Der 5.000 Euro Mann

Klingt ein bisschen wie Postillion-Schlagzeilen:

Spitzenvater

und


Spitzenvater

Immer wenn ich vom „Spitzenvater des Jahres“-Preis höre, muss ich an den Sechs-Millionen-Dollar-Mann denken, eine Serie, die ich als Kind mit meiner Mutter in den 80ern geschaut habe. In der Serie wird ein Astronaut und Testpilot bei einem Flugzeugabsturz lebensgefährlich verletzt. Eine sechs Millionen Dollar teure Operation rettet ihn. Ihm werden ein Auge, ein Arm und beide Beine durch bionische Körperteile ersetzt, was ihn zu einer Art Supervater äh -held macht.

Der die Gemüter erregende „Spitzenvater des Jahres“-Preis wird alljährlich von Ulrike Detmers verliehen, die damit v.a. Werbung für ihre Bäckerei macht, deren Name ich aber leider vergessen habe. Dieses Jahr miteingerechnet, zeichnet sie seit 14 Jahren mit dem 5.000 Euro dotierten Preis Männer bzw. Väter aus, die entgegen Geschlechterstereotypien leben. Dieses Jahr geht der Preis u.a. an den Mann von Dr. Insa Thiele-Eich, die im kommenden Jahr zwei Wochen zur ISS fliegen wird. Der Vater nimmt tatsächlich ein ganzes Jahr Elternzeit und bleibt mit den drei Kindern zuhause, damit seine Frau Karriere machen kann.

Zu meinem eigenen Erstaunen denke ich in der Zwischenzeit: Wenn Männer entgegen Klischees leben, ist das eine gute Sache. Sollen sie von mir aus 5.000 Euro bekommen. Der Fehler liegt ja nicht so sehr in diesem Umstand, sondern in dem Fakt, dass die ganze Auszeichnung scheinheilig wirkt, weil auf der anderen Seite keine Frauen belohnt werden, die gegen Geschlechterstereotypien stehen. Angemessen wäre es also einen der beiden Preise (es sind zwei Männer, die ausgezeichnet werden) an eine Frau zu geben, die z.B. direkt nach der Geburt wieder arbeiten gegangen ist.

Tatsächlich bewegt sich doch in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau etwas, denn – falls es euch aufgefallen ist – der Spitzenvater ist zwar Spitzenvater, hat aber keinen eigenen Namen. Er ist in zahlreichen Zeitungsartikeln nur „der Mann von“. Ein Schicksal, den er mit vielen großartigen Frauen teilt, die am Ende doch nur „die Frau von“ sind. An der Seite einer voll arbeitenden, berühmten Frau verliert er seinen Namen.

Der 2. Preisträger (Thorben Hinsche) übrigens – wer hat von ihm gehört? – ist gänzlich unsichtbar.

Einen weiteren Fortschritt sehe ich zusätzlich: Wurde 2016 noch Vizekanzler Gabriel abgefeiert, weil er einmal die Woche sein Kind aus dem Kindergarten holte, muss 2019 ein Vater mit drei Kindern ein Jahr komplett Elternzeit machen, damit das eine Pressemitteilung wert ist.

Seit 2016 habe ich viel darüber nachgedacht, ob es irgendwie gut ist, wenn es gleich eine Presseerklärung und Geld gibt, wenn ein Vater ausnahmsweise mal tut, was Generationen von Frauen aufs Selbstverständlichste als Mütter tun. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass solche Männer unsere Verbündeten sein sollten. Nicht von Herzen, aber strategisch. Denn letztendlich arbeiten wir am gleichen Ziel.

Ich werde deswegen nicht schimpfen, dass der Mann von Dr. Insa Thiele-Eich und der Mann von Laura Hinsche einen Preis bekommen. Vielmehr möchte ich Frau Ulrike Detmers dazu ermutigen, den selben Preis (oder den halben Preis) nächstes Jahr an eine Frau zu geben, die Mutter ist und Regale festdübelt, das Auto zum TÜV fährt oder den Rasen mäht*.

Ich hoffe, es ergeht den Frauen und Müttern am Ende dann wie den Millionen-Dollar-Menschen. Denn da war die Frau aus dem Spinoff der Serie als Sieben-Millionen-Dollar-Frau am Ende eine Millionen mehr wert.


