Für Euch Digital Natives ist das kalter Kaffee: Eine Veranstaltung besuchen, Vorträgen lauschen und gleichzeitig Internet zur Verfügung haben. Für mich war das am 10. und 11.11.2011 während des Symposiums „Wissen und Macht“ eine völlig neue Erfahrung. Und was soll ich sagen: Wie konnte ich vorher ohne leben?
Zum einen fand ich es wirklich interessant den Twitter-Stream mitzuverfolgen (#wissen2011) und so auch ein Bild davon zu bekommen, wie andere Symposiums-Besucher die Vorträge und Redner empfanden. Zum anderen konnte ich natürlich jede erwähnte Website oder Quelle aufrufen, parallel anschauen oder zumindest bookmarken.
Das zweitägige Symposium „Wissen und Macht“ war durchgängig hochkarätig besetzt. Es wurden drei Themenblöcke behandelt: „Das Internet als Bildungsinstrument“, „Das Internet als politisches Instrument“ und „Das Internet als Wirtschaftsinstrument“. Leider konnte ich nur an den Vormittagsveranstaltungen teil nehmen, weswegen für mich „Das Internet als politisches Instrument“ ausfallen musste.
Das Sympoisum fand im Lokschuppen II des Technikmuseums statt. Ein wunderbarer Ort. In meiner ersten Elternzeit war ich mit meiner Museumsjahreskarte öfter im Deutschen Technikmuseum. Gerade die riesigen Loks, die kilometerlange Wagonreihen durch die USA ziehen bzw. zogen, übten auf mich eine besondere Faszination aus. Just zwischen ihnen zu sitzen, klugen Vorträgen zu folgen und hervorragenden Kaffee zu trinken, war mir eine große Freude.
Wenn man beruflich wie privat viel Zeit im Internet verbringt, hat man sich schon den ein oder anderen Gedanken zu den angesprochenen Themen gemacht. Mir gefällt es umso bessser, bestimmte Schwerpunkte von Menschen vorgetragen zu bekommen, die in einem Teilgebiet Experten sind. Dabei hatte ich bezogen auf die Vortragenden bereits gewisse Erwartungen, die sich zum größten Teil erfüllten. Von anderen Rednern hatte ich persönlich noch nie etwas gehört, noch interessierte mich das Thema laut Programm besonders – jedoch wurde ich sehr positiv überrascht. So z.B. von Frau Prof. Debora Weber-Wulff, die zum Thema „University 2.0“ sprach. Ebenso mitgerissen hat mich der Vortrag von Frank Schomburg von nextpractice GmbH, der in einem atemberaubenden Tempo vortrug. Andere Themen, die aufregend klangen, waren leider ein bisschen langatmig.
Bis zum Abschlussvortrag von Prof. Gunter Dueck blieb der Tenor dem Internet gegenüber einheitlich kritisch. Man kann was draus machen, aber Vorsicht ist geboten und eigentlich müssen sich die echten Digital Natives – also die, die in den 80ern und 90ern geboren sind – der Sache (endlich) annehmen.
Umso mehr freute ich mich über die zum Teil provokanten Worte von Dueck, der ein bißchen ausschweifender als zur re:publica XI von den Chancen des Internets berichtete und die Veränderungen unserer Gesellschaft schilderte, die uns in den nächsten Jahren erwarten. Im Gegensatz zur re:publica XI gab es jedoch einiges Stirnrunzeln und Kopfgeschüttele im Publikum. Prof. Skiera meinte sogar ein Professoren- und Lehrer-Bashing aus den Worten Duecks zu hören (was ich nicht nachvollziehen kann).
Dueck forderte die Anwesenden auf: „Einfach mal gucken und mitmachen!“ Er ermutigte ein wenig naiv und optimistisch an die Materie Internet ranzugehen. Man könne nicht erwarten, dass das Internet ein Raum sei, indem es nur Gutes gäbe und sich nur Menschen mit edlen Motiven aufhielten. Das sei im „wahren Leben“ auch nicht so. Wenn man es genau betrachte, sei beispielsweise „bei Schlecker die Sünde zuhause“ da dort im Schnitt 4% des Umsatzes durch Ladendiebstahl verloren ging. Jetzt sei Google mit seiner Datengier der Feind und vor wenigen Jahren Mircrosoft. Ich musste natürlich spontan an die aktuelle Diskussion zum Thema Internetsucht und 30 000 Jahre Fehlentwicklung denken.
Damit spannte er den Bogen zu den Worten seiner Vorredner, die mit Zahlenmaterial belegten, dass Google im Bereich der Suchmaschinen In Deutschland gut 98% Marktanteile besitzt und somit auch gut 50% aller Werbeeinnahmen im Bereich Online-Werbung ingesamt abschöpft.
