Letzte Woche hat die Schule mit den Kindern Fasching gefeiert. Der Unterricht fiel aus und es wurden den ganzen Tag getanzt und gespielt. Die Kinder waren angehalten verkleidet zu kommen.
Abends im Bett unterhalte ich mich mit Kind 3.0, das sich als Kräuter-Experte verkleidet hatte.
„Als was hat sich deine Sitznachbarin verkleidet?“
„Elsa“
„Oh und Paula?“
„Auch.“
„Auch als Elsa? Das ist ja ein lustiger Zufall. Und Sabine?“
„Elsa.“
Ich schaue Kind 3.0 sehr verwirrt an.
„Eigentlich haben sich fast alle Mädchen als Elsa verkleidet.“
Vor meinem Auge tanzt ein Heer an Elsas.
Ich halte diese zunehmende Vereinheitlichung von Kinderphantasien für einen Effekt erfolgreichen Gender-Marketings.
[In den Kommentaren gerne eine Diskussion darum, ob Elsa nicht eigentlich eine feministische Prinzessin ist.]
Interessant ist für mich v.a. die Vereinheitlichung von Kinderphantasien. Warum trifft man auf einer Faschingsparty v.a. auf Prinzessinnen (und Superhelden, wenn man sich die Jungs anschaut)?
Warum blickt man nicht in eine große, bunte Schar von Astronautinnen, Wissenschaftlerinnen, Hasen, Polizistinnen, Räuberinnen, Cowgirls, Feuerwehrfrauen und Diebinnen?
Warum wagt es umgekehrt selbst an Karneval kaum ein Junge in die Rolle einer Prinzessin, eines Lehrers, einer Katze oder eines Tänzers?
Ich würde sagen, das hat viele Gründe: Zum einen werden die Geschlechtersterotypien durch Werbung und Co. immer stärker eingeschränkt und damit verbunden fürchten Kinder (oder deren Eltern) unbewußt um ihre Geschlechtsidentität. Kann ein Junge ein Junge sein, wenn er sich als Prinzessin verkleidet?
Da ist es wieder, das Prinzessinnen Thema.
Ich war gestern auf der Verleihung des Goldenen Zaunpfahls, ein Negativpreis, der das absurdeste Gendermarketing-Produkt kürt.
Wenn man das Hashtag #goldenerZaunpfahl auf Twitter filtert, stößt man immer wieder auf Frauen, die sinngemäß sagen: „Na und? Ich liebe Prinzessinnen! Ich möchte eben Prinzessin sein. Warum könnt ihr mir das nicht lassen?“
Diese Frauen möchte ich gerne ein bisschen zärtlich schütteln und ich frage mich: Wann werden sie es verstehen?
Wann werden sie verstehen, dass niemand ihnen das Prinzessinsein nehmen will (also ich zumindest nicht) – sondern, dass eine bestimmtes Prinzessinnen-Stereotyp erst dann ein Problem ist, wenn es die einzige Wahl, die einzige Phantasie, das einzige Vorbild für aufwachsende Mädchen ist.
Denn ja, ich persönlich habe ein Problem damit, dass meinen Töchtern als (Lebens)Ziel vorgegeben wird, dass sie artig, sittsam, brav, sauber, hübsch, sexy und nicht so vorlaut sein sollen.
Und genauso bedauernswert finde ich es für meine Söhne, wenn Männlichkeit sich über Kraft, Macht, Unterdrückung, Dominanz, Gewalt und Härte definiert.
Denn was ist mit den künstlerisch interessierten Jungs? Den Sensiblen? Denen, die gerne tanzen und singen? Denen, die Glitzer und Rosa mögen? Denen, die tierlieb sind oder denen, die fürsorglich sind?
In meiner Lebensfilterbubble haben wir mit solchen Stereotypen zum Glück nicht viel zu tun. Das liegt aber auch am Alter der Kinder. Allein schon kein Fernsehgerät mit Werbeunterbrechungen in den eigenen vier Wänden zu haben, hilft da ungemein. So bleiben wir von Werbung verschont, die uns zeigt, dass Frauen lächelnd Salat essen sollen, damit sie bloß nicht zu dick werden, dass sie teure Produkte kaufen, um ihre Defizite wie FALTEN und FRIZZ zu beheben, wohingegen die aktiven, leistungsstarken Männer samt Duschgel wagemutig von zehn Meter hohen Clippen springen.
