Weinheim

In amerikanischen Serien besuchen Autorinnen immer ihre Verlage. Ich hatte das noch nie gemacht und weil der Verlagssitz ganz in der Nähe von Wiesbaden ist, dachte ich: gehe ich doch mal meinen Verlag besuchen.
Und was soll ich sagen? Es war wie in diesen Serien! Ich wurde herzlich begrüßt und die ganzen Kolleginnen, die an den Büchern mitgearbeitet haben, haben sich die Zeit genommen mich zu begrüßen. Wir haben elsässischen Cremant getrunken und geredet und ich war ganz beseelt. Ein Buch ist ein großes Teamprojekt und es braucht viele unterschiedliche Kompetenzen, damit es erfolgreich wird. Es war toll die Menschen zu den einzelnen Funktionen kennenzulernen.
Ich habe auch eine kleine Hausführung bekommen und war schwer beeindruckt wie schön Büroräume gestaltet werden können. So schön, dass ich, wenn ich so ein Büro hätte vielleicht auch manchmal mein geliebtes Homeoffice verlassen würde.

Segen und Fluch des Deutschlandtickets ist es ja, dass man ohne zusätzliche Kosten spontan überall hin fahren könnte. Weil ich so nah an Heidelberg war und eines meiner Kinder so heidelbergbegeistert ist, habe ich überlegt, ob ich mit der Straßenbahn nach Heidelberg fahre und dort einmal den Philosophenweg abschreite.

Weil es aber so trüb und regnerisch war, habe ich mir vorgenommen Heidelberg an einem anderen Tag zu besuchen.

Heidelberg wurde übrigens erst nach der klassischen Wikingerzeit gegründet. Nicht sehr spannend für mein neues Rabbithole. Passt aber gut zu der eher langweiligen 4. Staffel von Vikings.

Km bislang: 1.657
Verspätung: 329 min

Wiesbaden

Ich war schon ziemlich oft in Wiesbaden, aber irgendwie hatte ich immer so viel Programm, dass ich keine richtige Erinnerung an die Stadt selbst habe. Ich habe die Gelegenheit also genutzt und mich ohne Termine den Tag treiben lassen, um dann in einem Friseursalon zu landen.

Das letzte Mal war ich vor ungefähr einem Jahr beim Frisör. Ich finde es total lästig zum Frisör zu gehen, aber meine Haare waren unnütz lang, so dass ich sie z.B. immer eingeklemmt habe, wenn ich einen Rucksack aufgesetzt habe oder sie mir ständig überall reinhängen.

Auf Google suche ich mir einen Laden, der gute Bewertungen hat und als ich eintrete, wundere ich mich, weil es dort aussieht wie in einem Barbershop. Ich frage leise, ob sie denn auch Haare schneiden, also meine und der Barbertyp zeigt in den hinteren Teil des Ladens. Dort ist tatsächlich eine separate Ecke, wo eine Friseurin einer Frau die Haare färbt.
Ich gehe also ein paar Schritte weiter und frage, ob man denn ohne Termin die Haare schneiden lassen kann und die Friseurin sagt, das ginge leider gerade nicht, weil sie würde ja gerade einer anderen Frau die Haare färben.
Die Frau unter dem Haarfärbeverstärkungsstrahler (was ist das für ein Ding?) dreht sich in meine Richtung und ruft: „So ein Quatsch! Ich sitze hier nur rum, die Farbe muss einwirken, da schaffst du doch dieser Frau die Haare zu schneiden!“
Die Frisörin zögert noch, doch dann gibt sie sich einen Ruck, ob ich denn was Kompliziertes wolle? Nein, nur kürzer. Ja gut, dann solle ich mich setzen.
Es dauert nicht lange und die Frau, deren Haare gefärbt werden, verwickelt uns in ein Gespräch. Wir stellen fest, dass unsere Familien beide aus Sizilien kommen. Wir reden über Irland und über das Älterwerden, es ist sehr fröhlich. Zwischendrin bedauern die Friseurin, deren Eltern aus der Türkei kommen und die andere Kundin sehr blumig, dass ich so deutsch aussehe. Keine dunklen Haare, diese hellen Augen und dann die bleiche Haut. So schade! Wahrscheinlich die Wikinger, die auch auf Sizilien waren.
Da sind sie wieder die Wikinger. Daher also meine bleiche Haut! Schade, schade, ich hätte auch südländisch schön sein können, aber jetzt bin ich halt eine Kartoffel.
Währenddessen schnippelt die Friseurin sehr engagiert an mir rum. Einen Moment denke ich, dass das vielleicht doch ein bisschen viel ist und dann denke ich: was ab ist, ist ab und es wächst ja wieder.
„Ich könnte auch noch mehr abschneiden“, sagt die Frisörin und klappert mit ihrer Schere. „Ja, danke, aber das reicht.“ „Es würde aber ziemlich gut aussehen!“ „Ja, danke, aber das gefällt mir so.“ Wie lange ich denn noch in Wiesbaden bin? Bis Freitag. Ja gut, wenn ich am Donnerstag denke, dass sie doch recht hat, dann soll ich nochmal kommen, sie schneidet dann den Rest kostenlos ab.

