Von der Dienstleistung zum Machtmonopol

In der Phase der späten Adoleszenz häufen sich die Schnittpunkte zu Behörden. Z.B. weil man Kinder bekommt (Anmelden am Standesamt, Elterngeld beantragen, Kindergeld beantragen, Kindergartengutschein beantragen, etc.) oder weil man den Hafen der Ehe erreicht (Namensänderung, Familienstammbuch, Lohnsteuerklasse ändern, etc.) oder einfach nur weil man irgendwo wohnt und etwas kaputt geht (Hausverwaltung) oder man einer regelmäßigen, bezahlten Tätigkeit nachgeht (Lohnsteuererklärung abgeben).
In meiner naiven Weltsicht dachte ich, dass Bürgeramt, Standesamt, Hausverwaltung und Finanzamt Dienstleister wären, die – wenn auch nicht direkt – aber eben immerhin indirekt von mir bezahlt werden, damit sie mir behilflich sind.
Das ist natürlich Humbug!
Solche Stellen sind dafür da, mein ansonsten perfekt harmonisches Leben aufzuwühlen und in mir lang vermisste Gefühle wiederzubeleben. Endlich mal wieder Haare raufen, Magenkrämpfe haben, einen Kloß im Hals, gerne auch mal ein Paar Tränen aus den Augenwinkeln wischen. Egal! Große Gefühle jedenfalls.
Es ist natürlich reichlich egozentrisch nur von mir und meinen Gefühlen zu sprechen. Die Ansprechpartner und Sachbearbeiter haben es schließlich nicht leicht mit mir. Ich bin oft schwer von Begriff. Verstehe bestimmte Formulare nicht oder vergesse Dokumente das dritte oder vierte Mal zu kopieren. Ich glaube, einmal habe ich sogar einen Antrag erst zwei Wochen vor Ablauf der Frist abgegeben. Das ist natürlich reichlich spät.
Als ich noch sehr unerfahren war, bin ich nicht auf Knien in die Amtszimmer reingerutscht oder habe die Sachbearbeiter mit ihren offiziellen Titeln (Hochwohlgeboren, Eure Eminenz, Eure Exzellenz, Eure Majestät, Eure Durchlaucht…) angesprochen. Ich habe zudem meistens die maximal zulässige Rückfrageanzahl von n=3 überschritten.
Deswegen möchte ich mich bei allen Sachbearbeitern/sonstigen Dienstleistern öffentlich entschuldigen und gelobe:
–    Nie mehr Freundlichkeit zu erwarten. Freundlichkeit ist unnötiger Tand der zwischenmenschlichen Kommunikation. Anschreien oder grunzen tut’s auch.
–    Nie mehr auf Beratung, Unterstützung oder Hilfe zu bestehen.
–    Besonders großen Spaß zu empfinden, wenn ich trotz Termin länger als 60 Minuten warten muss.
Und immer mein „Ich bin nur Bürger, ich habe nichts zu melden. Ich bin dumm. Sie sind Gott“-T-Shirt zu tragen.

[Was Word nicht kennt, gibt es nicht]