Es gibt auch keine Frauen- und Männermagazine in unserer Wohnung, die uns z.B. zeigen, dass Männer anders backen NÄMLICH MIT HACKFLEISCH!
Wir kommen mit diesen absurden Frauen- und Männerbildern nur in Kontakt, wenn wir unsere Wohnung verlassen. Erst im Supermarktregal lernen wir was echte Frauen bzw. echte Männer tun sollen oder wie sie sein sollen.
Im Babyalter kann ich mich als Mutter noch wehren gegen diese Einflüsse. Sollte jemand so irre sein und mir einen Babystrampler schenken, auf dem steht „Ich hasse meine Oberschenkel„, dann kann ich den Strampler anzünden oder anderweitig entsorgen.
Was aber macht man, wenn die Kinder im Schulalter sind und all diese schönen Produkte geschenkt bekommen? Nimmt man sie ihnen ab? Streitet man sich mit der Verwandtschaft, die sowas niedlich oder witzig findet? Zwingt man ihnen zu jedem Produkt eine Diskussion über die Gefahren des Gendermarketings auf?
Leider doch kein #Fake: "Jungs-Wasser" und "Mädchen-Wasser"@thesismum @pinkstinksde #Wasser
Ich reg mich auf. pic.twitter.com/maW7mkp3PN— Kommafee (@BonnerClara) July 10, 2016
Besonders zur Verzweiflung bringen mich zur Zeit übrigens Bücher „für Jungs und Mädchen„.
Denn im Gegensatz zum gegenderten Wasser, enthält ein gegendertes Buch nicht den selben Inhalt.
Gegendertes Wasser ist einfach Schwachsinn. Wenn mein Kind dauerhaft Wasser aus einer rosafarbenen Flasche trinkt, passiert im Wesentlichen: nichts.
Wenn meine Töchter aber Bücher extra für Mädchen lesen, die ihre Aktions- und Entwicklungsmöglichkeiten bis zum Get-no auf Shoppen, Schönheit und Begehrenswertkeit einschränken, dann bekomme ich wirklich Wut.
Wenn meine Töchter aufwachsen und lernen: Mädchen können kein Mathe, Mädchen haben einen Pflegeinstinkt, Mädchen kochen gerne, Mädchen müssen von tapferen Rittern gerettet werden… dann muss ich würgen.
Mit meinen Söhnen geht es mir übrigens nicht anders: warum sollen sie lernen: echte Männer weinen nicht? Echte Männer lieben scharfe Soßen! Fleisch! Sie fahren schnelle Autos, sie sind mutig, sie haben Muskeln!
Das Problem sind also nicht die Prinzessinnen (und übrigens auch nicht die Kindertaschen mit glitzernden Delfinen), das Problem ist das Klischee, das damit verbunden wird.
Warum dürfen meine Kinder nicht unabhängig vom Geschlecht alles sein? Wenigstens als Kind? Wenigstens in ihrer Phantasie?
Ich schließe mit den Worten von Antje Schrupp aus Gegen den Geschlechterblödsinn:
„Wir sollten das zugeben: Indem wir Gendermarketing tolerieren, zementieren wir Rollen, behindern wir Kinder in ihrer freien Entfaltung. Wir machen es ihnen schwer, zu ihren eigenen, individuellen Vorlieben und Stärken zu finden, indem wir sie schon als Babys darauf trimmen, dass sie als Mädchen dies und als Jungen das zu wollen hätten.“
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Zum Abkühlen dann noch die Positivbeispiele der Preisverleihung gestern.
Denn auch ich freue mich, wenn Firmen versuchen es besser zu machen. Ich bin ganz bei Tarik Tesfu, der sinngemäß sagte: Ja, man kann da auch noch berechtigt kritisieren, aber zuerst kann man ja feiern, dass Feminsmus und Diversität in den Mainstream-Medien angekommen sind.
Deswegen hier drei schöne Beispiele: Telekom, Audi und H&M:
Ganz großartigen Hip-Hop, der sich mit dem Thema Rollenklischees beschäftigt, gibt es übrigens auch:
Abschließend: Ganz herzlichen Dank an Almut Schnerring, Anke Domscheit-Berg und Sascha Verlan für ihren Einsatz! Möge der Goldene Zaunpfahl schon sehr bald nicht mehr nötig sein.