Beschwingt und mit halblangen Haaren verlasse ich den Salon und schlendere durch die Fußgängerzone. Eine warme Erinnerung aus meiner Kindheit. Fußgängerzonen und „in die Stadt gehen“ – das geht ja in Berlin nicht, denn wo soll das sein – in die Stadt. Berlin sind 20 Städte.

Ich kaufe Pfingstrosen und eine ganze Sachertorte. Ich freue mich, dass ich das kann: eine ganze Torte kaufen. Wie so eine leicht durchgeknallte Erbtante.

Heute fahre ich nicht mit dem Zug.

Umweg mit dem ICE, Unterbrechung der Reise

Ich habe heute am Bahnhof geweint (nicht wegen der Zugverspätung). Neben mir saß eine Frau, die mich beim Aufstehen angelächelt hat und mir eine Packung Taschentücher in die Hand gedrückt hat. Das war ein sehr schöner Moment.

Insgesamt hat dieser Tag seinen Platz in der Top Ten schlimmster Tage 2025 auf jeden Fall schon mal gesichert.

Es ist erschütternd wie einen manche Momente in die Vergangenheit zurück katapultieren in Momente in denen man sich komplett allein auf der Welt fühlt.

Mein Zug-Mojo ist jedenfalls futsch. Ich frage mich, ob Eva Wolfangel jetzt immer pünktlich ist (Mastodon-Referenzwitz).

Km bislang: 1.487
Verspätung: 304 min

Weiter: Aachen

Nach Aachen zu kommen war nicht einfach. Theoretisch hätte die Reise 3 Std gedauert. Praktisch war ich 5,5 Std unterwegs und bin dann in Eschweiler gestrandet. Bis Essen ging es relativ flott, aber dann Signalstörung, Personenschaden, technischer Defekt.
Die Rheinländer hat das aber nicht aus der Ruhe gebracht: „Isch wollt doch nur eine Station farre, weil die U-Bahn brennt und jetz klappet och nisch mit dem Zuch.“
Das war aber schon das Emotionalste, was ich gehört habe. Ich meine, was ist mit denen? Müssen die nicht pünktlich in ihren Arbeitsstätten sein? Ihre Kinder vom Kindergarten abholen? Muddi zum Arzt bringen?
Große Bewunderung wie die ihr Leben chillen. Kein Wunder wenn meine Kinder mich manchmal überspannt finden. Wahrscheinlich hängen die tagsüber immer mit Rheinländern in Zügen mit zwei Stunden Verspätung ab.

In Aachen haben wir uns wieder Gebäude angeschaut und ich konnte die tolle Geschichte erzählen, wie die Wikinger Paris überfallen haben (Ja, haben sie wirklich – mehrere Male sogar, ich bin jetzt ganz tief in dem Rabbithole).

Ich habe Streuselbrötchen kennengelernt und habe vier mal ein abgesperrtes Baustellengelände gekreuzt, um als rechtschaffene Bürgerin so viel Adrenalin auszuschütten, wie andere vermutlich beim Fallschirmspringen ausschütten oder wenn sie eine 20% Steigung ungebremst mit dem Mountainbike runterpreschen.

Km bislang: 697
Verspätung: 151 min

Start: Münster

Ich bin jetzt in einem Alter in dem Beerdigungen offenbar zum Alltag gehören und jede Beerdigung ist eine Gelegenheit sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen.

Ich habe auch festgestellt, dass Beerdigungen oft wie schöne, sehr emotionale Feste sind, bei denen man Menschen sieht, die man eigentlich sehr gerne hat, aber irgendwie kommt man im Alltag nie dazu sich regelmäßig zu sehen, weil Erwerbsarbeit, Kinder, diesdas.

Manchmal sitzt man dann in so einer Gesellschaft und denkt sich: eines Tages wird es so eine Runde geliebter Menschen geben, bei denen man selbst fehlt und das fand ich höchst bedauerlich.

Also dachte ich: meinen 50. Geburtstag sollte ich nutzen und meine potenziellen Beerdigungsgäste besuchen gehen. Denn eine Feier zu machen bedeutet für viele Orgaaufwand, Fahrtkosten, einen zusätzlichen Urlaubstag opfern und am Ende plaudert man auf der Feier max. 20 min, weil man will ja mit allen sprechen. Umgekehrt – wenn ich alle besuche, muss nur eine Person reisen und man kann sich Zeit nehmen und wie sonst könnte man das fantastische Deutschlandticket besser nutzen?

Also habe ich mich auf die Reise gemacht.

Meine erste Station war Münster. Eine Stadt, die durch zahlreiche Kirchen besticht, die wir uns alle angesehen haben.

