Netzkultur, der Januartermin

Bevor ich was zu den einzelnen Programmpunkten erzähle, was mir gestern positiv aufgefallen ist: Es gab in allen Räumen WLAN.

Gefühlt überwogen die Frauen im Publikum (leicht) und auch der Blick auf das Podium ergab ein ausgewogenes Bild an Frauen und Männern.

Lag vielleicht an meiner Auswahl, die so aussah:

Ich habe mir keine Notizen gemacht und es wäre auch ein bisschen unsinnig, die einzelnen Beiträge hier schriftlich zusammenzufassen, deswegen nur ein Querritt.

Ich war sehr beeindruckt von der Leichtigkeit und Kompetenz, mit der Paula Hannemann ihren Kurzvortrag gehalten hat. Dabei hat sie etwas geäußert, was man selbst auf Netzkonferenzen selten hört. Sinngemäß sagte sie, das Internet, das sind schließlich Menschen und kein Code. Deswegen strich sie kurzerhand das E vor E-Kampagnen im Vortragstitel.

Dementsprechend stellte sie change.org lediglich als Tool vor, das Menschen erleichtert Dinge zu bewegen. Und was tatsächlich mit einzelnen Petitionen bewegt werden kann, hat mich sehr beeindruckt. Veränderung braucht Menschen, Mut (deren Sichtbarkeit) und Macht und diese drei Faktoren können durch die richtigen Werkzeuge verstärkt werden.

Sehr gerne hätte ich noch mehr von ihr gehört – vielleicht reicht sie ja auch einen Vorschlag bei der re:publica ein? Toll wäre das.

John Ngo sprach Englisch und ich möchte nicht ausschließen, dass ich das ein oder andere vielleicht nicht richtig verstanden habe, aber er blies in das alte Rohr: Das Internet ist nicht die Real World. Beziehungen in rl sind wertiger als die im Internet.

Er betonte außerdem, dass das Internet lediglich die Quantität von Kontakten, nicht aber die Qualität von sozialen Interaktionen erhöhe.
Er zeigte eine Grafik, die belegte, dass sich die Anzahl der Interaktionen bei Verdoppelung und Verzehnfachung der Anzahl der Kontakte nicht ebenfalls verdoppelt oder verzehnfacht (sondern um jeweils ca. 5 steigt). Der limitierende Faktor sei hier Zeit. Klingt logisch und widerlegt in meinem Verständnis eigentlich die These, dass sehr viele Kontakte die Interaktionen lediglich banalisieren. Weil man am Ende eben doch nur eine gewisse Anzahl an Interaktionen bewältigen kann.

Vielleicht ist mein Verhalten aber auch atypisch. Für die durchschnittliche Anzahl an Facebookkontakten nannte er eine Zahl, die deutlich über 500 lag. Ich habe 124 Facebookkontakte. Aber selbst wenn ich Twitter als Basis nehme, da folge ich 670 Menschen, kann ich dem Gehörten nicht zustimmen.

Es wird immer so getan, als seien Facebook/Twitterkontakte irgendwelche x-beliebigen Kontakte. Das stimmt so natürlich nicht.

1/3 meiner Kontakte sind enge Freunde (im Sinne von: das waren sie schon bevor wir uns auf Facebook verknüpften), 1/3 Menschen, die ich ebenfalls als meine Freunde bezeichnen würde (sie begleiten mich vielleicht nicht seit Schulzeiten, aber ich kenne sie, wir sind uns im „echten Leben“ tatsächlich regelmäßig begegnet oder wir kannten uns mal gut, aber die Personen sind ins Ausland gezogen etc). Nur 1/3 sind Internetfreundschaften. Also Leute, die ich irgendwie im Internet kennengelernt habe und mit denen ich mehr oder minder regelmäßig interagiere (und sei es, weil ich lese, was sie bloggen).

Ich hörte auch ein paar Mal, es sei persönlicher sich in rl zu sehen oder zu telefonieren – nicht immer nur dieser oberflächliche, textbasierte Austausch.
Dieser Ansatz vernachlässigt den Umstand, dass das nicht bei allen Menschen gleich empfunden wird. Ich z.B. mag telefonieren überhaupt nicht und zum Treffen gibt es oft noch andere Hürden (limitierte Zeit/unterschiedliche Orte/freie Termine finden/Kinder, die man nicht alleine lassen kann…) Chatten finde ich deswegen ziemlich gut.

Vergessen wird außerdem die Kategorie der nie persönlich getroffenen Kontakte über Twitter & Co. Menschen, mit denen mich aber Themen verbinden und die mir tatsächlich emotionale Stütze und Gemeinschaft sind. Die mir auch schon schon konkret geholfen haben und mich beinahe täglich reich beschenken.
Es ist ein Unding sie als Kontakte abzutun, denen es an „depth“ fehlt. Im Gegenteil. Die viel beschriebenen anonymen Rahmenbedinungen des Internets ermöglichen manchmal sogar eine Nähe, die man im „wahren Leben“ aus verschiedenen Restriktionen vielleicht gar nicht hat oder zumindest nicht so schnell hat. Aber es ist ein eigenes Thema über die  Anonymität im Internet zu schreiben und wie sie im positiven Sinne Distanzlosigleit schaffen kann…
Mein Fazit jedenfalls: I strongly disagree mit den Thesen des 2. Vortrags und es nervt mich, das immer wieder zu hören.

Nachtrag: Ich bin übrigens wie ein kleines Kind. Ich freue mich, was das Internet möglich macht. Zum Beispiel über Skype zu hören wie eine Graffitt Künstlerin in Afghanistan arbeitet. Das finde ich ziemlich großartig.

Für die Hauptbühne (mein Punkt 4 und 5) gab es einen Livestream, den man bestimmt auch bald nachschauen kann.