Wählt links – das macht gesund, reich und alle Babys werden immer durchschlafen

Bahnhof

Die systematisierte Drittgenerationskontingenz hat in jüngster Vergangenheit zu einer Erhöhung der Aktionsparalaxe geführt. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die marxistischen Antidependenzen der allgemeinen Inkontertabilität zum Opfer gefallen sind.

Die ambivalente Aktionsebene torpediert an dieser Stelle die weltweit kompensierte Avisierung der induktiven Change-Management-Aktion der Hybridisierung.

Ich äh… so geht es mir manchmal wenn ich Texte lese. Ich versteh‘ einfach nix.

Frisch von der Uni hatte ich noch ein ganz beachtliches Arsenal an Fremdworten in meinem aktiven Wortschatz. Doch ach, das schnöde Alltagsleben, die duziduzi Kinder, vielleicht auch nur meine Altersverblödung… ich verstehe einfach immer weniger.

Die Welt ist zunehmend komplexer geworden. Wie soll ich das auch verstehen? Globalisierung, Bankensysteme, Immobilienmärkte, Gentrifizierung, Europa, der Nahostkonflikt, das US-Wahlsystem etc. etc. etc.

Alles viel zu komplex für mich um das wirklich zu verstehen. Ich bemühe mich. Lese „Zeitung“, lese Bücher, höre mir Vorträge, Paneldiskussionen und Podcasts an – doch am Ende… wie viel habe ich wirklich verstanden?

Hinzu kommt, was ich oben schreibe. Komplexe Zusammenhänge werden von klugen Menschen oft mit vielen Fremdworten, verschachtelten Sätzen, mit Exkursen und Studienergebnissen erklärt.

Mein internetkaputtes Gehirn, meine nervöse Aufmerksamkeitsspanne, mein Arbeitsspeicher, der mit Alltagsfragen gefüllt ist (wann muss ich die Kinder nochmal abholen? Hab ich das Fälligkeitsdatum ins Ticket geschrieben? Welchen Teil meiner Altersvorsorge kann ich nochmal steuerlich absetzen?) und mein dünnes Nervenkostüm zucken schon zusammen wenn ich auf einen Text stoße, der mit Longread gekennzeichnet ist. Ich bin schnell überfordert.

Ich glaube, es geht nicht nur mir so.

Ich verstehe die Welt nicht mehr

Warum erzähle ich das nochmal? Achja.

Ich bin auf der Suche nach Antworten. Spätestens nach dem Wahlsieg von Trump, der mich unvorbereitet in meiner zarten „zu 80% gewinnt Clinton“-Filterbubble erwischt hat, sorge ich mich ernsthaft.

Die AfD Wahlerfolge der jüngsten Vergangenheit, das Europa, das bröckelt, der Putsch in der Türkei… um mich herum bricht alles zusammen.

Und ich bleibe hilflos zurück. Wählen gehen. Ja, ja. Als würde das helfen. Ich gehe wählen seit ich 18 bin. Keinen fucking Volksentscheid habe ich ausgelassen. Immer Gebrauch von meiner Stimme gemacht. Und hat es geholfen?

Spoiler: Hat es nicht.

Und wird es für die nächste Bundestagswahl helfen?

Ich sach ma so: ich bin nicht zuversichtlich.

Ich weiß nicht, wie ich jetzt den gedanklichen Bogen bekomme, aber ich rätsle seit Monaten warum bestimmtes (rechtes) Gedankengut immer erfolgreicher wird.

Die Schlechtigkeit der Menschen alleine kanns nicht sein. Die Menschheit ist ja nicht plötzlich schlechter geworden. Aber irgendwie werden mehr Menschen mobilisiert sich erzkonservativen bis rechtem Gedankengut anzuschließen und während es immer mehr werden, „man“ nicht unsichtbar unter der 5% Hürde dahinkrepelt, kann „man“ sich auch gerne mal öffentlich bekennen, muss sich auf Pegida Demos nicht mehr schämen in laufende Kameras zu sprechen.

Aber warum ist das so?

Mich beschleicht das leise Gefühl, dass das Ganze etwas mit Komplexitätsreduktion zu tun hat.

Sag es einfach, dann kann man es verstehen

Die unverständliche, vielschichtige Welt macht vielen Menschen Angst. Es wird immer schwerer einen stabilen Erwartungshorizont zu bilden, sichere Vorhersagen über die Zukunft zu machen. Was genau erwartet uns?

Düster sieht die Zukunft aus. Ungewiss. Auf jeden Fall wirds nicht besser werden. Mehr Geld werden wir auch nicht haben.

Und wer oder was ist schuld?

Da will man nun nicht lange in irgendwelchen multikausalen Erklärungsmodellen rumgraben.

Es gibt doch einfache Antworten: Die Ausländer, die Frauen, die linksversifften Gutmenschen und die Veränderung an sich.

Daraus lassen sich schöne Parolen stricken. Ganz wunderbar einfache wenn-dann-Beziehungen. Scheinbar höchst logische Zusammenhänge.

Die kann man sich merken, die kann man verstehen, die kann man wiederholen.

Mit dem „Danke Merkel„-Mem kann man sich über solche vereinfachten Zusammenhänge lustig machen. Egal was ist, egal was stört, Frau Merkel ist schuld. Die Milch ist sauer? Danke, Merkel! Der Lidstrick verwischt. Na, vielen Dank, Frau Merkel. U-bahn verpasst. Danke, Merkel.

Ich glaube, das ist, was die Rechten „richtig“ machen. Komplizierte Zusammenhänge einfach erklären und dabei auch einen scheiß darauf geben, was die Statistik oder sonstige Analysen sagen.

Dir gehts schlecht? Die Flüchtlinge sind schuld.

Die Rente ist knapp? Die Ausländer im allgemeinen sind schuld.

Dein Job ist weg? Die Frauenquote ist schuld.

Kann man sich dann auf Schilder malen oder vor sich her schreien.

Die Linken hingegen: An den niedrigen Renten ist die Riester Rente und die Agenda 2010 schuld, die zwar mehr Menschen Arbeit verschaffte, allerdings in prekären Arbeitsverhältnissen. Es war absehbar, dass das Rentensystem erodieren würde.

(Ich hätte das jetzt noch komplizierter schreiben können, aber der Unterschied wird deutlich. Schreiben Sie sich mal ein Demo-Schild zu diesen Zusammenhängen…)

Sie erklären sich zu Tode.

Was ich sagen will: Ich sehe Rettung in der Veränderung der Sprache und zwar die der sogenannten Linken/Linksintellektuellen.

Keine Vorträge mehr, sondern klare Ideen

Es geht eben nicht darum in ellenlangen Doktorarbeiten mit Fakten aufzufahren, sondern darum die linken humanistischen Ideen einfach runterzubrechen.

