Kinderkarneval

Ich hätte schwören können, dass ich schon mal darüber geschrieben habe: Fasching mit Kindern. Auch so ein Ding von dem man eine verstrahlt romantische Vorstellung hat – bis man eben Kinder hat. Dabei gibt es so viel Leid!

Das erste Leid, das ich kennen lernen musste, heißt: Kindergarten-Motto-Partys.

Im ersten Jahr lautete es bei uns „Berufe“. Berufe, wie schön. Als Erwachsene hat man ja eine weit gefächerte Vorstellung von Berufsbildern. Aber begeistere mal ein Kind dafür als Controllerin oder Fleischereifachverkäuferin zu gehen. NATÜRLICH wollten alle Kinder eigentlich als Feuerwehrmann oder Polizist gehen. In der Regel ist das auch OK. Also dass mehrere Kinder, das selbe Kostüm tragen. Das ist schließlich nicht so als ob man als Hollywoodstar zur Oscar Verleihung einer anderen prominenten Schauspielerin gegenüber steht und feststellt, dass man unglücklicherweise das selbe Designer-Kleid trägt. Nein, die Kinder sehen ihre Kindergartenkumpels und freuen sich, dass die auch Feuerwehrmann sind und gut ist. Jedenfalls bei den Kindern der anderen ist das so. Meine Kinder wollen natürlich auf keinen Fall so verkleidet sein wie irgendein anderes Kind auf dieser Welt. Also musste ich im Vorfeld wochenlang Berufe aufzählen, beschreiben und bei Gefallen stichprobenartig Kostümkonzepte präsentieren.

Am Ende wurde das Kind Eisverkäufer und ich hatte lediglich ein wenig Mühe den tragbaren Eiswagen aus Pappe zu bauen.

Jedenfalls – eigentlich fängt der Stress ja schon vorher an – nämlich bei der Festlegung des Mottos. Eine Freundin berichtete mir von einem Elternabend, an dem die Erzieherinnen sorglos verkündeten, das Kinderkarnevalsmotto lautete dieses Jahr „Die Ritter“.

„Moment Mal, Ritter? Als was gehen denn die Mädchen?“

Ja, ja, das sei weiter gefasst. Man könne auch „Ritter und Ritterinnen“ machen.

„Hm ja. Aber Ritter, das sind eigentlich Soldaten und ich möchte nicht, dass meine Tochter als Soldat geht. Wir sind Pazifisten und uns gefällt das gar nicht.“

Ja, ja, das stimmt. Vielleicht könne man das ja erweitern, also „Ritter, Ritterinnen und Burgfräulein“.

„Wie bitte? Aber was ist denn mit den Jungs, die keine Soldaten sein wollen?“

Ja, hm, dann mache man vielleicht „Ritter, Ritterinnen, Burgfräulein und Burgherren.“

„Is klar, Fräuleins, aber dann HERREN. Herren von Herrscher. Und die Frauen sollen nur hübsch aussehen…“

Ich bin ein bisschen froh, dass ich bei diesem Elternabend nicht persönlich anwesend war. Am Ende bleibt ohnehin nur eine Frage offen: Warum überhaupt ein Motto? Warum können die Kinder sich nicht einfach verkleiden als was sie wollen?

Nach fünf Jahren Diskussion, wurden deswegen die themengebundenen Faschingsfeiern bei uns im Kindergarten abgeschafft.

Vor einer Diskussion als was sich ein Kind verkleiden möchte, bewahrt das natürlich dennoch nicht. Bei uns läuft das Jahr für Jahr gleich ab. Das Kind sucht sich irgendein aufwändiges Kostüm aus, eines, das man garantiert nicht fertig kaufen kann oder zumindest nicht ohne ein halbes Monatsnettoeinkommen dafür zu investieren. Also muss man es selbst machen. Bei meinen Näh- und Bastelkünsten eigentlich ein Grund meine Wochenarbeitszeit für einen begrenzten Zeitraum zu kürzen.

Kind 2.0 wollte beispielsweise als Nixe gehen. Also habe ich aus unserem Vorhang ein Nixenkostüm genäht. Ich hatte dafür zwei Stunden eingeplant. Tatsächlich habe ich zehn benötigt. Am Morgen des Kinderfaschings steht Kind 2.0 auf und verkündet: „Ich möchte doch als Prinzessin gehen!“

Jaaahhaaaa! Nenenenene! DU. GEHST. JETZT. ALS. NIXE!

Ich war kurz vorm Nervenzusammenbruch. Mit einigen wenigen Bestechungen (zwei Schokoriegel, eine Packung Kaugummi und ein Kino-Besuch samt Limo und Popkorn) war das Kind überredet und ging als Nixe.

Aus dieser Erfahrung schlau geworden, habe ich mir auf Flohmärkten ein Sammelsurium an unterschiedlichen, untereinander kombinierbaren Verkleidungsutensilien in vielen unterschiedlichen Größen zusammengekauft.