Das Schlusswort möchte ich dennoch Christian Hanne überlassen:

Naja OK, der ist auch noch ganz lustig:

*Nachträgliche Ergänzung: Tatsächlich gibt es einen Preis für Frauen: „Der Preis der Managerin des Jahres wurde im Jahr 2002 zum ersten Mal verliehen. Ziel des Preises ist es, in der männerdominierten Welt der Wirtschaft kompetente Wirtschaftsfachfrauen als weibliche Leitbilder zu exponieren.

145 Gedanken zu „Der 5.000 Euro Mann“

  1. Was insgesamt auffällt, ist, dass es nur prämier-fähig scheint, wenn die Frau einen typischen Männerjob macht. Wie wäre es mit einem Preis für den Mann der Kassiererin, der ein Jahr Elternteit macht? Oder der Erzieherin? Wieso ist es nur lobenswert, wenn die Frau den Männerberuf hat? Achja…solche Beispiele gibts wahrscheinlich nicht, weil dann immer die Frau Elternzeit nimmt bei dem scheiß Gehalt.
    Viele Grüße
    Katrin

  2. Also ich fand solche Preise früher auch affig, denke aber inzwischen dass man mit loben meistens weiter kommt als mit schelten (und das sage ich obwohl ich aus Süddeutschland komme! :D ) und daher so ein plakatives Beispiel der Sache durchaus zuträglich ist.
    „Schaut Euch den tollen Mann hier an, der macht es richtig“ ist besser als „Die meisten Männer machen das falsch“. Und daher auch ein Mann von einer bekannten Frau. Menschen reagieren mehr auf „Prominente“ als auf den Durschnittstyp von nebenan.

    Sobald wir bei einer nennenswerten „equality of opportunity“ angekommen sind, kann man Maßnahmen wie Förderprogramme, Quoten, oder auch eben solche Preise weglassen.
    Auf dem Weg dahin sind aber solche Maßnahmen IMO prinzipiell leider notwendig.
    Ich glaube wir würden selbst über Dinge wie gendergerechte Sprache weitaus weniger aufgeregt reden, wenn ansonsten Männer und Frauen schon gleiche Chancen hätten. Haben sie aber nicht.

    Gruß
    Aginor

  3. Ehrlich? Kann grad nich so schnell kotzen wie es kommt, wie mensch in meiner westfälischen Heimat sagt. Preis, Benennung, Lobverfahren, Berichterstattung ist an so vielen Stellen so furchtbar… alles. Unmännlich, unweiblich, strunzdumm, wütendmachend, ehrlos, gewissenlos und fremdschämpeinlich, das ich als einzige positive Konnotation sagen kann „schoen das sie mehr Geld haben“. Also. Nicht dein Artikel. Das worueber er berichtet. Wie kann ein mensch mit nur einem Funken Anstand im Leib a) so nenn Preis annehmen b) zulassen dass der/die Partnerin ihn annimmt c) darueber berichten d) Aaaarrrg.
    Die sollen bitte alle weggehen. Ich will nicht zur gleichen Spezies gehoeren.

  4. Danke! Btw. hast Du gesehen dass die auch andere Preise verleihen? Unter anderem „Managerin des Jahres“. Also so ganz stimmt das nicht dass es keinen Preis für Frauen gibt.

  5. PFFFFF…. ich hatte meiner Frau ermöglicht, dass sie mit Anfang 40 noch einmal ein komplettes Studium (incl. Master) absolvieren konnte. In der Zeit hatte ich oft zwei Jobs. Vollzeit arbeiten plus den gesamten Haushalt incl. zweier Kinder. Wo ist mein Preis? ;-)

    Elternzeit hätte ich toll gefunden. Gab’s nur damals leider noch nicht.

  6. Mich stört ja hauptsächlich der Titel #Spitzenvater. So als wäre das Familienmodell allein dem Vater zu verdanken. Warum nicht einfach die Familie für eine nicht-stereotype Aufteilung prämieren, statt den Vater zum „Spitzenvater“ zu erheben.

  7. Der Spitzen Vater preis ist doch aber schon alt oder? Zumindest im letzten Jahr meine das es den auch gab. Nicht das ich den gut finde. Bin froh das ich einen Mann habe der sich nicht dafür feiern lässt seiner Pflicht nachzukommen. Preise für uns Frauen fände ich auch okay ??

  8. Sehe ich genauso. Außerdem vergibt ja Frau Detmers auch einen Preis für Frauen, und zwar seit 2002 den Preis „Managerin des Jahres“ wie @corinnanohn schreibt. Aus Detmers Sicht vollkommen nachvollziehbar auf beiden Seiten das Aufbrechen von Klischees zu belohnen.

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