Ich weiß auch nicht genau, wie das gehen soll. Ich selbst bin nicht in der Lage die entsprechenden Narrative himmelherrgott Parolen und Schlagworte zu erfinden – aber vielleicht gibt es andere. Andere, wortgewandte Menschen, die schaffen all das, was ich für erstrebenswert halte (Umweltschutz, Toleranz, Gleichberechtigung, Sozialsysteme, Europa, Menschenrechte) in kurze, knackige Botschaften zu packen und damit unsichere Wähler:innen oder Nichtwähler:innen zu erreichen.

Ach, mir gelingt es nicht alle Gedanken auf einen Punkt einzudampfen. Deswegen hole mich mir Hilfe:

Wenn es um den politischen Diskurs mit dem politischen Gegner geht, versuchen die braven Bürger […] zu überzeugen. Wir glauben, dass wir mit besseren Argumenten die wachsende Gruppe an Obskuranten in die Mitte der Gesellschaft zurückführen können. Wir hoffen auf unseren Humanismus und stehen sprachlos vor Trump’schen Methoden der “postfaktischen Welt”, in der egal ist, was stimmt und was nicht stimmt.

[…]

Während uns der politische Gegner mit Halbwahrheiten und Gerüchten manipuliert, widerkaubares Infofutter serviert und Wähler vom Wählen abhält, glauben wir immer noch, dass wir die Neue Rechte mit guten Argumenten überzeugen können.

Quelle: Liberale müssen Populismus lernen

Werden wir aber wohl nicht können. Und in der Kindererziehung ist es ganz einfach (um mal was als Mutti zu sagen): Wenn eine bestimmte Erziehungsmethode nicht wirkt, dann wirkt es leider auch nicht wenn man diese Erziehungsmethode hundert mal einsetzt. Was hilft, ist meistens mal was neues zu probieren. Was völlig anderes. Irgendwas, gegen das das Kind nicht schon eine Immunität ausgebildet hat.

Und vielleicht ist es an der Zeit, dass nicht mehr doziert wird und die komplexe Welt in multivariaten Varianzanalysen auseinander genommen wird, sondern es ist an der Zeit alles in schöne kleine, gut zu verdauende Häppchen zu schnippeln.

Nur dass wir linksversifften Gutmenschen im Genderwahn den Belag der Häppchen selbst bestimmen.

201 Gedanken zu „Wählt links – das macht gesund, reich und alle Babys werden immer durchschlafen“

  1. Danke für den Artikel, der nicht nur deine Gefühle, liebe Patricia, sondern wenn ich mich so umhöre die Gefühle sehr vieler Menschen gut widerspiegelt. Die Frage „Was tun?“ hat mich im vergangenen Jahr viele Wochen lang umgetrieben, bis ich mich zu dieser Lösung durchgerungen habe:

    Wir müssen die Politik ändern! Wir müssen die Politik überhaupt erstmal wiederentdecken und die riesige Kluft zwischen den heute handelnden Politikern/Parteien und der Gesellschaft beseitigen. Damit aus „Regierung und Staat, das sind die da oben“ wieder ein „Staat, das sind wir alle zusammen“ wird.

    Obwohl sich unsere Gesellschaft rasend schnell verändert und laufend neue Herausforderungen auftauchen, die über unsere Zukunft entscheiden, gibt Politik die immer gleichen Antworten auf die immer gleichen Fragen.

    Die daraus resultierende Unzufriedenheit der Menschen nutzt der neue Rechtspopulismus in Deutschland, Europa und in den USA aus.

    Ich denke, dass wir dazu eine Gegenbewegung schaffen müssen. Eine Bewegung, die echte, zukunftsfähige Alternativen entwickelt. Eine, die relevante Fragen für heute und morgen stellt und nicht suggeriert, darauf alle Antworten zu kennen – sondern in Form einer modernen Bürgergesellschaft den verschiedenen Meinungen aus Wissenschaft, NGOs, Institutionen etc. zuhört und die Menschen einlädt, sich zu beteiligen.

    Ich glaube, unser heutiges Parteiensystem muss drastisch modernisiert werden, um im globalisierten und digitalisierten Zeitalter noch handlungsfähig zu sein. Da ich mir nicht vorstellen kann, wie man auf das geschlossene politische System von außen Einfluss ausüben soll, denke ich, dass dafür eine Partei nötig ist.

    Und diese Partei möchte ich gründen.

    In der Huffington Post habe ich vor Weihnachten über meine genaue Motivation geschrieben: http://www.huffingtonpost.de/alexander-plitsch/momentum-parteigruendung-politik_b_13786730.html?utm_hp_ref=germany

  2. Allein dass hier darüber so viele (in einem doch recht moderaten Ton) streiten, finde ich schon gut.

    Ob und wieweit eine „einfache Sprache“ bzw. „einfache Antworten“ etwas verändern, weiß ich. Eine gut verständliche und schöne Sprache schadet aber ganz sicher nicht. Doch egal ob einfach oder schön – wir brauchen Orte, an denen wir überhaupt (wieder) ins Gespräch kommen, einander zuhören und miteinander streiten. Ich überleg, ob ich einen ausgebauten Bus organisiere, quer durch die Landschaft fahre und die Leute zum Tee einlade… fährt jemand mit mir mit?

  3. Zitat: „Dir geht‘s schlecht? Die Flüchtlinge sind schuld.“

    Der gemeine AfD Wähler wird sich eher denken:
    Der moderne Wandel ist mir unbehaglich, die Politiker*innen haben mich nicht danach gefragt, geschweige denn nett dazu eingeladen.
    Ich habe weniger Geld, die Staatsquote ist gigantisch, das Grundgesetz gilt nichts mehr und Grenzen seien nun postfaktisch.
    Die hier gestrandeten Wirtschaftsmigranten (u.a. aber auch Flüchtlinge) sind sichtbare Konsequenz des Staatsversagens der Großen Koalition. Diese Politik sei alternativlos, was ich nicht glaube.
    Ich mag die Populisten nicht, aber wenn etwas schief läuft und niemand aus dem Mainstream mehr darüber spricht, fühle ich mich entmündigt und protestiere in der mir letzt verbliebenen Form: in der Wahlkabine.

    Zitat: „Die Rente ist knapp? Die Ausländer im Allgemeinen sind schuld.“

    Der gemeine AfD Wähler wird sich eher denken:
    Der neoliberale Wirtschaftskurs der großen Parteien seit den 1990ern hat die Rentenkrise weiter verschärft. Die etablierten Parteien sind schuld, dass die Rente nicht zum Leben reicht. Aber die Sozialsysteme werden auf die illegal eingereisten Wirtschaftsmigranten (u.a. aber auch Kriegsflüchtlinge) spendabel ausgeweitet, aber weder meine Rente noch die Außengrenzen können befestigt werden. Wieder sind die sichtbaren Wirtschaftsmigranten muslimischer Herkunft, die sich kulturell weder anpassen noch assimilieren können/möchten (siehe No-Go Areas in dt. Großstädten), sichtbarer Ausdruck des Politikversagens der etablierten Parteien.