Deswegen war ich heute Morgen fast tiefenentspannt, als Kind 3.0 an den Frühstückstisch trat:

(Den Reaktionen entnehme ich: ich bin nicht allein. Das tut so gut!)

30 Gedanken zu „Kinderkarneval“

  1. Tja, ich muss ehrlich sagen, dass wir als Eltern daran eine Mitschuld tragen. Wir wollen unsere Kind frei usw. erziehen. Das trägt dazu bei, dass Kinder sich x-mal umentscheiden.

    Ich habe mit meinem Sohn vorab immer besprochen, auch als er erst 3 Jahre alt war, was er im Fasching sein möchte und wenn er sich entschieden hat, bleibt es dabei. Man darf dann als Eltern auch nicht schwach werden, wenn dicke Krokodilstränen fließen, weil das Kind es sich anders überlegt hat.

    Mein Sohn ist jetzt 11 (fast 12) Jahre alt. Er überlegt sich seine Entscheidungen sehr gut. Und kann es mittlerweile gar nicht verstehen warum einige seine Freunde heute Hü und morgen Hott sagen, was sie wollen.

    An uns Eltern liegt es konsequent zu sein, das hilft unseren Kindern im späteren Leben gewissenhafter Entscheidungen zu treffen und dann auch dazu zu stehen.

  2. Meine Frau kommt gottseidank berufsbedingt öfter mal nach USA, wo es die diversen Disney-Kostüme und anderes zum Spottpreis gibt – da liegt locker mal Faktor 5 und mehr dazwischen.

    Ein original Eisprinzessinnen-Kostüm haben wir entsprechend zwar (schon gekauft bevor die bei uns überhaupt im Kino war), aber meine Frau war vorausschauend genug, unsere große (7) als Schneewittchen in die Schule zu schicken weil ja so viele momentan Eisprinzessin sein wollen. War dann auch tatsächlich so :-)
    Das Eisprinzessinnen-Kostüm durfte dafür dann die kleine tragen, die krank zu Hause geblieben ist, da war dann die Welt auch wieder in Ordnung.

    Beim Sohnemann ist es es aktuell sehr einfach… Feuerwehrmann ist einfach das tollste was es gibt.

  3. Gnihihi, das koemmt mir doch wirklich sehr bekannt vor.
    Mein Kind wollte einmal als Pestbeule gehen, war aber zu wuppen da ich Plastik-Ostereier, Hutgummi und rosa Acrylfarbe zur Hand hatte.
    Man muss nur die Ostereier halbieren (ich empfehle da eine Decoupiersaege), anmalen, mit Loechern zur Aufnahme des Hutgummis versehen und die Konstruktionen dann geschickt ueber das Kind verteilen.
    Der Bringer.
    Also optisch.
    Oder so.

  4. Du bist so lieb. Ich nicht. Kind2 wollte erst Feuerwehrmann werden, dann nicht mehr, lieber Clown. Doof nur, dass ich dann schon sein Kostüm hatte. Er bekam nichts anderes.
    Ich hab auch nichts genäht und gebastelt, sondern nur in Details zusammen gefriemelt und wer wollte, im Gesicht bemalt.

  5. Als Ninja zum Kindergarten gebracht, als Pirat wieder abgeholt. Das regelt sich auch ohne Eltern Einmischung ganz wunderbar.

    Warte… hab ich das richtige Kind im Auto…?

  6. Mein Sohn hatte mit 2 1/2 Jahren schon ganz konkrete Vorstellungen:

    Er wollte unbedingt ein oranger(!!) Schmetterling werden… Als ich nach Wochen zufällig fand, womit ich nie gerechnet hätte (ein überwiegend oranges Schmetterlingskostüm in seiner Größe) und es ihm völlig euphorisch zeigte, war die Antwort:

    „Das ist ja viel zu groß! Ich möchte so ein kleiner Schmetterling werden“ (Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger eines 2 Jährigen…) ????

    Ich war sprachlos – er wurde dann Cowboy ;-)

  7. Mein Großer antwortete auf meine Frage als was er sich verkleiden möchte sechs Wochen lang, dass er nicht zum Fasching gehe, an dem Tag auch nicht in die Kita geht und demzufolge sich auch nicht verkleidet…
    Vor einer Woche dann der Sinneswandel, da sagte das Kind am Kaffeetisch plötzlich, es wolle sich als Wikinger verkleiden. Sprache, nahm sein Wickie-Buch, zeigte auf Faxe und erklärte, dass er dieser Wikinger sei.
    Nun denn, das Kostüm ist fertig und ich hoffe sehr, dass er es morgen dann auch trägt. (Heute abend werde ich es auf meinem Blog schon mal zeigen.)

  8. made my day! Die grosse Maus kommt aus dem Schema Prinzessin/Elfe/Schmetterlingsfee nicht raus, aber das stört mich nicht. Muss ich mir wenigstens nicht den Kopf zerbrechen. Und der kleine Spatz geht sowieso immer als Spiderman.BASTA.

