Verkaufstrick

Irgendwann war ich mal mit einem jungen Mann liiert, dessen Eltern verhältnismäßig wohlhabend waren. Zum ersten Kennen lernen ging es in ein feines Restaurant.
Das Restaurant war so fein, dass es unmöglich war, sich wohl zu fühlen. Jede Konversation, die über ein Wispern hinaus ging, empfand ich als proletisches Geschrei. Ich entschloss, möglichst gar nicht zu sprechen. Die eher spartanisch-verkrampfte Unterhaltung passte zudem ganz gut zu den eher übersichtlichen Portionen.

Für die Hauptspeise sollte es Hummer geben. Auf den hatte ich nicht besonders Lust, denn erstens finde ich es ein wenig seltsam Tiere lebend zu kochen und dann zu verspeisen und zweitens hatte ich in der Woche zuvor eine Kochsendung über Hummerzubereitung gesehen.
Dort schmiss der Koch einen sich verzweifelnd windenden Hummer in sprudelndes Wasser und holte ihn wenige Minuten später rot glänzend wieder heraus, um ihn der Kochsendungsmoderatorin zu präsentieren.
Er legte den jetzt schlappen Hummer auf eine Holzplatte vor die beiden und stach mit einem eispickelartigen Werkzeug in die Seite des Tierchens. Sofort spritzte der Moderatorin schleimiges Zeug ins Gesicht und der Koch jubelte: „Das ist Hummergrün! Eine Delikatesse!“, während er weiter in der Seite des Viehs popelte.
Die Moderatorin wischte sich den Glibber aus dem Gesicht und betrachtete ihn angewidert. Der Koch, in seiner Begeisterung über das Hummergrün fast überschäumend, wedelte mit einer mit Hummergrün gefüllten Suppenkelle vor der Moderatorin herum, die leise aufstieß und dann einen Brechanfall unterdrückend, eilig zum Wein lief, das erste Glas auf Ex herunter kippte und dann gequält lächelnd überleitete: „Nun, das mit dem Hummergrün ist wirklich SEHR interessant, aber was haben wir hier denn für einen köstlichen Weißwein?“

Diese Geschichte erinnernd wollte ich keinen Hummer essen und behauptete eine Meeresfrüchteallergie zu haben.
Den Vater des Freundes hielt das natürlich nicht davon ab, Hummer zu bestellen. Im Eingangsbereich des Restaurants gab es ein mächtiges Aquarium. Dahin wurde er geführt und durfte sich ein Exemplar aussuchen.
Er zeigte nicht lange zögernd auf ein recht stattliches Tier.
Der dicke Koch krempelte seinen Ärmel hoch und griff entschlossen ins Wasser. Der Hummer hatte sich die ganze Szenerie schon von innen mitangesehen und krabbelte zeitgleich mit Eintauchen der Hand eilig in die Mitte des Aquariums, wo sich eine Art Gitter befand.
Dort krallte er sich mit seinen Scheren fest.
Der Koch zog an dem Hummer. Der Hummer hielt sich unbeeindruckt fest. Der Koch zog und zerrte. Der Hummer tat so, als kümmere ihn das nicht. Und was soll ich sagen, nach gut zehn Minuten Kampf, gab der Koch entnervt auf und hieß den Vater des Freundes sich gefälligst einen anderen Hummer auszusuchen.

Diese Beobachtung war zweifelsohne das schönste am Abend. Beim Herausgehen schaute ich den Hummer noch mal an. Ich denke, er lebte schon seit Jahren in dem Aquarium, denn er war mit Abstand der größte von allen und wahrscheinlich suchte jeder Gast sich genau jenen aus.
Während die anderen umständlich ihre Jacken holten, nutze ich die Gelegenheit und flüsterte dem Hummer über die Wasseroberfläche zu: „Weiter so! Nur nie nachgeben!“

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P.S. Hummer und Quantenmechanik