Fragmentarische Gedanken zum Thema Medienkompetenz

Rettet die Kinder vorm Internet. Helft Herrn Spitzer es zu tun. Er selbst kann es nicht. Er hat leider keine Ahnung.

Alternative Überschrift „(…) ansonsten haben wir Kids, die facebook kennen, aber nicht Göthe.“ !!!!111!!!ELF!“

Ich habe den Spitzer noch nie gesehen oder gehört und alles was ich weiß, habe ich aus zweiter Hand. Hätten seine Thesen Hand und Fuß, ich machte mir mehr Mühe. Wie mir jedoch zugetragen wurde, reicht es glücklicherweise Dinge zu behaupten.

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Ich sage also folgendes: Wenn Herr Spitzer behauptet, das Internet mache dumm (und dick) – insbesondere unsere Kinder, dann treibt ihn nicht die Sorge um unsere Kinder, sondern vielmehr die Gewissheit, dass man Geld verdienen kann, wenn man an der richtigen Stelle Benzin ins Feuer schüttet.

In der menschlichen Seele gibt es nämlich einen Mechanismus der zunächst einmal alles, was neu ist, als potentiell bedrohlich einstuft. Für den Urmenschen gar nicht so dumm. Lieber nicht gleich zum noch nie gesehenen Säbelzahntiger rennen und ihn liebkosen, sondern Abstand halten und beobachten. Unser Leben, also das moderne Leben in der ersten Welt, ist im Vergleich zum Höhlenmenschdasein weitaus weniger gefährlich geworden. Die Evolution kommt nicht hinterher, das Gefühlsrelikt ist geblieben: Was neu und unbekannt ist, ist bedrohlich und wenn man sich nicht damit beschäftigt, dann bleibt es das auch. Es kann sogar schlimmer kommen. Wenn man andere trifft, die das unbekannte Ding auch nicht kennen und sich unterhält, so kann man seine Ängste gegenseitig befruchten.

Jetzt ist das Internet kein Säbelzahntiger, doch greift genau dieser Mechanismus bei vielen nicht so technik- oder internetaffinen Menschen. Sie haben Angst, insbesondere sieht die Evolution vor, dass man nicht nur ums eigene Leben fürchtet – sondern um das des Nachwuchses bangt. (Genaueres hierzu aus gegebenem Anlass unter „30 000 Jahre Fehlentwicklung“ nachzulesen).

Das alles weiß Herr Spitzer und deswegen befeuert er diese Angst. Denn die, die Angst haben, sitzen vor ihren Fernsehern und Radios und nicken mit den Köpfen und klatschen in die Hände, wenn Herr Spitzer behauptet, das Internet macht dumm und schlimmer noch: es sei eine ernstzunehmende Gefahr. Am Ende kaufen sie das Buch und schenken es Freunden, die auch schon immer befürchteten, dass das Internet etwas gefährliches sein könnte.

Was ich angemessener fände, wäre sich mal mit der Frage zu beschäftigen, was denn helfen würde. Denn, so wissen wir es alle: das Internet, das geht nicht mehr weg. Es bleibt also zu klären: Wenn es nicht weg geht, was können wir denn für unsere Kinder tun, um sie zu schützen?

Es wäre nämlich auf der anderen Seite Quatsch zu behaupten, das mit dem Internet rein gar keine Gefahren verbunden wären. Denn natürlich gibt es Internetsucht und zwar im Sinne von Spielsucht, von übermäßigem Pornokonsum (wers nicht kennt, eine mögliche Art diesem Problem zu begegnen: Make Love Not Porn) oder als Begleiterscheinung von Depressionen. Betroffenen Menschen sollte tatsächlich geholfen werden, zumal sie in den allermeisten Fällen einen Leidensdruck verspüren und eigentlich ziemlich gut selbst wissen, dass sie Hilfe brauchen.

Um nochmal auf die in der Zwischenzeit uralten Studie zum Thema Internetsucht einzugehen: Hier wurden Onlinezeiten erfasst, die u.a. Internetradio, Videotelefonie, E-Mail schreiben miteinschließen. Eine Sucht hauptsächlich aus den Nutzungszeiten abzuleiten, halte ich für beinahe lachhaft. Deswegen halte ich das viel zitierte Ergebnis „560.000 Süchtige, 2.5 Mio gefährdet“ für zweifelhaft und fände es angebracht die genannten Gruppen (Süchtige vs. Vielnutzer) deutlich zu unterscheiden. Das tut Herr Spitzer, wie so viele andere Internetphobiker, nicht.

Die Frage müsste also besser gestellt lauten: Was fürchten wir und wie gehen wir in Bezug auf unsere Kinder mit diesen Befürchtungen um.

Ich befürchte zum Beispiel, dass mein Kind beim Hausaufgaben machen denkt, dass alles was in der Wikipedia steht, sei richtig und wahr.

Die Maßnahme würde also lauten: Ich spreche mit meinem Kind. Und zwar über den Begriff der Wahrheit im Allgemeinen und erläutere zudem, dass man immer unterschiedliche Quellen heranzieht und dass man vielleicht mal ganz bewusst nach der Gegenthese sucht oder aber, dass man prüft, ob andere Quellen gleiche Aussagen/Zahlen/was auch immer nennen.

Auch befürchte ich, dass mein Kind in Welten eintritt, von denen ich keine Ahnung habe. Die Welt der Apps und Smartphones z.B. Mit selbigen bin ich nämlich nicht aufgewachsen.

Die Maßnahme wäre also: Ich kaufe mir auch ein Smartphone und probiere ein bisschen rum. Lasse mir Apps zeigen und erläutern, warum meine Kinder sie toll finden.