    Zitat: „Dein Job ist weg? Die Frauenquote ist schuld.“

    Der gemeine AfD Wähler wird sich eher denken: Im öffentlichen Dienst habe ich als weißer Mann keine Chance eingestellt zu werden, da fast immer die minderqualifizierte Frau, alleinerziehende Mutter oder inzwischen die Frau mit Kopftuch (obwohl, die weniger Europäische Sprachen beherrscht als ich) vom Gewerkschaftsgesättigten Personalrat eingesetzt wird.
    Die Bevorzugung von Minderheiten, die eben nicht die gleiche Qualifikation besitzen, ist politisch forciert und bringt mich zur Erkenntnis, dass die von der Mainstream-Politik, die diese Frauenquote durchsetzt, Schuld ist.

    Das sind keine schönen Gedanken, sie sind den meisten in Deutschland lebenden Menschen gegenüber eher ungerecht und sie sind egoistisch. Aber ich könnte mir vorstellen, dass einige wenige AfD-Wähler so oder so ähnlich denken.

    Meine Frage:
    Wie bekommt man diese Menschen dazu in der Wahlkabine wieder das Kreuz bei einer etablierten und auf Konsensorientierten Partei zu setzen?

  4. Der Gedanke ist nun nicht neu… „Atomkraft nein danke“ und so, ich lief in den frühen 80ern an der Hand meines Vaters bei den Demos mit. Heute wählen beide Eltern eher konservativ und meine Mutter sieht das Problem nicht bei unterschiedlichem Spielzeug für Jungs und Mädchen, wo sie doch früher die Emma abonniert hatte. Verstehen tu ich das nicht – hat wohl mit sich was hart erarbeitet haben zu tun oder irgendwie so.
    Wenn ich mit ihr diskutiere, dass Deutschland nicht die Islamisierung droht, kann ich meine Gedanken so einfach fassen, wie ich will, ich bin dann eben zu naiv oder blauäugig in ihren Augen. An der Stelle ist einfach Schluss. Ich verstehe, was sie meint, aber hier bringen Argumente einfach nichts mehr, um das zu ändern… Ich habe keine Lösung. Der Rechtsruck passiert wohl. Alles, was ich tun kann, ist meinen Kindern weiterzugeben, dass das falsch ist. Ich hätte es mir für sie so sehr anders gewünscht. Eine Star-Trek-Welt. Mein Freund meint immer, vielleicht brauchen wir davor eben auch mal Tabula Rasa…

  5. Zu klarer und einfacher Sprache: Ja, kostet Überwindung, weil es vereinfacht. Aber da gibt es einen einfachen Reality Check: Mit Kindern über Politik reden. Z.B. Einem 8-jährigen erklären, wo ich das Problem an Trump sehe. Und plötzlich läufts mit den einfachen klaren Botschaften.

    Beispiel
    Trump sagt,
    Dass er Ausländer, als Menschen von woanders weg schicken will, weil sie sonst Einheimischen was wegnehmen
    Dass er besser über das Leben der Amerikaner entscheiden kann, weil er reich ist
    Dass es keinen Klimawandel gibt (erboster Aufschrei des Kindes)

  6. Hier eine Analyse aus eher linker Sicht, die aber die Ursachen des „Aufstandes von Rechts“ weitgehend nüchtern und ohne Scheuklappen in den Blick nimmt.

    https://le-bohemien.net/2016/11/14/donald-trump-ist-die-quittung/

    Vor rund zehn Jahren habe ich die politischen Ufer gewechselt, was ich als große denkerische Befreiung empfunden habe. Es hatte jedenfalls nichts damit zu tun, dass linke Botschaften zu schwer verständlich für mich sind. Im Gegenteil, tagein, tagaus werden sie einem ja in allen Schattierungen und auf allen Kanälen vorgekaut. Die gesamte öffentliche Kommunikation ist in gewisser Weise davon bestimmt, den „Anfängen zu wehren“ und „aufklärerisch“ und pädagogisch von oben herab zu predigen.

    Der „Kampf gegen Rechts“ findet sowohl symbolisch, als auch konkret, sowohl durchdacht und moderat als auch blind und fanatisch statt. Er bestimmt(e) die Grenzen des Sagbaren und engt(e) es außerdem immer weiter ein.

    Zu Denken, dass Rechte linksliberale Standpunkte einfach noch nicht gut genug kennen (diese sind omnipräsent) oder nicht in der Lage wären, diese geistig nachzuvollziehen – das ist ein geradezu rührender, jedenfalls sehr erheiternder Gedanke für mich. Umgekehrt wird eher ein Schuh draus.

    Die große Mehrheit der Linken weiß sehr wenig über Rechte und ihre Gefühle. Vor lauter schabalonenhafter Feindbilder können sie den einzelnen Menschen und dessen Gedanken gar nicht wirklich wahrnehmen. Also genaus das, was wiederum bis zum Erbrechen den Rechten oder wahlweise auch Konservativen vorgehalten wird: mangelnde Differenzierung.

    Solange man die gesellschaftliche Macht dazu hatte, war man jedenfalls zufrieden damit, Störendes wegzudrücken und Unliebsamen das „Mikro abzudrehen“.

    Dass sich das irgendwann rächen würde, war mir schon länger sonnenklar.

    Bis „die Linke“ in Deutschland allerdings aus ihren Fehlern lernt und einen weniger bornierten und intoleranten Kommunikationsstil entwickelt, wird es meiner Erwartung nach noch weit herberer Niederlagen und „Schocks“ bedürfen als bisher. Dazu gibt es viel zu wenig pragmatische Persönlichkeiten wie etwa Boris Palmer.

  7. Links-grün-versifft bitte. ;) Ich denke da auch schon länger drüber nach. Die vielen Leute, die bei Pegida und Co. mitliefen und teilweise immer noch -laufen, das können ja nicht alles stramme Rechtsradikale sein. Ich habe ein bisschen das Gefühl – und ich merke das auch bei mir selbst -, die Leute haben Angst, dass aus ihrer einst heimeligen einfachen Welt nun eine große komplexe wird und das VOR ALLEM nicht mehr rückgängig zu machen ist, wenn nicht ENDLICH WAS PASSIERT(!!!11!). Wer soll darauf Antworten haben? Die kaum mehr existente Linke nicht, die ebenso zumindest im früheren Sinne nicht mehr existente Konservative auch nicht. Was die meisten derer, die sich in Angst wähnen, wahrscheinlich wollen, ist eine kleine einfache Welt, am besten mit einem Zaun drum, den man bei Bedarf öffnen kann, um rauszugehen oder jemanden reinzulassen. Wie du schon schreibst: Alles in verständliche Häppchen portioniert, sodass niemand das Gefühl hat, abgehängt zu werden, die komplexen Zusammenhänge nicht mehr zu verstehen.