Ich schaue nebenher gerade die Serie Vikings und so war es ein bisschen wie ein Ausflug in die Serie, denn Wikinger scheinen sehr gerne christliche Kirchen zu plündern. Wo sonst gibt es so viel Prunk und Gold und so wenig Bewachung? Also hab ich mit einer gewissen Faszination das ganze Gold in den Kirchen bewundert und wurde auch in Sachen mittelalterlicher Foltermethoden nicht enttäuscht, denn Münster hat die Lambertikirche, mit drei Käfigen am Kirchturm, in die man Abtrünnige jeder Art nach ihrer grausigen Hinrichtung noch wochenlang zur Abschreckung zur Schau stellen konnte.
Sehr viking-like. Vikings ist übrigens wenn man – so wie ich – die Kämpfe vorspult, ein bisschen wie eine Telenovela. Viel Machtkämpfe, viel Sex und Emotionen und sehr gute Flechtfrisuren.

Westfälisch essen war ich auch und ich bin jetzt definitiv in dem Alter, in dem Essen auch ein Hobby ist. 

Ich denke oft an meine Kinder, die ja ob ihres Alters noch vieles vor sich haben. Liebeskummer z.B. – was ich sehr gruselig finde, weil Liebeskummer braucht ja niemand und doch wird man ihn irgendwann haben und durchstehen müssen.
Aber es gibt natürlich auch tolle Sachen, denen sie noch nichts abgewinnen können, wie z.B. Tafelspitz und rote Bete zu essen.
Ich erinnere mich noch genau wie langweilig ich essen früher fand und dass ich natürlich keine rote Bete mochte oder Rosenkohl oder Salat oder Kapern oder Rhabarber oder Spinat oder Spargel oder Brokkoli oder Grünkohl oder Aubergine oder Sauerkraut oder Fenchel…

Und all das zu schmecken und sich daran zu erfreuen steht ihnen noch bevor – wie fantastisch ist das eigentlich?

Km bislang: 475 
Verspätung: 1 min

Bald ist re:publica!

Und am Montag bin ich dabei. Erst auf dem Panel „GenerationXYZ: Digitale Heimaten, digitale Zukünfte“ mit Theresia Crone und O?uz Y?lmaz, moderiert von Johnny Haeusler (Stage 2, 11:15 Uhr) und dann ist ab 12.30 Uhr Signierstunde am Dussmann Stand. Bringt eure Bücher oder kauft sie dort. Ich verschenke die schönen Postkarten von Frollein Motte und signiere eure Hörbücher und eBooks. Mit Edding direkt auf das Endgerät.

Um 18:45 Uhr könnt ihr euch dann noch im Popup-Space mit mir (und falls noch jemand kommt) vernetzen bei meiner Aktion „Networking mal anders: Bring deinen besten „Pebble“ und finde deinen Pinguin-Buddy!„. Da zeigen wir uns unsere schönsten Internetschnipsel und stehen akward rum!

Kann ein Montag besser verlaufen? Ich denke nein.

Adolescence: was hilft (nicht)

Screenshot The Times (Der Autor sagt, dass es schnell gehen muss und dass mit den Rollenmodellen ja 20 jahre dauert)

Ich mache mal was seltsames. Ich möchte gerne was über die Serie „Adolescence“ schreiben, obwohl ich sie (noch) nicht gesehen habe.

„Adolescence“ ist eine Mini-Serie auf Netflix. Im Zentrum der Serie steht der 13-jährige Jamie Miller, der seine Mitschülerin Katie Leonard ermordet, weil er sich von ihr zurückgesetzt fühlt. Maßgeblich beeinflusst war sein Handeln von Incel-Ideologien*, die er über das Netz vermittelt bekommt.

Viele in meiner Instagram-Timeline haben die Serie geschaut und schließen daraus: um zu verhindern, dass die Söhne in so ein Milieu abgleiten, muss man Social Media so gut es geht einschränken und am besten verbieten.

„Adolescence: was hilft (nicht)“ weiterlesen

Sonntag, 9. März 15 Uhr – Lesung in Hannover

Gutes Wetter ist schlecht für Lesungen… dann machen alle was anderes! Schlechtes Wetter ist schlecht für Lesungen… dann hat keine*r Lust raus zu gehen. RSS-Reader sind gut für Lesungen. Bestimmt gibt es eine Person in Hannover und Umgebung, die am Sonntag nichts vor hat und sich über den Hinweis freut.
Ich habe Memes gebastelt und ich bringe Postkarten mit den Illus von Frollein Motte mit, die ich verschenke (die Postkarten). Ihr könnt eure Bücher mitbringen, ich signiere gerne!

Wo?
Stadtteilzentrum Ricklingen
Anne-Stache-Allee 7
30459 Hannover

Wann?
Sonntag, 09.03.2025 ab 15:00 bis 16:30 Uhr

Was?
Lesung aus „Musterbruch – überraschende Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung“