Damals, der Weltspartag

Damals am Dorf, als der Weltspartag noch ein Ereignis war.

Ich bin ein recht sparsamer Mensch. Mir fällt es sehr schwer, Dinge, die man generell noch benutzen kann einfach wegzuwerfen und durch neuere, schönere Modelle zu ersetzen. Selbst Dinge, die andere wegwerfen wollen, brauche ich gerne noch auf. Mamas Handy z.B.

Etwas auf Kredit zu kaufen entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Erst wird gespart, dann wird gekauft und bei den meisten Gegenständen entscheide ich: unnützer Tand – das benötige ich nicht.

Diese Einstellung kann ich nicht von meinen Eltern übernommen haben. Meine Mutter ist eine Wegwerferin, die ihresgleichen sucht. Kommen wir zu Besuch und lässt man während einer Mahlzeit nur eine Minute zu lange das Besteck liegen, beginnt sie den Tisch abzuräumen und statt alles fein säuberlich einzufrieren, landen die Reste im Müll.

Mein Vater hat dafür andere Vorlieben. Er liebt schicke Klamotten und Autos. Früher war sein Kleiderschrank ungefähr so groß wie mein Kinderzimmer und ich kann mich gut erinnern, wie ich als Kind mit Autofarblacktäfelchen gespielt habe, weil die immer bei uns herumlagen, da im Grunde kontinuierlich neue Autos gekauft wurde, deren Farben ausgewählt werden mussten. Hätten wir ein Haus gehabt, die Hälfte der Wohnfläche wäre eine Garage gewesen (- aber ich schätze, wir hatten kein Haus, weil wir ja immer die neusten Autos hatten).

Wahrscheinlich hängt mein bedachtsamer Umgang mit Geld an einem ganz anderen Faktor. Denn ich bin in einer Wohnung über einer Sparkasse aufgewachsen.

Nach Weihnachten und Geburtstag, war der Weltspartag das absolute Großereignis meiner Kindheit. Ich erinnere mich genau mit welcher Vorfreude ich mein Sparschwein in die Filiale schleppte. Ich bekam ab der ersten Klasse eine Mark Taschengeld pro Woche und fürs Treppe putzen drei Mark. Ich habe mir nie etwas davon gekauft, sondern immer alles gespart. Nur wenn ich Geld auf der Straße fand, kaufte ich mir manchmal Brausebonbons, die damals zwei Pfennig das Stück kosteten.

Wenn der Weltspartag kam, rannte ich nach der Schule nach Hause, holte meine Ersparnisse und trug sie in die Filiale unter unserer Wohnung. Dort wurde ich am Sonderschalter WELTSPARTAG freundlich mit: „Guten Mittag, Fräulein Nuf!“ begrüßt. Die zuständige Bankkauffrau zählte meine Münzen und schrieb sie dann handschriftlich in meinem Sparbuch gut, stempelte das neue Ergebnis und überreichte mir das Büchlein samt Motivationsgadget. Sie versicherte mir jedes Jahr, dass es kein Kind im ganzen Dorf gab, das annähernd so viel gespart hatte wie ich.

Da soll noch mal ein Psychologe behaupten, es gäbe keine extrinsische Motivation! Denn jedes Mal, wenn ich einen Betrag auf mein heutiges Konto überweise, überkommt mich das gleiche Gefühl von Stolz wie damals. Reduziert sich die Summe, setze ich alles daran sie wieder auf den Stand zu bringen, den sie davor hatte. Das ist mir bis zum heutigen Tag geblieben.

Kind 2.0 bekommt zwar noch kein Taschengeld, dafür sammelt es Geld auf der Straße. Nach zwei Jahren ist die Sparbüchse so voll gewesen, dass wir vergangenes Wochenende Geldrollen gerollt haben.

Ob die Sparerziehung hier final sagt: „Sparen lohnt sich „oder „Das Geld liegt auf der Straße“, bleibt abzuwarten.

(Kinder mit Hilfe des Weltspartags ein bißchen zu motivieren, kann in meinen Augen nicht schaden. Es bleibt die Hoffnung, dass sich auf lange Sicht ein Bewusstsein bildet, an welchen Stellen ein bestehendes Finanzsystem seltsame Blüten treibt. Sich Chin Meyer zu Gemüte zu führen kann ebenfalls weiter helfen:

 

5 Gedanken zu „Damals, der Weltspartag“

  1. Ach, das Geld.
    Ich bin auch ein guter Aufpasser.
    Wobei ich doch ab und an was ausgebe.
    Kredit macht mir Bauchweh und Alpträume.
    Meine Eltern waren sparsam, gaben es jedoch fùr diverse Umbauten und Möbelkäufe aus. Schwups, schon war das Wohnzimmer wieder weg und neuen Möbel inclusive gelber Vorhänge und Seidentapeten füllten den Raum. Und Kronleuchter erhellten das Haus und die Zimmer.

  2. Wir entstammen derselben Generation!
    #keine_Kredite
    Wobei bei uns im Dorf eine Volksbank und eine Sparkasse vorhanden war und es einen ähnlichen Glaubenskrieg darum gab, wo man das Konto hatte, wie um Pelikan oder Geha…. (und nie werde ich vergessen, dass die Volksbankfrau mich einst am Weltspartag fragte, ob ich einen Kassettenrekorder besäße? Ich: „Nein.“ (was die Wahrheit war), und dann bekam ich ein Gummitier.
    Das Kind nach mir sagte „ja, meine Eltern haben einen“ (was bei uns auch so war, aber das war ja nicht die Frage gewesen!) und es erhielt eine wunderschöne Kinderliederkassette.

    Ich kann noch den ADA beisteuern, den Abschöpfungsdauerauftrag, zu dem meine Mutter mich überredete, weil da so praktisch das, was am Ende des Monats auf dem Giro verblieben ist, auf das viel besser verzinste Sparbuch wandert. Automatisch. Damals, als es noch Zinsen gab…

  3. Ich glaube, bei mir wird das Gefühl der Zufriedenheit mehr vom Gegenstand beeinflusst, den ich mit Hilfe meines Dispo erstanden habe als vom Stand meines Bankkontos. Es könnte allerdings auch daran liegen, dass ich grundsätzlich nicht auf meinen Kontostand gucke, übrigens eine Angewohnheit, die ich mit Mutter, Vater und Bruder teile.

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