaffeespender des Frühstücksbuffets in den Ausguss geschüttet hatte.
Um den Wagemut dieser beherzten Aktion ermessen zu können, muss ich zu Tag eins zurück kehren.
Frühstück von acht bis zehn. Der Herr an der Rezeption heißt uns uns ab neun Uhr bereit zu halten. Gesagt getan. Um 09.03 Uhr betreten wir die Gaststätte. Außer uns gibt es nur einen weiteren Gast. Sie ist fast fertig mit dem Essen und schaut uns an, als ob wir wahnsinnig wären um diese Uhrzeit hier noch zu erscheinen. Wenige Minuten später, als der Frühstücksdrachen erscheint, wissen wir warum. Der FD, eine Frau unbestimmten Alters, deren Körpergewicht sich zu 70% auf die unteren Extremitäten konzentriert, erscheint in der Küchentür. Ihre gelb blitzenden Augen erspähen uns in Bruchteilen von Sekunden. Mit dem bratwurstdicken Zeigefinger deutet sie auf den gedeckten Platz. Wir setzen uns. Sie kommt näher. Jeden Schritt kann man auf der Oberfläche des mit Orangensaft gefüllten Glases verfolgen, die sich im Rhythmus der sich nähernden Schritte kräuselt.
Jetzt steht sie vor uns. Wir schauen sie an. Sie schaut uns an. Endlos lange Sekunden vergehen. Ich starre ihr entsetzt auf die Barthaare. Ihre Nasenflügel beben. Dann nehme ich mir ein Herz und frage mit meiner kindlichsten Stimme: Werte Herrscherin über das Frühstücksland, erlesene Dekoratörin der Frühstücksplatten, flinke Wurstplattenauffüllerin und Käsescheibchenabschneiderin, wäre es wohl möglich so etwas wie einen Milchkaffee zu erhalten, auf dass uns die köstlichen Brötchen noch leichter die Kehle herabgleiten?
Der FD bläst verächtlich Luft aus den Nüstern und grunzt knapp: Kaffee
Ich nicke und halte ihr zittrig meine Tasse hin.
Sie winkt ab und sagt in einem Ton, der keinen Widerspruch erlaubt: „Ich mache gleich einen Pott!“ und gibt mir damit unmissverständlich zu verstehen, dass sie mich töten wird, wenn ich versuchen sollte, mehr zu verlangen.
Danach verschwindet sie. Sie lässt uns mit einem üppigen Frühstück und einer Oldies-CD alleine (Evergreens wie: Papa Kalt, Klingel meine Glocke, Der einfache Simon sagt: Klatsch Deine Hände in die Luft).
Um 09.56 Uhr materealisiert sie an der Theke, stellt die Musik aus und starrt uns hasserfüllt über eine Zeitung hinweg an.
Als ich es wage, ein weiteres Brötchen aufzuschneiden, treten ihr kleine Dampfdruckwölkchen aus den Ohren. Um 10 Uhr 00 Minuten 00 Sekunden kommt sie an unseren Tisch, nimmt jeden einzelnen Gegenstand in die Hand und fragt: „Essen sie das noch?“
Als ich versuche zu scherzen: „Nein, den Teller esse ich heute mal nicht“, ernte ich einen Blick, der mein Blut gefrieren lässt. Wir verlassen rückwärts kriechend das Restaurant.
In der Nacht liege ich wach und schwöre mir, mich am nächsten Morgen nicht erneut einschüchtern zu lassen.
Alle Vorsätze verpuffen als ich höre, dass sie Xavier Naidoo aufgelegt hat. Sie steht stoisch in der Küchentür und hebt ihre grünlich verfärbte Oberlippe nur so wenig, dass ich ihre scharfen gelben Zähne sehen kann. Heute will sie sich uns nicht so lange Gefallen lassen und schüttet schon um halb zehn die letzten Liter Kaffee weg.
Wie viele, die mich persönlich kennen, wissen, hört bei Koffeinmangel am Morgen der Spaß bei mir auf.
Ein kurzes Diskussionsduell gewinne ich und sie fletscht ein letztes Mal die Zähne und verlangt meine Tasse, die sie gallespuckend auffüllt.
Ich schätze der Kaffe morgen, wird vergiftet sein.

111208377559427233

Tag Drei

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es überhaupt noch schaffe an dem vom FD vergifteten Kaffee zu sterben. Mein Muskelkater wird mich zweifelsohne schon vorher dahinraffen. Meine Beine fühlen sich an, als habe jemand meine Muskeln entfernt und sie gegen schmerzleitende Holzscheite getauscht. Der Kilometerzähler am Fahrrad meines Freundes zeigte für die letzte Radtour FÜNFUNDVIERZIG Kilometer. Ich war mir bis Gründonnerstag nicht mal sicher, ob ich es überhaupt schaffen könnte einen ganzen Kilometer ohne Pause zurück zu legen.
Mich an einem Tag (!) 45 Kilometer (!) auf einem Fahrrad (!) in der freien Natur (!) und sieben Stunden (!) an der frischen Luft zu bewegen, kann nicht gesund sein.
Nach einer mehrstündigen Debatte leuchtete dies auch meinem Freund ein und wir entschlossen uns lediglich zu frühstücken, einkaufen zu gehen, zu schlafen, Mittag zu essen und dann einen kleinen Spaziergang zu machen.
Um es kurz zu machen: Der Spaziergang erstreckte sich über drei Stunden und dies ist einmal mehr den unsäglichen Wanderkarten zu schulden. Auch diesmal gelang es uns nicht, die gelbe Wanderlinie zu finden und ihr konsequent zu folgen. So irrten wir durch den Sumpf, suchten erfrorene Molche und bewunderten Eichhörnchen. Eichhörnchen sind im Übrigen die lebendiggewordene Süßhaftigkeit. Ein entzücktes „süüüüß“ entfährt mir nur sehr selten. Beim Anblick eines Eichhörnchen will ich meiner alltäglichen Blindheit gegenüber den Wundern des Alttags entgegen permanent in die Hände klatschen und Synonyme für „Oooch ist das niedich!“ quietschen.
Der Abwechslungsgrad der Abendgestaltung auf dem Lande sinkt mit der Verweildauer dramatisch. Wir haben alle Kinofilme gesehen. Wir haben unsere mitgebrachten Bücher zuende gelesen. Wir haben gegessen, sind mehrere Male durch die Stadt gelaufen, haben uns mit Einheimischen unterhalten, kennen sogar über 50% beim Vornamen und haben alle örtlichen Denkmäler besichtigt und fotografiert.
In einem letzten verzweifelten Versuch einer Abendgestaltung imitiert mein Freund nun seit zwei Stunden in der Hoffnung mir eine Freunde zu machen ein balzendes Eichhörnchen.
Er klickert mit der Zunge und lässt seinen imaginären Puschelschwanz wedeln. Ich frage mich, wie lange er das noch durchhält. Ich habe das Licht bereits ausgeknipst und schreibe diese letzten Zeilen im Dunkeln …

Der Ausflugtag nach Waren mit der Knoblauchsoße des Teufels und die zweite Radtour samt der überaus amüsante Rückfahrt folgt demnächst.

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Tag Drei

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es überhaupt noch schaffe an dem vom FD vergifteten Kaffee zu sterben. Mein Muskelkater wird mich zweifelsohne schon vorher dahinraffen. Meine Beine fühlen sich an, als habe jemand meine Muskeln entfernt und sie gegen schmerzleitende Holzscheite getauscht. Der Kilometerzähler am Fahrrad meines Freundes zeigte für die letzte Radtour FÜNFUNDVIERZIG Kilometer. Ich war mir bis Gründonnerstag nicht mal sicher, ob ich es überhaupt schaffen könnte einen ganzen Kilometer ohne Pause zurück zu legen.
Mich an einem Tag (!) 45 Kilometer (!) auf einem Fahrrad (!) in der freien Natur (!) und sieben Stunden (!) an der frischen Luft zu bewegen, kann nicht gesund sein.
Nach einer mehrstündigen Debatte leuchtete dies auch meinem Freund ein und wir entschlossen uns lediglich zu frühstücken, einkaufen zu gehen, zu schlafen, Mittag zu essen und dann einen kleinen Spaziergang zu machen.
Um es kurz zu machen: Der Spaziergang erstreckte sich über drei Stunden und dies ist einmal mehr den unsäglichen Wanderkarten zu schulden. Auch diesmal gelang es uns nicht, die gelbe Wanderlinie zu finden und ihr konsequent zu folgen. So irrten wir durch den Sumpf, suchten erfrorene Molche und bewunderten Eichhörnchen. Eichhörnchen sind im Übrigen die lebendiggewordene Süßhaftigkeit. Ein entzücktes „süüüüß“ entfährt mir nur sehr selten. Beim Anblick eines Eichhörnchen will ich meiner alltäglichen Blindheit gegenüber den Wundern des Alttags entgegen permanent in die Hände klatschen und Synonyme für „Oooch ist das niedich!“ quietschen.
Der Abwechslungsgrad der Abendgestaltung auf dem Lande sinkt mit der Verweildauer dramatisch. Wir haben alle Kinofilme gesehen. Wir haben unsere mitgebrachten Bücher zuende gelesen. Wir haben gegessen, sind mehrere Male durch die Stadt gelaufen, haben uns mit Einheimischen unterhalten, kennen sogar über 50% beim Vornamen und haben alle örtlichen Denkmäler besichtigt und fotografiert.
In einem letzten verzweifelten Versuch einer Abendgestaltung imitiert mein Freund nun seit zwei Stunden in der Hoffnung mir eine Freunde zu machen ein balzendes Eichhörnchen.
Er klickert mit der Zunge und lässt seinen imaginären Puschelschwanz wedeln. Ich frage mich, wie lange er das noch durchhält. Ich habe das Licht bereits ausgeknipst und schreibe diese letzten Zeilen im Dunkeln …

Der Ausflugtag nach Waren mit der Knoblauchsoße des Teufels und die zweite Radtour samt der überaus amüsante Rückfahrt folgt demnächst.