    Darauf hat aber keiner ’ne Antwort, weil diese Antwort eine derartige Vereinfachung wäre, dass sie in eine Lüge gipfeln müsste. Moment … (Achtung, Exkurs Ironie) Ah, da gibt’s doch die AfD, die genau das verspricht. Ja gut, die bringt auch ein bisschen Rassismus mit, aber die klauenden und grabschenden Flüchtlinge sind ja eh blöd und sollen zurück nach Hause, und okay, die haben was gegen Homosexuelle, aber man kann es ja nicht allen recht machen, nech? (Exkurs Ende) Es scheint mir, die Leute würden Parteien wie die AfD wählen, weil die eben Antworten auf einfache Ängste versprechen und die ganze Hetzte, die von dieser Partei (und anderen) ausgeht, ist zwar vielleicht unschön, aber das kann man ja als Kollateralschaden abtun. DAS ist, was mich eigentlich traurig daran stimmt – diese Verantwortungslosigkeit, wenn es um das eigene vermeintliche Wohl geht.

    Aber was dagegen tun? Die Linken wieder links sein lassen und die Konservativen so weit rechts außen, dass – frei nach Strauß – keiner mehr rechts daneben passt? Käme man damit der gesellschaftspolitischen Realität entgegen? Käme dann ein Sommer, wie er früher einmal war? Wahrscheinlich nicht. Was also machen? Ich hab auch keine Ahnung.

    1. Im Übrigen finde ich die Kommentare hier teilweise wirklich übel. Es muss doch wohl möglich sein, konservativ oder links zu sein, OHNE dass man sich gegenseitig Blödheit vorwirft. Sonst brauchen wir auch keinen Diskurs mehr. :( So, das musste ich noch loswerden.

  8. gut geschrieben, aber ich mag die grundidee nicht so sonderlich, auch weil mein meinungsbildungsprozess dazu noch nicht abgeschlossen ist. aber die idee des linken populismus mag ich nicht und die idee, dass intellektuelle irgendwie an allem schuld sind, sei es weil sie falsch sprechen, den kontakt mit dem boden/den „leuten“ verloren hätten oder weil sie zu stark differenzieren, wenn man doch vereinfachen könnte, mag ich nicht.
    die niederen beweggründe, die viele der rechten narrative ansprechen, sind eben auch einfach effektiv. aber deren effizienz rechtfertigt keinesfalls deren benutzung, auch für eine vermeintlich gute, linke oder liberale sache.
    oder andersrum gedacht: neid, missgunst, identitätsstiftung auf kosten „anderer“ ist nicht per se rechts, aus linken ecken kommt das auch immer wieder, die rechten sind einfach arschig genug diese methoden durchgängig und in ihre ideologie eingebettet anzuwenden. durch die analyse dieser methoden kann man sicher viel lernen, aber man sollte sich davor hüten, sie für eine art linken populismus zu nutzen. menschlichkeit, empathie, gerechtigkeit oder ambiguitätstoleranz können von mir aus beliebig popularisiert werden, aber das hat sich in der vergangenheit als ziemlich schwer herausgestellt.
    je länger man darüber nachdenkt, desto komplizierter wirds. klar, über gründe und wege mit den jüngsten rechtsrücken umzugehen, muss unbedingt nachgedacht werden, aber zwei, drei grundgedanken die du hier (abgeschwächt) ins spiel bringst, behagen mir nicht wirklich, obwohl ich grundsätzlich auch für vereinfachung, gegen elitarismus oder ausgrenzung durch sprache und habitus bin.
    unterm strich hört sich das alles ein bisschen danach an, wie die these, der feminismus scheitert, weil die frauen den männern nicht genug verständnis entgegenbringen oder sie nicht am stammtisch abholen.

    1. Mir geht es nicht um Schuldzuweisungen sondern die Frage, ob es irgendeine Methode gibt, die mobilisiert. Erklären und Differenzieren interessiert ja im rechten Lager nicht so sehr (Lügenpresse!) und bringt offensichtlich auch fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler nicht dazu, wählen zu gehen.

      Ich möchte eigentlich auch, dass man sich sachlich und faktenbasiert und kultiviert auseinandersetzt. Wenn das aber nicht hilft, dann will ich wenigstens nicht, dass rechte Idiologien immer mehr Einfluss in unserer Regierung bekommen.

      Und ja – am Ende kaschiert das alles nicht, dass es offensichtlich Menschen gibt, die ihr eigenes Wohl über das Wohl anderer stellen und lieber auf Minderheiten und nach unten treten, um sich selbst zu erhöhen. Und diese Menschen scheinen die Gunst der Stunde gerade zu nutzen und je mehr und je lauter sie sind, desto weniger schämen sich andere, die ähnliche Gedanken haben, sich hinzuzugesellen.

      Abschließend zum Feminismusding (haut ja volle Kanne in meine persönliche Kerbe): ich habe sehr lange die Position vertreten, dass man das Maximale fordern muss und dass man nicht jeden Furz in den Himmel loben muss, den ein Mann in Hinblick auf Gleichstellung „Gutes“ tut.
      Meine Position bröckelt aber langsam, weil ich das Gefühl habe, es wird hier nichts erreicht.
      Vielleicht muss man wohl oder übel die Politik der kleinen Schritte gehen und dann eben auch einen Gabriel loben, dass er überhaupt thematisiert, dass es die Möglichkeit gibt als Mann in Elternzeit zu gehen (auch wenn er es dann natürlich nicht tut).
      Das ist sehr bitter. Aber auch hier: Mehr von dem Gleichen bringt mich nicht näher ans Ziel leider.

      1. Habe heute Deutschlandfunk gehört. Da wurde thematisiert ob Gabriel Kanzlerkandidat werden könnte. Und das ja auch ein Kind ansteht…und dass da zu Hause sicherlich auch noch gesprochen werden muss. Find ich eine MEGA Veränderung. Hätte sich jemand zu Adenauers Zeiten oder Kohl vorstellen können, dass ein Kind mehr oder weniger irgendwie thematisiert worden und als eventuelle Einschränkung hätte gehen können?

        Ob große oder kleine Schritte richtig sind, keine Ahnung…aber es hat schon was geändert.

