Bolognese fürs Kind

Bolognese
Vorher

Es ist 22 Uhr. Wir kommen von einem Ganztagesausflug zurück und sind alle furchtbar erschöpft. Die Kinder ziehen jammernd ihre Schlafanzüge an, die Zähne werden unter Protest geputzt und als ich verlange, dass auch die Haare gekämmt werden, höre ich einen langen Vortrag über meine mütterliche Grausamkeit. Es werden die Trinkgläser serviert, die Kirschkernkissen erwärmt, die Kinder werden zugedeckt und bekuschelt. 22.45 Uhr als endlich Ruhe einkehrt, ein letztes „MaaaMMMAAAAA“ und alles schläft.

Auch ich möchte in mein Bett fallen. Es ruft schon: „Komm, ich bin sehr weich. Leg dich auf mich. Ich hab auch eine Decke für dich. Komm! Na komm!“. Leider fällt mir noch ein, dass morgen Ferien sind und das große Kind, das nicht mehr in den Hort geht, kein Mittagessen haben wird, wenn ich nicht jetzt um 22.52 Uhr koche.

Na gut, koche ich also schnell noch eine Bolognese. Das ist ja schnell erledigt. Ein wenig Sellerie gewürfelt, eine Möhre zerkleinert, eine kleine Zucchini geschnipselt, ein Zwiebelchen gehackt, noch ein bißchen Knoblauch, frische Tomaten eingekocht, ein paar Kräuter geerntet und geschnitten, alles flink gewürzt und dann noch das Hackfleisch angebraten und alles zusammengemischt. Alles einkochen lassen, das ist wichtig für den Geschmack. Ein Schuss Rotwein dazu, der unbedingt verkocht werden muss, schließlich soll die Soße ja fürs Kind sein. Noch einen Klecks Tomatenmark dazu und eine Prise Zucker und schon ist sie fertig die Bolognese. Genau wie ich. 23.55 Uhr ist es.

Aus Liebe hoble ich noch ein wenig Käse. Das Kind soll es schließlich gut haben, es sind Ferien.

24.05 Uhr: Ich gehe ins Bad, wasche mein Gesicht, putze die Zähne, kämme mein Haar, bin geistig schon im Bett, noch 5 Meter trennen mich. Doch dann überlege ich: „Ja, klar, kann das Kind Nudeln kochen, aber was ist, wenn ihm im worst case Szenario kochendes Wasser auf den Körper fällt und es ist ganz alleine. Nein, das geht nicht. Auf keinen Fall.“ Also gehe ich in die Küche zurück und koche Nudeln vor.

Während die Nudeln kochen, kann ich abspülen. Doch Vorsicht! Wenn man Nudeln aufwärmt, werden sie schnell lätschig. Also muss ich den Punkt genau abpassen, an dem sie einen Tick zu al dente sind, weil sie dann genau perfekt sind, wenn man sie wieder erwärmt. Ich fülle alles in Portionsschälchen. Ordentlich Soße auf die Nudeln, das mag das Kind. Nicht zu geizig sein, es soll ja glücklich sein.

Zwanzig Minuten nach Mitternacht. Endlich bin ich fertig, ich falle ins Bett, stelle den Wecker auf 6 Uhr als mir einfällt: „Danke ErfinderInnen der Zeitumstellung, das bedeutet ja, ich muss um 5 Uhr aufstehen. Pfui. Das ist doch keine Zeit.“

Ich mache morgens das jüngere Kind fertig und bevor ich es in den Hort bringe, wecke ich das ältere Kind und verkünde voller Stolz: „Ich habe für dich gekocht. Im Kühlschrank steht eine Portion Nudeln mit Bolognese, die kannst du dir warm machen heute Mittag.“ „Ja, ja“, murmelt das Kind, dreht sich um und schläft weiter.

Am Abend komme ich aus dem Büro wieder, das Kind springt mir entgegen: „HUNGER! HUNGER! WANN KOCHST DU? ICH STÜRBE.“ Nanu? Hat es vergessen, dass ich vorgekocht habe wie eine ordentliche Prepper Mom? Ich frage also: „Mein Häschen, was ist mit den Nudeln, die ich vorgekocht habe?“ „Die haben irgendwie scheiße geschmeckt. Also hab ich sie nicht gegessen.“ Mein Lid zuckt, ich frage wo die unangetasteten Reste stehen, kann nicht begreifen, warum das Essen nicht geschmeckt haben soll. Das Kind führt mich zu einem Plastikgefäß in dem eine zusammengeschmorte Masse unbekannter Herkunft liegt. Sie dampft noch und ich könnte schwören, sie glüht auch: „Was ist das Kind?“ „Die Nudeln, Mama. Total ekelhaft. Ich hab sie 15 min bei 1.000 Watt in der Mikrowelle erhitzt und dann sahen sie so aus.“

„…“.

Bolognese
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118 Gedanken zu „Bolognese fürs Kind“

  1. Ein Verständnisfrage: Wo bekommt man am Sonntag um 22:52 Hackfleisch? Ich bin küchenmäßig nur so halb vorgebildet, aber habe in Erinnerung, das man Hackfleisch frisch kauft (am besten beim Metzger zuschauen wie’s durchgedreht wird) und nicht länger als 12h in der Kühlung lässt.

  2. Das erinnert mich an den Tag, als mein damals 14-jähriger seine erste Tiefkühlpizza alleine zubereitet hat. Aus der Packung nehmen, auf einen Teller legen, in den Backofen, …

    „Der Teller war total heiß, ich hätte mich fast verbrannt!“

  3. Seher schöner Bericht.
    Zugegeben ich versuche auch zu jeder Gelegenheit frisch zu kochen. Aber in dieses Situationen bin ich froh das der Dosenöffner erfunden ist und die dazugehörigen Nudeln in Sauce (was gab es eigentlich zuerst?).

  4. Letztens lief ich die schnellste Joggingrunde der Welt. 10 km un 11 min. Ich schwöre.
    Das Goldkind hatte ein anderes Goldkind zum Frühstück eingeladen. Ich sollte derweil Joggen gehen. Rührei sollte es geben. Und während ich so joggte, schaltete sich das Kopfkino ein „Wenn die jetzt drölf Rührei auf dem eingeschalteten Herd vergessen, aus dem Haus gehen, höre ich da Feuerwehrsirenen, alle werden sterben…“ Zuhause alles friedlich. Küche sogar wieder aufgeräumt. Nun ja…

  5. Zur Kohlenproduktion: Der Sohn einer Freundin hat Zimtschnecken in der Mikrowelle „erwärmt“. Die Freundin wurde von Brandgeruch und wabernden Schwaden geweckt. Der 12 jährige hat das gar nicht bemerkt -geschweige denn, dass es ihn gestört hätte.

    Zum „hat irgendwie nicht/komisch geschmeckt“: Kenne ich! Dass ich eingefrorenes/vorgekochtes nur aufwärme, muss ich auch immer verheimlichen.

    Und dabei hast du sicher auch nur ein „Toll, Mama! Danke!“ erwartet. ? Ich bin so dermaßen bei dir!

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