  9. Genau so.
    Hab deshalb diese Woche drüber gebloggt, warum wir Karneval immer grüne Mülltüten vorrätig haben: Egal ob Olchi, grüner Ninja, Froschkönig, Alien … irgenwie geht das immer. Und ist im Straßenkarneval sogar wetterfest. :-)

  10. Ich würde gerne die Zählung der Zwerge zur Diskussion gestellt sehen: Richtig wäre doch Kind 1.2 und Kind 1.3?

    Es sei denn, mir sind andere interpersonelle Konstellationskorrekturen nicht bekannt, dann wären durchaus Kind 1.1, 1.2 und Kind 2.1 möglich. Aber Kind X.0 geht net.

    1. Also da es individuen sind und jedes für sich ein Einzelrelease
      teilweise mit Programmierteamwechsel daher gilt:
      „Hauptversionsnummer
      (englisch: major release) indiziert meist äußerst signifikante Änderung am Programm – zum Beispiel wenn das Programm komplett neu geschrieben wurde (zum Beispiel GIMP 1.x nach 2.x) oder sich bei Bibliotheken keine Schnittstellenkompatibilität aufrechterhalten lässt.“

      Jede Version bleibt für sich bestehen und ist final! Daher werden sie nicht mit 1.1, 1.2, 1.3 bezeichnet werden können!

        1. Wieso, hat sich nach der Finalen Programmierung noch mal was geändert? Mal abgesehen davon, dass es selbst lernende „Programme“ sind?

  11. Ich bewundere deine unglaubliche Geduld in der Sache. Bei mir hätte es die zwei Möglichkeiten „unverkleidet“ oder das eben vorhandene gegeben.
    Aber hierzulande sind wir ja auch alle Karnevalsbanausen :D

  12. Ich habe mich schon darauf eingestellt, dass mein Kind (so wie ich früher), die nächsten 10 Jahre als Prinzessin geht. Und schlau wie ich bin, im Schlussverkauf der letzten Jahre, Prinzessinenkostüme in mehreren Größen erstand. Tja – im Zuge der Liebe zu „Drachenreiter von Berk“ möchte das Kind als Wikinger-Astrid gehen. Totenkopfgürtel aus dem Biker-Shop, eine Doppelaxt mit dem Opa gebastelt und den alten Fuchs der Uroma als Fellkragen umgehangen. Ich denke, die nächsten Jahren lasse ich es einfach auf mich zukommen.

  13. Also ich hab zwar keine Kinder, immerhin aber ein schier unendliches Gedächtnis. Und so erinnere ich mich gut daran, wie’s in meiner Kindheit in der DDR war. Wir gingen alle einfach als Cowboys (Cowgirls gab’s als Begriff wohl nicht, also gingen alle als Cowboys) oder Indianer. Was hätt‘ man auch machen sollen? Gab ja nichts. Wobei ich mich erinnere, einmal Gartenzwerg verkleidet gewesen zu sein. Das fand ich seinerzeit beschämend, aber meine Eltern fanden’s offenbar niedlich oder so. Ein Freund ging mal als Maiglöckchen, was irgendwie noch beschämender war, jedenfalls für ihn, und genau so guckt er auf den alten Schwarzweißaufnahmen auch aus der blumigen Wäsche. Waren insgesamt aber Ausreißer. Winnetou und Old Shatterhand hatten klar das Monopol. Als Mauer und Staat weg waren und der Kapitalismus ins Land strömte, gingen plötzlich alle als Batman. Ich weiß nicht warum, vielleicht weil Bruce Wayne so schön reich ist, jedenfalls erinnere ich mich gut daran, wie plötzlich überall maskierte Superhelden rumliefen, die sich als Batman bezeichneten, selbst dann, wenn sie eigentlich ein Zorro-Kostüm trugen. Da musste man halt abstrahieren.

  14. Wir hatten heute Glück, kein Umentscheiden diesmal.
    Meine Tochter schwankte zwischen der vertrauten Prinzessen und der zu Halloween neu entdeckten Liebe Vampir. Aus Jux schlug ich Vampirprinzessin vor. Sie trägt heute ein rosa Kleid, einen schwarzen Umhang, eine rosa Perücke mit Hut zu weiß geschminktem Gesicht inklusive Vampirzähnen und Blut. Ihre große Schwester hat sich für die wenig bekannte Wollfee entschieden.

  15. Ich glaube, ich hätte nicht mehr die Nerven für solche Diskussionen. In den 70er Jahren war das noch nicht so kompliziert – ich habe es jedenfalls nicht kompliziert in Erinnerung – kann aber auch am Gedächtnis liegen :-)

  16. Herrlich! Ich versuche, das Kind seit 4 Jahren davon zu überzeugen, dass es für Mädchen auch andere Kostüme gibt als Prinzessin/Elfe/Schmetterlingsfee. Ist mir in diesem Jahr wieder nicht gelungen, morgen wird eine glitzernde Eiskönigin in den Kindergarten gehen. Nun ja.

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