        1. Passt nicht zum Artikel von dasnuf (den ich sehr aufmerksam lese, samt aller Kommentare!), aber zum Thema Männer und Elternzeit. In einer gewissen Blase (nicht im Internet, aber in gewissen linksliberal geprägten Städten oder Stadtteilen) mag es sich irre anhören, dass ein Politiker gelobt wird, weil er erwähnt, dass er ein Kind bekommt und bekannt gibt, deshalb NICHT in Elternzeit zu gehen. – Wie bitte, das ist irgendwie fortschrittlich? Ist das überhaupt News??!! –
          Auf dem Land (zumindest hier) ist der Ausgangspunkt ein anderer. Ich erwähnte gegenüber einer Dame, dass mein Mann einer der 3 Lehrer sei, die innerhalb eines Schuljahres fast zeitgleich in Elternzeit gingen. Die Dame, die Mutter einer der betroffenen Schülerinnen ist, darauf in etwa so: „Das hat an der Schule so ein Durcheinander erzeugt. Aber naja, heutzutage können wohl auch Männer in Elternzeit gehen“. – JA, das ist „heutzutage“ erlaubt. Die dürfen das! – Auch wenn sie kaum Verständnis dafür bekommen. Ich bin jedenfalls stolz drauf, dass mein Mann (nebst einigen anderen Männern) dies entgegen (!) dem Kopfschütteln zahlreicher Gleichaltriger einfach getan hat.

  9. ******************KOMMENTAROMAT**********************
    Gerne gelesen
    *****************/KOMMENTAROMAT**********************

    PS: „Dein Job ist weg? Die Frauenquote ist schuld.“ – und was macht eine Frau, deren Job auch bald weg ist? Der Frauenquote die Schuld zu geben, wäre m.E. in jenem Fall so ziemlich absurd.
    PPS: Bei den vielen Fremdwörtern bzw. Fachbezeichnungen im ersten Absatz hätte ich auch meine Schwierigkeiten; womit ich aber noch viel größere Schwierigkeiten habe, sind die vielen Abkürzungen, die mir täglich in meinem Berufsleben begegnen. Das geht auf keine Kuhhaut.

  10. Programm der Linke (sogar in einfacher Sprache): https://www.die-linke.de/fileadmin/download/dokumente/ls_linke_praeambel_mit_bildern.pdf
    Da kann man doch die Überschriften super auf Plakate schreiben. Ob das weniger populistisch ist, und diejenigen mit Hoffnung auf Änderung mehr davon haben bezweifle ich. Insofern stimme ich Tigerbabe zu. Aber: ich denke doch, dass der entscheidende Unterschied zwischen rechts und links ist, dass die Rechten auf Wehrlose und eigentlich Schutzbedürftige einhacken, und die Linken auf die Wehrhaften und Starken.

  11. Wir sind wieder einmal nicht einer Meinung. Die Banken sind schuld, die Unternehmen sind schuld, die Kapitalisten sind schuld, die Rechten sind schuld. Sind das keine einfache Botschaften ? Kann man doch wunderbar auf ein Stück Pappe malen und vor sich ( auch geistig ) hertragen. Ich bin oft entsetzt über die Simplizität der linken Weltsicht, die der rechten in Dummheit und Primitivität in nichts nachsteht. #SorryNuf.

    1. Wie ich in einem anderen Beitrag mal schrieb: ich kann gut mit anderen Meinungen leben.
      Was ich nicht in Ordnung finde, sind (egal ob direkt oder implizit) Beleidigungen.
      Wenn man den Vorwurf der Dummheit und Primitivität in Deinem Kommentar weglässt, hat er auch eine Aussage. Der sachlichen Auseinandersetzung wäre das sehr dienlich.

  12. Ich stimme grundsätzlich zu: Die Trump-Wahl und der Vormarsch der Rechtspopulisten haben wohl damit zu tun, dass immer mehr Menschen einfache Ansagen und (scheinbar) klare Lösungsvorschläge wollen. Darauf mit einer Art „Linkspopulismus“ zu reagieren liegt nahe. Aber die Frage, die sich mir dabei aufdrängt, ist: Warum finden es so viele Menschen gar nicht mehr erstrebenswert, sich gründlich zu informieren und selber nachzudenken? Oder anders gefragt: Warum ist selber denken nicht (mehr) sexy? Ein mulmiges Gefühl sagt mir, dass sich hinter dieser Frage der eigentliche Abgrund auftut …

    1. Ich glaube, das war noch nie so angesagt, das Denken und Sichinformieren.
      Wenn ich es richtig verstanden habe, sind es ja v.a. bisherige Nichtwähler:innen, die (zumindest in D) AfD und Co. wählen. Da geht es also um Mobilisierung. Deswegen der Gedanke, dass vielleicht der Rest der durchschnittlich 40%, die nie wählen gehen, irgendwie zum Guten™ mobilisiert werden könnten.

      Alle anderen Interessierten, sollen sich bitte weiter informieren und bemühen.

      1. Ja, damit wäre schon viel gewonnen!
        Noch eine Ergänzung, die mir hier wichtig scheint: Polybios (und nach ihm noch viele andere) hat im 2. Jhd. v. Chr. über den sogenannten „Verfassungskreislauf“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungskreislauf) geschrieben. Stark vereinfacht ist damit gemeint, dass Regierungsformen einer Art natürlicher Degeneration unterworfen sind. (Auf http://www.anacyclosis.org/ ist das sehr anschaulich dargestellt.) Für die Demokratie würde das bedeuten, dass am Anfang die Menschen motiviert und interessiert sind und ihre neuen Rechte und Pflichten gewissenhaft und mit Freude wahrnehmen. Mit der Zeit werden diese Rechte aber zur Gewohnheit und die Pflichten (z.B. sich zu informieren, bevor man seine Stimme abgibt) zur mühevollen Last. Von da an entwickelt sich die Demokratie (Herrschaft aller) zur Ochlokratie (Herrschaft des Pöbels – man verzeihe die heute nicht mehr korrekte Wortwahl). An diesem Punkt kann ein potentieller Despot seine Chance wittern. Die träge gewordene Masse lässt sich manipulieren, sie lässt zu, dass ihr Informationen vorenthalten werden (Pressefreiheit!) und sie folgt fügsam dem vermeintlichen starken (An-)Führer.
        Das klingt wirklich gefährlich, nicht wahr? Und das ist es auch.

  13. Sehr schöner Text. Ich denke auch, dass es einfacherer Sprache bedarf, um humanistische Ansichten zu verbreiten.

    Allerdings finde ich es schwierig die Komplexität komplett raus zu nehmen. Denn die Welt ist eben nun mal komplex und nicht so simpel wie Pegida sie gern hätte.

    Außerdem habe ich ja schon das Bedürfnis mein Gegenüber zu überzeugen. Ich will ja eben nicht, dass die Leute jemanden einfach alles nachplappern ohne drüber nachzudenken.

    Doch dann muss ich dir wieder Recht geben: wenn eine Methode nicht funktioniert, muss man wohl etwas anderes probieren.

    Es fällt mir nur leider ziemlich schwer mich damit abzufinden, dass die alte Methode tatsächlich nichts bringt.

