Ankunftsszenen

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Ich schaue auf die Anzeigetafel. „Ankunft C“ steht dort. Keine Ahnung, ob Terminal C und Ankunft C das selbe sind, aber ich laufe einfach dem ausgeschilderten Buchstaben „C“ hinterher.

In der großen Halle sehe ich einen Infostand und frage: „Wo finde ich denn bitte Ankunft C?“
„Wo wollen Sie denn hin?“
Ich verstehe die Frage nicht so recht und schaue ratlos.
„Flug?“
„Porto“
„Das ist Ankunft C“, sagt die Dame nachdem sie auf der Ankunftstabelle den Flug nachgeschaut hat.
„Das ist richtig und wo finde ich Ankunft B?“
„Gegenüber des Restaurants.“

Ich drehe mich um und sehe ca. sechs Etablissements von denen ich sagen würde, dass es sich um Cafés oder Restaurants handelt.

Die Dame am Infoschalter zeigt in eine Richtung: „Da.“

„Aha.“ Ich zögere, doch dann bedanke ich mich und laufe in die entsprechende Richtung. Tatsächlich komme ich irgendwann in einen Bereich, der „Ankunft C „lautet.

Ich bleibe stehen und warte mit rund ein Duzend anderen Menschen. Immer wieder gehen die Schiebetüren auf und aus dem Sicherheitsbereich kommen Menschen.

Manche sehr zögerlich, so als wüßten sie nicht, was sie auf der anderen Seite erwartet. Andere zügig, ohne jeden Zweifel. Sie laufen meist rechtsherum. Ihr Blick sucht niemanden, sie sind sich sicher, dass sie gefunden werden.

Die allerwenigsten haben noch Taschen, die man trägt. Fast alle haben Rollkoffer. Schwarze Rollkoffer, farbige Rollkoffer, Hartschalenrollkoffer, Rollkoffer auf vier Rollen, Rollkoffer auf zwei Rollen, große, kleine, manche schieben parallel zwei von ihnen.

Nur einmal sehe ich einen Mann mit einem Gepäckwagen. Vier große Koffer hat er gestapelt. Ganz oben drauf liegt ein erschöpft aussehendes Mädchen.

Eine Frau mit einem ungefähr vierjährigen Kind tritt aus den Schiebetüren. Das Kind bleibt einen kurzen Moment stehen, dann schreit es freudig „PAPA!“ und rennt los in die Arme eines blonden, stämmigen Mannes, der einen Undercut trägt. Die beiden stecken ihre Köpfe zusammen, küssen sich, das Kind sagt immer wieder leise „Papa! Papa!“. Das Kind streicht dem Mann mit seinen kleinen Händen immer wieder über die kurz rasierten Haare an den Seiten.

Die Frau kommt mit dem Koffer hinterher. Sie nickt dem Mann zu und sie geben sich einen sehr brüderlichen Kuss.

Eine junge Frau mit gewellten blonden Haaren und einer dicken schwarzen Winterjacke kommt als nächstes durch die Tür. Ein haarloser, sehr kleiner Mann sieht sie und grinst über das ganze Gesicht. Er macht einen großen Schritt auf sie zu und dann umarmen sie sich ganz fest. Sie drücken ihre Wangen aufeinander. Hinter dem Mann tritt eine etwas ältere Dame hervor. Sie hat ebenfalls gleichmäßig gewellte Haare, allerdings sind die schwarz mit weißen Strähnen. Sie drückt die junge Frau ebenfalls, sie reiben sich mit den Händen den Rücken und wippen von einem Bein auf das andere. Ihre Köpfe stecken sie in die Haare des jeweils anderen. Sie sagen sich etwas, zu mir dringt nur ein haarersticktes Murmeln. Es klingt sehr glücklich.

In der Zwischenzeit ist ein ganzer Pulk Menschen an mir vorbei geströmt.

