Solidarität ist eine Waffe

Asha Hedayati: „Statistisch gesehen erlebt jede 4. Frau in ihrem Leben mindestens einmal Partnerschaftsgewalt… wir alle haben mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl Betroffene als auch Täter im direkten Umfeld.“

Wie wirken die folgenden Befragungsergebnisse auf euch?

  • Für jeden dritten Mann (33 Prozent) zwischen 18 und 35 Jahren ist es akzeptabel, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.
  • Mehr als ein Drittel der befragten Männer (34 Prozent) gibt an, dass sie gegenüber
    Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen.
  • 52 Prozent der jungen Männer sehen ihre Rolle darin, im Beruf genug Geld zu verdienen.
    Für Hausarbeit ist ihrer Meinung nach vor allem die Partnerin zuständig.
  • 49 Prozent finden es wichtig, in der Beziehung oder Ehe das letzte Wort bei Entscheidungen zu haben.
  • 39 Prozent der jungen Männer möchten zudem, dass ihre Partnerin die eigenen Ansprüche zurückstellt, um ihnen den Rücken freizuhalten.
  • 88 Prozent der befragten Männer sind mit sich und ihrem Männerbild im Reinen und glaubt, so zu sein, wie ein Mann sein sollte.

Link zu den Befragungsergebnissen*

Aber wir reden davon, dass Gleichberechtigung längst erreicht ist.


In meiner Timeline gibt es wenig Frauen, die diese Umfrageergebnisse nicht gepostet und kommentiert haben. Was mir fehlt: Männer meiner Timeline, die das auch tun und das erschüttert mich wirklich.

Wenn ich irgendwas zu Gleichberechtigung und diese Missverhältnisse poste, gibt es immer Männer, die mich darauf hinweisen, dass ich nicht verallgemeinern soll, dass nicht alle Männer so sind, dass ich meinem Anliegen nach Gleichberechtigung schade, wenn ich das nicht differenziere, dass mir Männer nicht zuhören werden, wenn ich nicht betone #notallmen.

Wo sind sie jetzt, die Männer, die sich nicht wiederfinden in diesen Umfrageergebnissen? Die öffentlich bekennen: Ich bin nicht so. Ich schäme mich für diese Männer. Ich werde mich einsetzen, wenn ich Sexismus im Alltag sehe oder höre.

Wir reden davon, was Frauen alles nicht tun sollen. Wir reden davon, dass auf Konzerten die „row zero“ abgeschafft werden muss. Es gibt Frauenabteile in Zügen. Wir maßregeln Schüler*innen, was sie anziehen dürfen und was nicht, weil die armen Jungs sonst durchdrehen. Wir erfinden Nagellack, der gespikte Drinks anzeigt. Wir schaffen Telefonnummern, die man nachts auf dem Nachhauseweg anrufen kann, wenn man als Frau alleine unterwegs ist.

1/3 der Männer, könnte man argumentieren – das ist immerhin nicht die Mehrheit.

Aber wenn 2/3 dazu schweigen – auf wen können Frauen dann hoffen wenn es wirklich mal akut Probleme gibt? Wie sicher können sich Frauen sein, dass im Fall der Fälle sich andere Männer solidarisch zeigen?


*Erste Reaktion meiner Timeline übrigens (einige Frauen eingeschlossen): Kritik an der Methodik der Umfrage. Ergo: Stimmen diese Ergebnisse wahrscheinlich nicht.

Zweite Reaktion – „Der Backlash ist Ausdruck des Erfolgs des Feminismus“

2021 sind rund 143.000 Frauen Opfer von partnerschaftlicher Gewalt geworden (Polizeiliche Kriminalstatistik). Das sind pro Stunde 13 Frauen.

109 Frauen wurden 2021 von ihren Partnern getötet.


Es schaffe gerade nicht was stringentes zu dem ganzen Thema zu schreiben. Ich kann nur sagen: Ich wünsche mir jetzt und im Alltag mehr sichtbare Solidarität. Denn es geht nicht nur um Gewalt. Gewalt ist das Ende der Fahnenstange. Davor stehen tausend „Kleinigkeiten“, die toleriert werden, zu denen nichts gesagt wird, zu dem sich nicht positioniert wird.

3 Gedanken zu „Solidarität ist eine Waffe“

  1. Ob der besagten Schlagzeile stelle ich mir einige männliche Reaktionen vor.
    Einer von drei Männern: Schrecklich! Dabei sind Frauen doch Menschen, genau wie Männer auch!
    0,5 von drei Männern:
    Frauen sind Objekte, die sich im Besitz von Männern befinden.
    1,5 von drei Männern: Mir doch egal, solange sie mir ein Bier bringt.

    Ok genug der Misandrie – in normalen, nicht-Stresssituationen kriegen es die meisten Männer meiner Meinung nach hin zwischen Solidarität und Gewalt die richtige Wahl zu treffen. Aber wehe es gibt eine Bedrohung des eigenen Selbstwerts/Sachwerts (inkl. im Besitz befindlich gewähnter Frauen) dann würde ich schon davon ausgehen dass 2/3 der Männer die Hand ausrutscht.
    Dann muss man hoffen dass diejenigen bei denen man sich Hilfe holen geht zum anderen Drittel zählen.
    Also, ja, noch einiger Kampf zu bestreiten.

  2. Szene aus meinem Berufsleben: Pat. kommt zu ersten Sitzung. Es gab ein „Mediationsverfahren“ beim Jugendamt. Die häusliche Gewalt eskalierte, Pat. rief Polizei. Nun ist sie immer mehr depressiv. Ergebnis der Beratung: die Patientin soll zu mir kommen. Der Ehemann soll zur Paartherapie (bei einer Beratungsstelle) mitkommen (macht er nicht). Pat. geht nun also zu mir und zur Paartherapie alleine. Zuhause hat er jetzt den „offiziellen“ Beleg: mit ihm ist alles OK, sie ist verrückt. Mein Fazit ist nicht neu aber für mich Berufsalltag: Gewalt gegen Frauen ist strukturelle Gewalt. Mir fehlen Solidarität und oft auch die Worte – einfach überall.

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