  14. Ich probiers mal:
    „Die Deutschen machen zu wenig Kinder. Deshalb haben wir später zu wenig Leute, die meine Rente bezahlen. Wir brauchen mehr Ausländer(kinder) um später mehr Rente zu haben.“

    Aber das ist vermutlich immer noch zu lang…

    1. Ja es ist wirklich schwierig. Mein Kniereflex sagt dann nämlich sofort, dass alle Ausländer arbeitslos sind (alle!) und uns nur Geld kosten!1!1!elf

    2. Problem daran ist, dass der Satz „machen zu wenig Kinder“ schonmal für mich nicht stimmig ist und somit die Grundaussage schief läuft. Menschen sollten soviele Kinder bekommen, wie sie möchten, und nicht, wieviel der Rentenkasse gut tut. Das erste ist eine auf die Menschen bezogene Politik, das zweite Bevölkerungspolitik – und darauf hab ich persönlich keine Lust.

      Mein Alternativ-Entwurf:
      Jeder möge so viele Kinder bekommen, wie er/sie möchte. Wenn Menschen wegen der Lebens- und Arbeitsbedingungen viel weniger Kinder bekommen als sie möchten, dann läuft etwas schief. Und dann brauchen wir eine andere Familienpolitik, die an den Stellschrauben für Arbeit und Leben schraubt, bis es passt. Und ein Rahmen entsteht, in dem Familien ein gutes Leben miteinander leben können.

    1. Frau Nessy hat zwar richtig erkannt:

      „Er hat Angst. Er hat Wut. Und er hat niemanden, der ihn unterstützt…. weil es nur noch „Wir schaffen das!“ gibt…auf seine, Thomas‘, Kosten.“

      Ich bezweifle aber, dass das alleine an der Agenda 2010 liegt. Thomas bezahlt für viele Projekte, die ihm von Politik und Medien als alternativlos dargestellt werden: Über seine Stromrechnung bezahlt Thomas nicht zu knapp für die Energiewende, seine Lebensversicherung erwirtschaftet dank Eurorettung und Nullzinspolitik keine Erträge mehr, die Kosten der unkontrollierten Aufnahme von Flüchtlingen, muss er über Steuern und Abgaben mitfinanzieren. Man kann, ohne rechtsextrem oder rechtspopulistisch zu sein, mit guten Argumenten alles davon ablehnen, aber welche Partei soll jemand wie Thomas dann wählen?

      Wenn innerhalb der etablierten Parteien nicht mehr über vom vermeintlichen Konsens abweichende Meinungen gestritten wird, ist es so verwunderlich, dass AfD (und in Teilen die Linke) diese Themen dann aufgreifen?

      Leute wie Thomas sind nicht latent rechtsextrem und haben nur auf die „richtige“ Partei gewartet, um endlich ihren Hass auszuleben. Die erfahren einfach unmittelbar am eigenen Geldbeutel, dass sie für hehre Projekte anderer zahlen sollen, von denen sie selber nichts haben.

      1. „_unkontrollierten Aufnahme_ von Flüchtlingen“ – allein diese Formulierung… (inhaltlich ist das einfach falsch)

        und ich werde diese Logik nie verstehen „hehre Projekte anderer“… etwas für die Solidargemeinschaft zu tun (und zu bezahlen) hilft einem am Ende auch selbst. Das ist das Grundprinzip. Natürlich hat auch Thomas am Ende was davon.

        1. Also dass 2015 eine Zeit lang ein Kontrollverlust stattgefunden hat, lässt sich wohl kaum bestreiten. Um den und seine Folgen ging es mir bei der Wortwahl, nicht um die grundsätzliche Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen. Mittlerweile läuft es ja geregelt.

          Mit „hehre Projekte anderer“ war nicht das Sozialstaatsprinzip gemeint.

          Ich nannte als Beispiel das Projekt Energiewende, das in der Theorie gut gemeint ist (wer hätte schon grundsätzlich etwas gegen saubere Energie), in der Realität aber nicht so funktioniert, wie ursprünglich gedacht und stattdessen mehr und mehr Kosten verursacht, die auf Thomas Stromrechnung wieder auftauchen, ohne dass er davon etwas hat.

          Oder eine Banken- / Eurorettung, über die nicht im Parlament gestritten, sondern die abgenickt wird, weil als „alternativlos“ dargestellt, deren Folgen aber Kleinsparer unmittelbar betreffen.

          Das hat mit dem Einzahlen in die Solidargemeinschaft (die ich nicht ablehne) nichts zu tun.

  15. Ich find das ultraschwierig, weil in dem Moment, wo man seine Argumentation zu vereinfachen versucht, um gehört zu werden, lässt man so viele Fakten und Zusammenhänge weg, so dass man sich schon wieder angreifbar macht. Denn genau das ist dann der Moment, wo die Verfechter von simplizistischen Erklärungen plötzlich doch anfangen, Argumente (oder Verschwörungstheorien) aufzufahren.

  16. „um mich herum bricht alles zusammen.“

    Ich frage mich ja immer wo dieser Pessimismus herkommt, vielleicht ist das auch Teil des Problems? Diese diffuse Angst das alles irgendwie schlimmer wird, während ein türkischer Militärputsch für 99% der Deutschen überhaupt keine spürbaren negativen Auswirkungen hat? Genauso wie die handvoll Flüchtlinge in Ostdeutschland gegen die so fleißig demonstriert wird…

    Ich vermisse in der Politik vor allem positive Zukunftsvisionen, gefühlt geht es ständig nur darum irgendwelche Entwicklungen aufzuhalten oder zu verlangsamen. Das geht ja schon bei der großen Koalition los, wo ist die Alternative zu vier weiteren Jahren „weiter so“?

  17. Mir macht das auch Angst. Und zwar ganz besonders weil ich Papa geworden bin. Selbst durch meine eigene Familie geht inzwischen ein Riss (siehe http://www.stadtpapa.de/2016/10/was-mich-wirklich-umtreibt/).

    Natürlich liegt es auch an den Angeboten zur Komplexitätsreduktion. Demokratie ist das Bohren von verdammt dicken Brettern. Sehr viele Leute reden mit, sehr viele Meinungen kommen zusammen. Funktioniert es, dann werden Meinungen der Ränder auf dem Weg in die Mitte (und damit zum Konzens und zur Umsetzung) abgeschliffen. Nicht die Meinung Einzelner, sondern der Mehrheit zählt eben. Aber so haben eben auch Ideologien in der Regel so keine Chance. Was aber nun passiert ist das Wegbrechen der Mitte. Die Ränder wachsen und die Mehrheit der Mitte schwindet. Dazu kommt das allgemeine politische Desinteresse. Ich bin überzeugt, dass die aktuellen Probleme viele Ursachen haben und da – wie immer bei komplexen gesellschaftlichen Themen – einige Dinge zusammentreffen. Auch die immer sichtbarer werdende Tatsache, dass die Welt enger zusammenwächst und kleiner wird, zwingt uns alle zum Teilen und damit zur Aufgabe von geliebtem Luxus. Ja, was in Syrien und Afrika passiert hat eben inzwischen direkte Auswirkungen auf uns in Europa.