Vielleicht befürchte ich auch, dass mein Kind durch zu viel Internet andere Lebensbereiche vernachlässigt. Dass es gar dick wird, weil es sich so wenig bewegt und nur Junk Food ißt.

Die Maßnahme wäre also, dass es altersgemäß angepasste Onlinezeiten gibt. Dass ich attraktive Alternativen biete. Mit meinem Kind Fußball spiele, zum Spielplatz gehe. Dass ich ausgewogen koche, das Kind gar mitkochen lasse, dass wir gemeinsam essen und nicht jeder nebenher, dass ich mit gutem Beispiel voran gehe. Den Fernseher aus lasse Das internetfähige Telefon aus der Hand lege, usw. usw.

Alles völlig unspektakulär. Man braucht keine besonderen Fähigkeiten, kein Geld – und schon sind die Kinder gerettet. Allesamt! Vielleicht wäre es in diesem Sinne sinnvoller nicht im Kanon zu rufen, wie inkompetent der ehrenwerte Hirnforscher ist, wie wenig Ahnung er hat und anstatt dessen Vorschläge zu machen, wie ein sinnvoller Umgang mit dem Internet aussieht. Klar zu trennen in welche Bereiche das Internet eigentlich fällt, um zu differenzierteren Aussagen zu kommen und ganz am Ende uns an die eigene Nase fassen und ein gutes Vorbild zu sein.

So könnte man das Punkt für Punkt machen – ohne anfeinden und rumschreien. Die Welt wäre friedlich und die ganzen Menschen im Internet müssten sich nicht so aufregen.

Wer lieber was Fundiertes zur Digitalen Demenz lesen möchte, dem empfehle ich: „Zwischenbilanz zu Spitzers DigitaleDemenz“ oder „Kompetenz statt Demenz“ oder „Das Geschäft mit der German Angst oder Wie bringt man ein Sachbuch auf die Bestsellerliste?„.


12 Gedanken zu „Fragmentarische Gedanken zum Thema Medienkompetenz“

  1. Liebe Frau Nuf,
    Applaus! Genau so ist das. Ich finde das auch überhaupt nicht fregmentarisch, sondern in seiner Simplizität ziemlich vollständig: Wenn wir uns um die Interessen unserer Kinder kümmern und mit ihnen in gutem Kontakt sind, kann wenig passieren.
    Im übrigen find ich es ziemlich schön hier bei Ihnen und den ollen Herrn Spitzer total langweilig.
    Herzlichst, Anuschkin

  2. Ich hab’s noch nie geschrieben, denn eigentlich bin ich eher eine stille Leserin…aber jetzt muss es doch mal raus…Du bist grandios! Vielen Dank für diesen (und viele andere) wunderbaren Artikel. Zum Stichwort Medienkompetenz hast du alles was in einem eigenen Extra-„Studiengang“ den Grundschullehrern vermittelt wird, kurz und knapp und wunderbar humorvoll auf den Punkt gebracht. Bitte hör nie auf zu schreiben!!! (Ich brauche meine regelmäßige Dosis Nuf um diese geistig höchst anspruchsvolle Babyzeit zu überstehen) ;) LG

  3. D’accord: „Vielleicht wäre es in diesem Sinne sinnvoller, nicht im Kanon zu rufen, wie inkompetent der ehrenwerte Hirnforscher ist, wie wenig Ahnung er hat und anstatt dessen Vorschläge zu machen, wie ein sinnvoller Umgang mit dem Internet aussieht. Klar zu trennen, in welche Bereiche das Internet eigentlich fällt, um zu differenzierteren Aussagen zu kommen und ganz am Ende uns an die eigene Nase fassen und ein gutes Vorbild zu sein.“

  4. Wenn mich einer fragen würde, hielte ich die ganze Diskussion einschl. der Argumente für nicht sinnvoll. Was auch diese dusseligen Hinweise auf Goethe immer sollen.
    Ich hab Goethe auch nie gelesen. Kam an unserer Dorfrealschule nicht vor. Und nu? Bin ich deswegen ein schlechterer Mensch? Weil ich mich zwar selbstständig bei Facebook anmelden und es nutzen kann (was ich nicht tue, kann FB nicht leiden), aber nicht Goethe zitieren?
    Solche Argumente bringen immer diese Ewiggestrigen, die einfach nicht verstehen, das sich die Welt nunmal weiter dreht. Das Leben besteht aus Entwicklung. Schon seit Millionen von Jahren. Die Kinder lernen heute auch nicht mehr praktisch, wie man sich aus gefundenen Steinen eine Axt baut. Braucht man nicht mehr, gibts Kettensägen für. Und womöglich findet sich bei Facebook auch jemand, der noch bessere Sachen schreibt als Goethe. Wieso wollen uns andere dauernd vorschreiben, was wir zu wissen und was wir zu denken haben?

  5. Ich habe ihn zufällig kurz gesehen, seitdem kann ich das Wort Medienkompetenz nicht mehr hören. Er hat jede aufkeimende Diskussion niedergebrüllt und versucht die Dämonen zu vertreiben. Selbst wenn er was Wahres gesagt hätte, es wäre sofort verflogen zwischen all dem Wind, den er gemacht hat. Es war schauderhaft ihm zuzuhören.

  6. Oh nein, nicht zusammen kochen. Wer zu lange vor dem Herd steht, wird (bestimmt) dick. Warum gibt man den größten Dummschwätzern überhaupt so eine breite Plattform? Lieber halten wie Karl Valentin: „Nicht mal ignorieren“

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