Vor Wochen hätte ich mich noch schlapp gelacht, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich mal über Fußball bloggen möchte. Möchte ich aber.
In letzter Zeit habe ich mich nämlich mit der Frage beschäftigt, warum ich Fußball nicht leiden kann. Man fühlt sich während der WM sehr schlecht, wenn man sich nicht für Fußball begeistern möchte. Wie eine Außenseiterin, eine Spielverderberin, eine Spaßbremse. Und noch schlimmer, weil die Kinder sich dem auch nicht entziehen konnten, mache ich sie zu Außenseitern, wenn wir das ganze Trara nicht mitmachen. Keine Chance mit irgendwas gegenzuhalten wenn wir keine Aliens sein wollen. Sie werden von den Erzieherinnen in Schule und Kindergarten mit Deutschlandfahnen angemalt. Panini-Karten überall. Die Kinder erzählen sich die Fußballspiele. Selbst kleine Kinder dürfen die späten Spiele sehen.
Also mitmachen oder der Arsch sein?
Warum hab ich überhaupt was gegen Fußball?
Erstens: Ich finde es wahnsinnig langweilig. Riesiges Spielfeld und fast nichts passiert. Ein Tor. Zwei Tore. Wow.
Im Gegensatz dazu unterhält mich Handball oder Basketball ganz gut. Auch wenn da mein Auge für vieles zu langsam ist. Hä? Schrittfehler? Einmal geblinzelt – Tor. Kurz mal den Schuh gebunden. Tor.
Es mag sein, dass Fußball interessanter ist, wenn man was von Team-Strategien etc pp versteht, tue ich aber nicht – also: langweilig.
Zweitens: Irgendwas mit Geschlecht. Für die männlichen Vereine/Nationalteams interessieren sich viel mehr als für die weiblichen. Sie werden gefeiert bis zum Gehtnichtmehr. Ist das in anderen Sportarten auch so? Leichtathletik? Tennis (Meine Wahrnehmung sagt nein). Warum ist das so? Spielen die Frauenfußballerinnen wirklich auf einem anderen Niveau? Ist das bei Tennis anders?
Drittens: Die Feindschaften.
Gosh! Jeder Bundesligaverein hat irgendeinen Feindverein. Warum? Warum kann man nicht Schalke-Fan sein und die Borussia-Fans und/oder Fußballer lieb haben? Ich hab den Eindruck, dass dieser Feindschaftsquatsch ein großer Teil der Fußballkultur ist und das nervt mich.
Viertens: Der Fan als solches
Und zwar, das Klischee des Fans, das ich über die Massenmedien mitbekomme. Aggressiv, randalierend, besoffen, erhöht sich durch die Erniedrigung anderer. Sind mir persönlich Fans anderer Sportarten in dieser Art im Bewusstsein? Der grölende Golf-Fan? Aggressive Snooker-Fans?
„Boah, nuf, du nervst ja voll, welche Sportart gefällt dir denn?“ (Nicht dass das jemand in den Kommentaren sagen muss).
Nun, ich liebe Capoeira. Ich hab schon mal darüber geschrieben. Capoeira ist ein friedlicher Sport mit hohen Frauenanteil. Es geht um Akrobatik und Kommunikation, es geht um Musik, Rhythmus und Gemeinschaft. Es gibt kein dissen der Frauen, keines der weniger Talentierten, keines der Schwächeren.
Und ja, ihr dürft euch freuen, dass WIR Weltmeisterin sind. Aber muss denn die Welt stehen bleiben weil WM ist? Der Unterricht beginnt später? Kinospätprogramm wird gestrichen? In der U-Bahn wird der Spielstand durchgegeben? Wie bescheuert ist das denn? Schön fände ich es, wenn ich trotz Fußball weiterleben kann wie bisher. Oder wenn das Theater bei jeder verdammten Sportart gemacht wird. Dann freuen sich nämlich auch mal die Curlingfans wenn die S-Bahn den Spielstand der Curling-Liga durchgibt!
Mich haben in Bamberg die katholischen Prozessionen, die über Lautsprecher in die Straßen gebrüllt werden auch schon immer genervt. Der Bischof darf fürbitten bei 120 dB aber wehe jemand baute eine Moschee und man verhielte sich diesbezüglich genauso!
Also entweder alle oder keiner. Und wenn gefeiert wird, dann nehmt doch den Dreck wieder mit und beschießt mich nicht mit Feuerwerkskörpern.
Und was das Gaucho-Gate angeht: Ich fands voll daneben.
Ich hab, während ich gemeinsam mit den Kindern die Spiele angeschaut hab, ständig gesagt: Ihr könnt euer Team bejubeln, aber es ist absolut nicht nötig die anderen runter zu machen. Egal, ob andere das auch machen. Ob das vielleicht nicht so gemeint war. Ob das Tradition hat. Ob die Sitten beim Fußball eben so sind. Oder ob ihr das nicht angefangen habt.
Deswegen was den Gaucho-Tanz angeht:
a) Weltmeister sind.
b) für Fairplay einstehen sollten, auch außerhalb des Sports.
c) sich ihrer Vorbildfunktion dieser Tage durchaus bewusst sein sollten.
Amen (ich freue mich auf viele pöbelige Kommentare, mein Adrenalinlevel ist gerade in Stimmung).