    Was mich aber wirklich sehr stört ist dieses stände #systemkrank. Jaja, es ist sehr sehr einfach auf „DAS SYSTEM“ zu schimpfen. Schön abstrakt das Ganze, schön weit weg und ganz sicher ist niemand von uns DAS SYSTEM. Leider gibt es aber keinen von uns der außerhalb der Gesellschaft steht. Es reicht nicht Tweets zu verfassen um die Gesellschaft zu ändern. Es ist auch nicht nur die Aufgabe von Politikern. Es ist die Aufgabe eines jeden Einzelnen. Aber wo sind die Leute, wenn es um politische Willensbildung geht? Gemeinderat? Nö, zu viel Arbeit – wer will denn schon für 20 Kröten pro Sitzung nachts vorher noch 80-Seiten-Dokumente durcharbeiten? Parteitage oder auch nur Mitgliedschaft in einer Partei? Och nöö, Samstags schlafen alle lieber aus statt aufm Marktplatz zu stehen. Ehrenamt in der Wohlfahrtspflege oder einem sozialen Verein? Lieber nicht, da verpasst man abends dann möglicherweise noch den Tatort. Dasselbe gilt dann für Gewerkschaften, die eigentlich DAS Mittel gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse sein könnten. Aber wer von all den Meckerern ist denn Gewerkschaftsmitglied? Kostet ja nur wieder Kohle und bringt mir so direkt ja nix.

    Jeder ist heute sich selbst der Nähste. Die Mitgliederzahlen aller deutschen Wohlfahrtsverbände, vom DRK bis zur AWO gehen seit Jahren drastisch zurück. Mit Zahl der Parteimitglieder sinkt kontinuierlich in allen Parteien – mit Ausnahme der AfD aktuell. Gewerkschaften haben Probleme neue Mitglieder zu finden und selbst Fußballvereine klagen vermehrt über fehlende Ehrenamtler. Bei den Blogs setzt sich der Trend da gerade fort – Geld geht vor Inhalten und jeder scheint sich über die Zahl seiner Kooperationen und Follower zu definieren. Es wird Kohle für Facebook und Twitter Werbung rausgehauen um die Reichweite zu maximieren. Eine Spende für WordPress ist nicht drin. Warum auch? Ist ja kostenlos, die Leute sind doch selbst schuld wenn sie das programmieren.

    Die Gesellschaft befindet sich auf einem Ego-Trip. Gesellschaft wird immer mehr als „die da“ wahrgenommen und statt anzupacken wird viel zu oft nur gemeckert. Eine Mitnahme-Mentalität greift um sich, denn „die da (oben)“ sollen es richten. Jegliche Verantwortung wird ans „System“ outgesourct. Fingerpointing ist der neue Trendsport der Zivilgesellschaft. Parallelstrukturen bilden sich – ja, auch nicht zuletzt im linken Spektrum. Hier haben zB einige alternative Schulen derartige horrende Schulgebühren, dass sie schlimmere soziale Selektoren als jede bayrische Grundschule sind. Dasselbe gilt für Kindergärten, die für Kinder von Briefträgern oder Arzthelferinnen gar nicht erst erschwinglich sind. Bio-Essen muss man sich eben auch leisten können.

    Auch wir Linke tragen leider sehr dazu bei, dass die Mitte wegbricht. Auch wir ziehen uns aus der Gesellschaft zurück und bauen Parallelstrukturen auf. Wir kümmern uns nicht mehr um die Gesellschaft, die Mitte und entsprechend leicht fällt es rechtem Gedankengut Fuß zu fassen. Ein aktiver Jugendtrainer im Dorf bringt der AfD mehr Stimmen als jede Talkshow in der sich Profi-Politiker bemühen Fakten einzuordnen. Die AfD ist nicht auf dem politischen Feld zu schlagen, sondern eben nur durch die Mitte der Gesellschaft. Es braucht Menschen die anpacken und für Solidarität einstehen. Und ja verdammt, da gehört mehr dazu als ein paar Tweets.

    Ach, ich könnte mich endlos über diese Dinge aufregen. Es gibt Momente, da frage ich mich ernsthaft wieso ich so doof war in eine Partei einzutreten, Parteiprogramme mitzuschreiben und Direktkandidat in meinem Wahlkreis zu werden ohne je Aussicht auf einen Einzug gehabt zu haben. Warum habe ich Software geschrieben und die OpenSource zur Verfügung gestellt damit sie heute an Unis und sogar in SAP kostenlos genutzt werden kann? Hätte ich, wie so viele heute, auch Geld verlangen sollen? Und warum bin ich eigentlich noch im AWO Ortsvorstand und schüttle Altenheimbewohnern die Hand?

    Mich nervt das alles so gewaltig, ich kann’s kaum in Worte fassen. Nicht das System ist krank, sondern die Gesellschaft, die sich mehr und mehr zurückzieht und damit zulässt, dass sich rechtes Gedankengut so ungehindert verbreiten kann.

    1. Angewandte Komplexitätsreduktion incoming: Das kapitalistische SYSTEM ist schuld, weil es Ungleichheit schafft. Die Ungleichheit kommt durch die dem Kapitalismus eingeschriebene einseitige Ansammlung des Kapitals, „Wo Geld ist, kommt auch Geld hin“, hat meine des Linksseins sonst unverdächtige Mutter immer gesagt. Wer mehr Geld hat, hat mehr Möglichkeiten, dieses zu vermehren. Das gilt sowohl weltweit als auch innerhalb von Landesgrenzen.
      Das, was sich irgendwo ansammelt, muss auch irgendwo herkommen, nämlich von denen, die sich innerhalb der Systemregeln – die die Ansammlung befördern und von denen aufgestellt werden, die von der Ansammlung profitieren, a.k.a. „die Wirtschaft“ – irgendwie ihre Existenz sichern müssen. Wenn das immer schwieriger wird, weil die nichtangesammelten Kapitalreste knapper werden bzw. durch die wachsende Ungleichheit der gleiche Lebensstandard immer mehr kostet, bekommt man Existenzangst. Bei genügend Existenzangst sucht man sich einen Sündenbock, auf den man draufhaut, ob das nun muslimische Migranten oder ungläubige Dekadenzler sind. Existenzangst nicht weg, aber Ohnmachtsgefühl nicht mehr so schlimm.

      Also Parole: Existenzangst abschaffen! Ungleichheit bekämpfen! Systemwechsel einleiten!

