Neben spülen ist, wie schon mehrere Male erwähnt, Müll runterbringen eines meiner größten Entwicklungspotenziale. Besonders gerne sammle ich Zeitung. Wenigstens stinkt die nicht. Von meinem letzten Aufenthalt in Krakau hatte ich noch eine polnische Zeitung übrig. Sie gefiel mir und ich wollte sie nicht entsorgen, weil ich wußte, eines Tages könnte ich sie brauchen.
Jetzt konnte ich meinem Lieblingskollegen eine Freude machen. Er war zwei Wochen im Urlaub und nach langem Grübeln fiel mir ein was sein Herz höher schlagen lassen könnte:
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Es ist 20 Uhr, seit mehr als einer Woche freute ich mich schon darauf ins Kino zu gehen. Fazit: der Film sollte in „The Boring Supremacy“ umbenannt werden. Sogar der gute Matt … in einem Wort: UNSEXY. Zum Glück war ich von der Arbeit noch so erschöpft, daß ich an den langweiligsten Stellen ein kleines Nickerchen halten konnte. Wann immer deutsche Polizisten im Film auftauchen schreien sie: Polizei, Polizei! Im Hintergrund, im Vordergrund, alle zusammen, hintereinander und einzeln. Am Telefon sagt Matt tapfer auf deutsch: Kann ich bitte (Namen der CIA Tante einsetzen) sprechen? Die Dame am Telefon sagt: Nein, tut mir leid mein Herr.
Den Inhalt kann man wie folgt zusammen fassen: Jason, der in dem Film die Maße eines kleinen Wohnzimmereinbauschrankes einnimmt, rennt dämlich durch Goa, Berlin, Neapel und Moskau und findet raus, dass er ein böser, böser Killer ist.
Ich bin wirklich kein pedantischer Regiefehlerzähler, ganz ehrlich nicht. Aber dieser Film ist wirklich die Krönung. Da ich während des Flims mehrere Male einschlief, dachte ich mir, für ein weiteres Selbstexperiment sei es erforderlich Notizen zu machen. Also gehe ich nach dem Abspann aus dem Kino raus, hole mir eine neue Tüte Popkorn und setze mich gleich wieder in die 23 Uhr Vorstellung.
Ich bringe zu Papier: Jason ist am Kudamm und rennt in zwei Minuten zum Bahnhof Zoo, beamt sich an den Lehrter Stadtbahnhof und springt dann vom Gleis der Friedrichstraße auf ein Schiff. Die CIA-Tante braucht nach Aussage ihres Mitarbeiters mit dem Auto vom Alexanderplatz zum Zoo drei Minuten. Das ICC befindet sich am Flughafen Tegel. […]
Schön auch, dass drei Viertel der Szenen in Moskau ebenfalls Berlin zeigen. Vom Moskauer Bahnhof einmal links abgebogen und man ist in der Karl-Marx-Allee in Berlin. Vom Potsdamer Plattenbauviertel entkommt man im Fall einer Verfolgung über die Fischerinsel.
Es war grauenhaft. Bei Notiz 86 falle ich erneut in den Tiefschlaf.
Das aller, aller, allerschlimmste: Sie erfinden einen Zug, der direkt von Berlin nach Moskau fährt. Ohne in den Fahrplan zu schauen, weiß ich aber: Den Zug gibt es nicht. Man muß in jedem Fall in Warschau umsteigen.
Kurz nach eins verlasse ich das Kino und stelle fest, daß ich jetzt zu ausgeschlafen bin, um nach Hause zu gehen. Also fahre ich zum Alexanderplatz, laufe zu den leerstehenden Gebäuden, die anscheinend vor allem von Geheimdiensten benutzt werden und setze mich aufs Dach gegenüber des Tagesspiegelgebäudes an die Stelle, an der Jason saß, starre in den Himmel und streiche Matt feierlich von der Liste meiner erotischen Phantasien.
