Kindererziehung – eine griechische Tragödie mit Chorbegleitung

Der Vorhang erhebt sich. Ein weiß gekacheltes Badezimmer ist zu sehen. Ein Kind turnt auf einem grünen Hocker. In der einen Hand hält es eine Zahnbürste, in der anderen eine Tube Zahnpasta. Der Deckel ist bereits entfernt, die Zahnpasta quillt über den Tubenrand, mehrere Zahnpastaschlangen zieren das Waschbecken.

Die Mutter betritt die Szenerie: „Putz jetzt bitte die Zähne!“
Im Hintergrund zwei weitere Kinder: „Die Zähne sollst du jetzt putzen!“
Irritiert dreht sich die Mutter zu den anderen beiden Kindern im Schlafanzug: „Ihr sollt auch Zähne putzen!“
„Zäääähne putzen, Zääähne!“ ruft das erste Kind vom Hocker.

Das erste Kind dreht den Wasserhahn auf. Auf maximaler Stufe. Fünfzig Liter Wasser pro Sekunde stürzen in das Waschbecken und ergießen sich sprudelnd in einer Fontäne.

„Vorsicht! Dreh den Hahn nicht zu weit auf!“ (Die Mutter, mahnend)
„Pass auf! Pass auf! Das Wasser! Es spritzt!“ (Zwei Kinder aus der anderen Zimmerecke)

Eigentlich sage ich zuhause nichts ohne dass es ein Kinderecho gibt.
Manchmal versuche ich mich zu wehren. „Ich bin die Erziehungsbrechtigte! Ihr müsst nicht alles wiederholen, was ich sage!“
Kind 1.0: „Was ich sage!“
Kind 3.0: „Müssen wir nisch wiederholen“
Kind 2.0: „Weil du die Erzieeehungsberechtigte bist!“

So ging es Aischylos vermutlich auch. Ich konnte nichts zur Anzahl seiner Kinder recherchieren. Nur dass er 525 vor Chr. geboren wurde und der älteste der drei großen, griechischen Tragödiendichter war. Da er aber (Mit)Erfinder des griechischen Theaterchors war, gehe ich davon aus, dass er auch mindestens drei Kinder hatte.
So konnte er die Idee des Chors entwickeln, der während des Theaterspiels eine Vielfalt von Hintergrundinformationen lieferte oder Geschehnisse an den zentralen Stellen nochmal wiederholte oder zusammenfasste.

Der Theaterchor hilft dem Publikum dabei, der Handlung zu folgen.

Ich denke, diese Funktion übernehmen die Geschwisterkinder auf meiner Lebensbühne. Wer das Publikum ist, ist mir noch nicht ganz klar. Aber ich denke, darauf komme ich schon noch.

„Kommst du schon noch!“
„Du!“
„Wirst es noch erfaaaaahren!“

16 Gedanken zu „Kindererziehung – eine griechische Tragödie mit Chorbegleitung“

  1. Ja, das ist mal ein Erklärungsansatz zur griechischen Tragödie, der echt Sinn macht! Auch die Teichoskopie wird plötzlich zu einem lebensnahen, alltagstauglichen Instrument. (* Als Teichoskopie (griechisch: ?????? = Stadtmauer und ??????? = beobachten) oder Mauerschau wird im Epos und Schauspiel der mündliche Bericht einer Figur bezeichnet, welche, von erhöhter Position aus, Vorgänge schildert, die aus künstlerischen oder (auf der Bühne) aus praktischen Gründen nicht dargestellt werden können.)

    Kind 1: „Sieh nur Mama, wie den Kühlschrank er öffnet und die Eiscrem‘ schnöd raubt, die uns allen gebührt!“
    Kind 2: „Weh, nun greift er zum Löffel!Das Auge verdeck ich voll Grau’n, denn das Eis wollt ich auch!“
    Kind 1: „Oh ihr Götter! Der Frevel, er schmerzt und es schäumt mir das Blut, wenn schokoverschmierten Mundes den Bruder ich seh!“
    Kind 2: „Maaaaaamaaaaa! Er isst das ganze Eiiiiiiiis!“

    (Kind 3: mampf mampf mampf schluck mampf mampf mampf)

  2. wunderbar!

    Tipp: (allerdings nur an einem Kind erprobt – die anderen 2 sind noch in Produktion)
    Smartphone mit Kinderliedern vor die Nase halten – 2 mal am Tag ausführlich Zähne putzen lassen sind so sogar erwünscht(!).

    ansonsten darf der Kleine gar nicht fernschauen o.ä… also kein Sorge.

  3. „Der tragische Chor umfasste 12-15 Sänger ohne Masken, in der Komödie traten 24 Sänger mit Maske auf…“ (Quelle: Wikipedia)

    Find dazu grad leider den schönen Känguruh-Clip vom Marc-Uwe Kling nicht.

  4. Mhihihi! Zähneputzen auch mit nur einem Kind schon eine Tragödie für sich. Aber heute, heut war er platt! Den ich habe die Rollen vertauscht. ich habe mich verhalten wir er. Am Boden gewälzt, gepopelt, mit Zahnpaste gespielt, gejammert. Er war sehr verwundert, was ich denn da tue. haha! :-)

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