    2. Wow!
      Könntest Du diesen Text bitte in ein Blogposting packen, damit man es eine Million mal liken und verlinken kann?
      Liebe Grüsse von einer, die sich ebenfalls in Ehrenämtern den Hintern aufreisst und darob manchmal fast verzweifelt, aber einfach stur weitermacht weil: Was würde sonst noch bleiben von der solidarischen Gesellschaft, von der wir einst geträumt haben? Wenn ich es nicht tue, wer dann?

  18. Ach, das Dumme ist doch, dass die Antwort nun mal lautet „es ist kompliziert“ und das Runterbrechen auf das Einfache deshalb nicht funktionieren wird. Aber ich denke, das was du meinst, das meinte auch Jan Böhmermann neulich mit: „Wenn pure Vernunft niemals siegen darf, wann kommen dann endlich die dringend gebrauchten, aber vor allem: vernünftigen Lügen?“

    1. Naja, Komplexität reduzieren und Lügen erzählen ist eben doch noch ein Unterschied. Und ich rede ja von einer Kommunikationsstrategie, die mobilisieren soll und nicht von Fachgremien, die sich um die Lösung bestimmter Probleme kümmern soll – da ist dann ein ganz anderer Komplexitätsgrad notwendig und mit Reduzierung erreicht man an dieser Stelle nichts.

  19. Ja. So ist es! Muss ich unterschreiben!

    Manchmal erwische ich mich dabei, wie schön es als Kind war. Da gab es Haben oder Nichthaben, Voll und Leer, Hell und Dunkel und wie einfach war die Welt damit. Und dann kam die humanistische Bildung und damit der Dreck im Schachterl. Man könne es ja auch so sehen und wenn man das Argument etwas anders beleuchtet, auch wieder einen neuen Aspekt herauskitzeln.

    Aber eigentlich bleibt nur ein „Falsch und Richtig“. Und das Falsche wird einfach so in die Welt gebrüllt und findet Widerhall.

    Ich bin zornig, wütend und ohnmächtig. Und das ist das Schlimmste! Wobei ich mich wieder dabei erwische abzuwägen und von allen Seiten zu beleuchten um das richtige WIE zu finden.

    So. Auch ich habe das Ende meiner Aufmerksamkeitsspanne erreicht.

  20. Man könnte beispielsweise versuchen nicht so kategorisch in links und rechts zu unterscheiden. Und diese Frage nicht so einfach vor sich herzuschieben „Der ist rechts, also scheiße“ und „Der ist links, also humanistisch und gut“.

    Auch die Dinge, die ich in letzter Zeit lese die angeblich „Rechts“ sein sollen. Der blöde Slapstick mit dem angeblichen Blackfacing…sorry!? Oder „Ich habe noch nie mit einem Schwarzen geschlafen“ – ist das rechts? Und ist es rassistisch? Welche Rasse meinen wir denn damit, wo es meiner Meinung nach keine Rassen gibt? Wie rassistisch ist das im Vergleich zu Hitler auf einer Skala von 0-1 Mio? Eine 50? Müssen wir uns in der FAZ oder gleich im halben Internet wirklich über eine 50 unterhalten, während Trump Posten besetzt die gut und gerne 6-stellig sind?

    Diese blöde „RECHTS“ und „LINKS“ und „PEGIDA“ oder „AFD“ Diskussion geht mir an allen Kernthemen vorbei. Ja, wir neigen zur Simplifizierung, aber auf beiden Seiten. Ein Lager aus ähnlichen macht das andere Lager oder einfach alle anderen als Gegner aus. Obamacare? Trägt Obama im Namen, schlecht. TPP? Hat Obama gemacht, schlecht. Mettbrötchen weg? #DankeMerkel

    Ich habe das Gefühl, dass seit der Agenda 2010 gar nichts mehr reformiert wurde. Wir haben ein wenig am Renteneintrittsalter geschraubt, das ist keine Reform. Das ist reagieren auf äußere Umstände. Das hat keine Strategie, das ist nicht nachhaltig.

    Komplizierte Sachverhalte einfach ausdrücken…Pegida und Co sind einfach eine gute Opposition. Die sagt erstmal alles was die anderen da machen ist scheisse, die Medien lügen, die Politiker sind „Volksverräter“ usw. Das ist noch nicht mal Schuldzuweisung (also Ursache und Wirkung per Schuld zuzuweisen), sondern das ist einfach beleidigend, falsch und anmaßend. Da steckt noch nicht mal der Hauch einer Argumentation drin.

    Der umgekehrte Fall ist dann das gleiche: Pegida, AFD etc. alles in einem Topf, alles rechts, alles scheisse. Das ist dann schön einfach für die Linken. Oder Demokraten?

    Ich bin bspw. Demokrat, mich interessiert der Diskurs, mich interessiert Meinungsfreiheit und Grundwerte. Mich interessiert sehr viel im BGB, ganz besonders die erste paar Dutzend Paragraphen.

    Ich vermute, dass die Eliten einfach mal vom hohen Roß steigen müssten. Dem kleinen Pegida Mann zuhören, genauso wie dem kleinen egalwoher. Diskutieren, die Probleme versuchen im kleinen herauszuarbeiten, sich auf Marktplätzen exponieren, als Politiker auf die Straße gehen und ansprechbar sein, anstatt von einer Sitzung in die nächste.

    Dann verstehen, was die Menschen umtreibt, versuchen zu erklären wie das heute oder zukünftig adressiert wird, dafür werben, diskutieren ob das gut ist, nicht aufgeben, weiter reden.

    Es gibt keinen gordischen Knoten der durchschlagen werden muss, sondern die verdammte Pflicht von den Politikern mehr Zeit draußen als drinnen zu verbringen. Und die Pflicht der Medien aufzuhören jede Sache die irgendwo passiert hier wiederzukäuen um die Politiker vor sich herzutreiben wie Schweine vor der Schlachtung, so dass die lediglich reagieren und nicht agieren, die Menschen verunsichert sind und erst recht glauben, dass Merkel wirklich nicht verhindern kann, dass täglich irgendwo auf der Welt Menschen sterben müssen.

    Und natürlich brauchen wir Leute die auf sowas Lust haben und sich dann auf irgendeine Art beteiligen. Im Freundeskreis dagegen halten, wenn jemand mit einfachen Lösungen kommt. In der Familie diskutieren. Blogs schreiben und Menschen ansprechen. In die Politik gehen oder die Wirtschaft und dort Menschlichkeit leben. Eine Firma gründen und 50% Flüchtlinge einstellen, was weiß ich. Aber es ist nicht einfach und das war es noch nie. Nur müssen wir heute in Deutschland nicht mehr sterben wenn wir versuchen Demokratie zu leben und Humanismus auszubauen. Das ist doch schon mal eine gute Botschaft.

    1. Wenn schon differenzieren, dann vielleicht auch zwischen Elite und kleinem Pegidamann… ich glaube, da gibt es auch eine Menge dazwischen.
      Und für mich persönlich gibt es eine ziemlich klare Trennung zwischen rechts und links.

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