Vielleicht bin ich naiv, aber für mich ist ohnehin unklar wieso die Menschen sich meistens beschweren, dass private Daten weiterverkauft und genutzt werden. Dieser Anspruch alles kostenlos zu bekommen, ist mir nicht ganz klar. Wer nicht in Euro zahlt, zahlt eben in Daten. Wären die Menschen aufrichtig daran interessiert bestimmte Leistungen zu bezahlen, wären Mircopaysysteme wie flattr weitaus verbreiteter und erfolgreicher.
Das Symposium „Wissen und Macht“ war insgesamt eine sehr gelungene Veranstaltung, die mir schon wieder große Lust auf die re:publica XII macht, wo ich einige der Redner sehr gerne wieder treffen würde.
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Alle Vorträge wurden per Live-Stream übertragen und sind in naher Zukunft als Videos verfügbar.
Mama Nuf ist aus dem gröbsten raus – die Blogeinträge werden immer länger…
Danke für den persönlichen Überblick.
Ich könnte mir vorstellen, dass Herr Skiera vorab schon einmal etwas von Herrn Dueck gehört oder gelesen hat. Er betreibt aber eigentlich kein Lehrer- oder Professoren-Bashing, sondern meint, auch diese Berufsgruppen müssten sich stärker mit dem Internet auseinandersetzen und es sinnvoll in die Lehre integrieren. Das hat mit der Spaltung der Dienstleistungen in Commodity (quasi die Flachbildschirmrückseitenberatung) und Premium zu tun. Die reine frontale Erklärerei von Dingen kann man beispielsweise anschaulich per Videos auslagern und dann die wertvolle Präsenzzeit dafür benutzen, um tatsächlich mit den Inhalten zu arbeiten, darüber zu diskutieren, usw.
Dann genügt es aber nicht mehr, bloß vorzulesen bzw. 90-Minuten-Monologe zu halten wie in der Uni, dann muss man richtig was drauf haben. Und da kenne ich halt Profs, die lehnen das aus verschiedenen Gründen ab (das ist nicht spekulativ, sondern mir so berichtet worden):
Prof. A: „Dann sieht ja die ganze Welt, wenn ich vielleicht mal einen Fehler mache.“ (Angst vor Reputationsverlust, obwohl Fehlermachen ja ganz menschlich ist)
Prof. B: „Dann werde ich ja wegrationalisiert.“ (tja, wenn er tatsächlich nicht mehr kann und durch ein Video ersetzbar ist…)
Prof. C: „Habe ich ausprobiert, dann kommt aber kaum noch jemand in meine Vorlesung.“ (Was sagt das a) über die Bedürfnisse der Studierenden und b) über die Qualität und den wahrgenommenen Nutzen der Vorlesung aus?)
Dass Herr Skiera das womöglich falsch verstanden hat, konnte man an seinem Kommentar merken. Er sagte, er kenne ja über seine eigenen Kinder Lehrer, und die würden auch binnen 24 Stunden per E-Mail antworten. Das klingt für mich so, als hätte in seinen Augen Herr Dueck gesagt, alle Lehrer seien Internetphobiker und lehnten es kategorisch ab. Herr Dueck meinte aber etwas anderes.
Bei eben diesem Kommentar hätte ich gerne nochmals das Mikro haben wollen, denn eine Bekannte von mir bildet Lehramtsstudierende aus und hatte schon das Erlebnis, dass sie gefragt wurde, wozu man denn Wikis, Blogs und so in der Schule brauchen solle – sie würden doch später vorne stehen und alles erklären. Der Nürnberger Trichter lässt grüßen.
Und natürlich gibt es auch viele Lehrer, die das ganz anders machen wollen! Da kenne ich einige und werde sie am kommenden Wochenende auch in Bielefeld auf dem EduCamp treffen (http://educamp.mixxt.de). Die überlegen kritisch, aber pragmatisch, wie diese neuen Medien (blöder Begriff) in der Schule eingesetzt werden können – und machen das auch, statt nur darüber zu reden.
unter anderem die beiträge hier über die re:publica haben dazu geführt, daß ich jetzt ein ticket für 2o12 gekauft habe. UND wie verrückt gunter dueck lese. wahnsinnstyp.
danke für diesen blog!
Vorträge über die moderne Datenautobahn bei den Urmonstern der Dampftechnik. Wusste gar nicht, dass der Lokschuppen dafür zu gebrauchen ist.
Das Publikum sieht auf dem Foto allerdings nicht gerade zahlreich aus.
Dueck und Skiera hätten mich beide interessiert.
In Berlin zu wohnen hat eben doch Vorteile.