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Da ich langsam befürchte, daß mir die Geschichten ausgehen, habe ich eine mehrthemige Experimantalreihe gestartet. Ich begebe mich jetzt wieder öfter auf gefährliches Neuland, um an „Stoff“ zu kommen. (Gerne nehme ich weitere Anregungen auf.)
Jedenfalls hatte ich heute ganze sieben Stunden Tiefschlaf hinter mir und in Anbetracht der kürzlichen „Natürlichkeitsdiskussion“ wagte ich folgendes: Völlig ungeschminkt das Haus verlassen und einen ganzen Tag in diesem Zustand verharren. Ganz kurz erwägte ich den Gedanken sogar ohne Accessoires in die Arbeit zu gehen. Aber das war mir zu extrem. Man muß es nicht übertreiben.
Ich erinnere mich nur zu gut an einen Morgen, an dem ich wieder besonders spät erwachte und gerade über den Potsdamer Platz lief, als mir schwindelig wurde. Einem Ohnmachtsanfall nahe, stellte ich fest, daß ich vergessen hatte mich zu schminken. Das war ungefähr das gleiche Schockerlebnis wie wenn man träumt, man ginge zu einem wichtigen Geschäftstermin und habe vergessen Hose samt Unterwäsche anzuziehen.
Erste Auswertungen des Experiments:
Vorteile
+ Ich habe es geschafft zu frühstücken, da ich viel zu früh fertig war.
+ Langfristig würde ich vermutlich Unmengen Geld sparen. Die morgendliche Produktpalette reduzierte sich auf Seife (statt Reinigungsmilch, Antiaugenfaltencreme, Gesichtscreme, Abdeckstift, Make-up, Lipliner, Lippenstift, Rouge, Lidschatten, Wimperntusche, Puder)
+ Wenn das Auge juckt, kann ich dran rumreiben wie eine Irre, ohne danach wie Marilyn Manson auszusehen.
+ Es ist heller, weil die Wimpern nicht so viel Schatten machen.
Versuchsperson 1, der studentische Zeitungsverkäufer, der mich jeden Morgen angrinst.
Ich gehe zielstrebig auf ihn zu: Hallo, könnte ich bitte eine kostenlose Zeitung haben (und schaue ihn dabei prüfend an)
Er reicht sie mir verwundert. Wir stehen dumm rum (ich versuche irgendwas aus seinem Gesichtsabdruck abzuleiten).
– Wie heißt Du?
– Eric.
– Aha.
Ich notiere in mein Büchlein, Versuchsperson 1 zeigt keinerlei Reaktionen, drehe mich um und gehe.
Versuchsperson 2, ein ehemaliger Kollege
– Guten Morgen! Ist irgendwas anders an mir?
– Hast Du nen neuen Mantel?
– Nein, ist irgendwas anders als sonst an mir?
– Die Ohrringe?
– *seufts* Nein! Fällt Dir nichts auf?
– Nein.
Schneller Vermerk: Versuchsperson 2 ist blind. Nummer von Augenarzt raussuchen und zumailen.
Versuchsperson 3, meine Freundin
Noch ehe ich irgendwas sagen kann …
– Sag mal hast Du heute morgen gevögelt?
– Hä?
– Du bist ungeschminkt!
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Frau Zucker lieh mir ein Buch, welches sich äußerst positiv auf meine Wahrnehmungswelt auswirkt. Mir fallen plötzlich wieder Dinge auf, die im Laufe meiner neuerlichen Sozialisiationsbemühungen schon gänzlich aus meinem Wahrnehmungsfeld entschwunden waren. In jedem zweiten Kapitel des Buches findet sich eine Haßliste, die ich ungesehen unterschreiben würde. Just heute morgen in der U-Bahn konnte ich diese Liste um einen weiteren Punkt ergänzen: der Anfasser (Neutrum).
Das ist so: zehn Stationen lang stehe ich eingequetscht in der Ecke und versuche meine morgendliche Lektüre zu konsumieren. Von allen Seiten fallen unendlich große Zeitungsblätter auf mich darnieder. Ich stehe unter einem Zelt von umgeknickten Zeitungsecken. Jede Station lüftet sich das Zelt und alle Seiten werden raschelnd neu angeordnet. Ich kann den bösartigen Zeitungslesern nicht mal meinen sizilianischen Todesblick zukommen lassen. Sie sehen mich ja nicht.
Dann Potsdamer Platz heißt es aussteigen. Das läuft natürlich jedes Mal gleich ab. Die Leute müssen ganz dringend in die U-Bahn einströmen, sobald die Tür sich öffnet. Wir von drinnen wollen raus und so quetschen sich zwei Menschenwürste ächzend aneinander vorbei. Mich macht das jedes Mal wütend. Wieso können die nicht fünf Sekunden warten? Ich bereite mich also schon eine Station vorher vor, kremple meine Mantelarme hoch, stopfe die meist zu lange Anzughose in meine Socken und streiche meine Haare hinter die Ohren. Dann, wenn die Türen sich öffnen, renne ich wie ein Rugbyspieler durch die Reihen und zähle Schulternstöße.
Das alles würde völlig ausreichen, um meine Laune wieder ins Sonnenformat zu bringen.
Meistens aber – erwischt mich noch ein Anfasser. Da gibt es zwei Kategorien. Die erste rempelt mich an und entschuldigt sich schulternstreichelnd bei mir. Die finde ich schon unerträglich. Die zweite läßt mir Mal um Mal einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Das sind jene, denen ich einen Bodycheck verpasse und die dann im vorbei gehen nach meinen Extremitäten fassen und dabei schuldbewußt um Verzeihung bitten. Dabei streicheln diese wildfremden Subjekte meine Schulter oder tätscheln meinen Oberarm. Ich kann das nicht leiden! Sie sollen weg, weg, weg. Ich will nach ihnen wie nach Fliegen klatschen. Ich baue mir kleine Mausefallen und Elektroschockvorrichtungen an die Schultern und Oberarme und dann sollen sie mich tätscheln und dabei schreien: Entschuldigung, Entschuldigung!
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Die geschätzte Downloadzeit für mein neues ICQ beträgt: 17 Minuten. Eigentlich Zeit genug, um ca. sieben neue Posts zu schreiben.
Nachdem mein Mitbewohner ausgezogen ist hat sich meine Lebensqualität drastisch verringert. Kein Frühstück, kein Abendessen, keine Getränke. Nichts. Leere. Tag für Tag. Ich habe bereits drei Kilo abgenommen. Da mich das dauernde Magengrummeln nun doch nervte, faßte ich einen Entschluß: Ich gehe nach der Arbeit einkaufen.
Ich erwarb das lebenswichtigste. Eine Palette Fruchtzwergedrinks Geschmacksrichtung Vanille, eine Palette Geflügelwürstchen, sieben Eimer Senf, zehn Packungen Aufbackbrötchen, drei Kilo Cremissimo Tiramisu und zehn Sixpacks Bier.
Damit sollte ich eine Weile auskommen.
Ich stopfe alles in meinen Trakkingrucksack, versuche ihn anzuheben, … nichts passiert. Ich schaue verwirrt auf den Rucksack und habe die leise Vermutung jemand hat ihn am Boden angedübelt. Ich zerre wieder. Nichts. So geht das nicht!
Ok, nicht umsonst bin ich Psychologin. Ich atme tief ein und stelle mir vor, ich bin Hulk. Schwubs, der Rucksack ist auf meinem Rücken und noch als ich denke: Siehste, geht doch!, kippe ich baumartig nach hinten um.
Da liege ich, wie ein Käfer auf meinem Rücken und stelle fest: Ameisen können ein vielfaches ihres Körpergewichts tragen. Ich nicht. Schade irgendwie.
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Heute nach dem Mittagessen und einem halben Liter Milchkaffee, informierte ich einem Freund: Ich muss aufhören so viel Kaffee zu trinken, mein Bauch hängt schon wie eine Schürze über die Hose. Ich glaube, er platzt gleich.
Jener behauptete (sorry, eigentlich behub), der Bauch könne nicht platzen.
Nach intensivem googlen kann ich zusammenfassen: Der Bauch kann platzen, aber nicht durch Überfüllung.
Anregend fand ich nichtsdestotrotz die ganzen Hits zum Thema „Bauch platzen“.
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Für mich als Obstphobiker ein Grund nicht mehr in die Kantine zu gehen. Wieso tun die mir das an?
Bestimmt stinkt dann alles widerlich nach Obst – schlimmer noch SÜDFRÜCHTEN. Die Leute packen mit bloßen Händen das angepriesene Obst an, überall in der Luft schwirren Obstmoleküle, werden in andere Gebäude getragen, werden durch Händeschütteln weitergegeben …
Es ist grauenhaft. Warum??? Mir wird schon beim Gedanken daran ganz flau im Magen.
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Ohne Meilensteinpläne geht gar nichts. Das Verhältnis Uhrzeit des morgendlichen Erwachens zur Uhrzeit des morgendlichen Erscheinens im Büro verhält sich indirekt proportional. Denn das noch-ganz-viel-Zeit-haben verleitet zum ausschweifenden Trödeln. Ignoriere ich indes meinen Wecker und erhebe mich um 8.15 Uhr aus dem Bett, sind die wesentlichen Elemente der morgentlichen Mindesthygiene in fünfzehn Minuten abgearbeitet. Ich muss mir also eine Art perscheidschen Plan (wenn Deppen duschen) machen und ans Bett hängen.
1. Liegen bleiben bis der Wecker klingelt
2. Nicht an den Rechner gehen
3. Nicht an den Rechner gehen
4. Nicht an den Rechner gehen
5. Klamotten aus dem Kleiderschrank holen (besser noch am Vorabend, um die Phase OMG!-Ich-habe-nichts-zum-Anziehen nicht ünnötig Zeit vertilgen zu lassen)
6. Duschen
7. Anziehen
8. Handtasche mit den wesentlichen Utensilien packen (Konzernausweis; MP3-Player; Ersatzbatterien; Digicam; aktuelles Buch; Taschentücher; Ricola Zitronenmelissebonbons; Schminke, die nie benutzt wird, aber dringend erforderlich ist, falls sich mal ein Spontandate ergibt; aberglaubenabwendenden Glücksbringer; Geldbeutel mit allen Bonuskaffeetogosammelkarten; Hausschlüssel)
9. Zwangsneurotisch prüfen, ob Licht-, Gasherd und Espressomaschine aus
10. Siehe 9.
11. Haustür verlassen
12. Tür wieder aufschließen
13. Siehe 9 und 10
Heute bin ich dementgegen völlig unsystematisch vorgegangen. Ergebnis war, dass ich meinen Konzernausweis vergessen habe. Ohne den ist aber kein Einlass in den Hochsicherheitstrakt meines Büros. Also freundlich lächelnd zum Empfang:
– Einen wunderbaren guten Morgen, könnte ich einen Ersatzausweis haben, ich habe meinen heute vergessen.
– Leute wie sie arbeiten hier nich
– Ähm, doch … also ich bin seit zwei Monaten hier und ich komme hier jeden Morgen vorbei
– Nä
– Vielleicht wollen sie im internen Informationssystem mal meinen Namen nachsehen (ich lächle leicht gequält)
– Geht nich
– Weil?
– Weil Server runter
– Und nun?
– Müssense warten
– Auf was denn?
– Server
(Ich bemerke, unsere Konversation wird zunehmend einsilbiger)
– Nun, ich würde aber gerne arbeiten und da ich annehme, dass sie mir nicht sagen können, wie lange es dauert bis sie wieder Zugriff auf das System haben, müssen wir eine andere Lösung finden
– *grmpf*
Endergebnis: Cheffe musste runterkommen und mich wie Kindergartenkind abholen.