Eine ganze Weile beobachte ich schon einen mittelalten Mann mit seinen beiden Söhnen. Sie sehen sich alle sehr ähnlich und sind unglaublich groß. Der Mann bestimmt zwei Meter. Die Kinder, die eigentlich keine Kinder mehr sind, deutlich über eins achtzig. Sie haben rote Rosen dabei, die sie einer Frau mit einem dunklen Pferdeschwanz über die Absperrung reichen als diese erscheint. Sie drücken sich zu viert über die Absperrung. Es verstreichen einige Momente bevor sie sich wieder los lassen.

Neben mir steht ein junges Mädchen mit einem pinkfarbenen Smoothie. In der anderen Hand hält sie einen zweiten. Sie holt eine andere Frau ab. Die beiden strahlen über das ganze Gesicht als sie sich entdecken. Sie fallen sich in die Arme und eine ruft: „I’m so glad, that you are here!“ „So am I“ erwidert die andere und sie bleiben eine Weile eng umschlungen stehen. Dann lachen sie wieder und laufen Hand in Hand Richtung Ausgang.

Die Szenen wiederholen sich in Variationen. Ich bemerkte, dass die meisten Paare sich sehr abgeklärt grüßen. Einen flüchtigen Kuss auf die Wange zum Gruß, dann übernehmen die Männer meistens das Gepäck und  man wendet sich zügig gen Ausgang. Der Alltag findet offenbar in Sekunden seinen Platz.

Manchmal begrüßen sich ganze Gruppen. Alle umarmen sich. Der Reihe nach, überkreuzt, man reicht sich Hände, klopft Schultern, fragt nach dem Flug.

Dazwischen immer wieder Menschen, die sich mit solch einer Herzlichkeit begrüßen, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Küsse, umschlingen und oft dieses freudige Wippen.

Viel öfter müsste man im Ankunftsbereich eines Flughafens stehen. V.a. im Herbst, wenn der Himmel grau ist und es regnet.

129 Gedanken zu „Ankunftsszenen“

  1. Was fuer ein wunderschoener Artikel, vielen Dank! Da schiessen mir doch vor Heimweh gerade ein wenig die Traenchen in den Augen. Ich kann mir momentan nur einmal pro Jahr den etwas weiteren Flug nach Hause leisten und freue mich jedes Mal auf’s Ankommen weil ich weiss dass entweder mein Papa oder beide Eltern auf mich warten. Und wir bringen glaube ich auch jedes Mal um uns Leute zum Lachen/Weinen weil wir uns einfach fuer fuenf Minuten nur umarmen und knuddeln. (Und auf dieselbe Art und Weise macht es mir auch unglaublich Spass Freunde auf dem Flughafen abzuholen wenn die mich besuchen. Vor allem wenn man sich wegen der Entfernung schon jahrelang nicht gesehen hat.) Danke fuer die schoenen Erinnerungen die hier and dem grauen Oktobertag grad hochkommen :).

  2. Schön beobachtet, ich finde das auch immer sehr rührend.
    Wenn ich am Flughafen ankomme, wartet meistens nur ein Fahrer auf mich (dekadent, ich weiß), der sich allerdings weder auf mich freut noch mich umarmt. Einmal war meine Freundin da und hat mich abgeholt, und das war die schönste Flughafenankunft, an die ich mich erinnern kann.

  3. Die Anfangsszene von „Tatsächlich Liebe“ zeigt genau das von dir beschriebene – ich liebe dieses Intro! Man wird davon lebkuchenweich und hat definitiv zuviel Wasser in den Augen aber man fühlt sich danach gleich viel wärmer.

  4. Das habe ich früher mit einem damaligen Freund zu Messezeiten in Stuttgart öfter gemacht. (In der Nähe der Messe gibt es keine Kneipen, aber ein langegeöffnetes Café am Flughafen gegenüber der Ankunft.)
    Es macht ein bisschen liebesweich, manchmal.

  5. Haaaach, das passt heute, ….ja, ich liebe es – seit mehr als zehn Jahren bin ich es, die (erst alleine, dann mit einem und nun mit zwei Kindern) immer mal wieder zitternd vor Aufregung vor der Schiebetür steht und dann wippt und festhält, was das Zeug hält. Heute kam mein (See)Mann ausnahmsweise von einem Freund aus HH gebracht mit dem Auto nach hause -wir haben zitternd am Fenster gestanden, auch schön :)

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