Haustausch

Norwegische 0815 Häuser (mit schwedischen Flaggen)

2019 möchte ich am liebsten die gesamten Berliner Sommerferien irgendwo anders verbringen. Tatsächlich habe ich sogar schon Tauschangebote bekommen, aber die Kinder sind wie des Fischers Frau und haben mir aufgetragen, eine Unterkunft in Laufnähe zum Meer zu finden oder wenigstens einen kleinen Bauernhof mit flauschigen Kaninchen und zahmen Eichhörnchen.

Also habe ich mich auf einer Plattform angemeldet, wo man sein Haus bzw. seine Wohnung feil bieten kann, um dafür die Wohnung einer anderen Familie zu bekommen.

Ich habe also mit großer Gewissenhaftigkeit meine Wohnung aufgeräumt, geputzt, fotografiert und eine Anzeige aufgegeben und dachte: Hübsch. Bestimmt mag jemand nach Berlin.

Dann erst habe ich die anderen Anzeigen angeschaut. Dabei musste ich feststellen, dass offensichtlich alle Menschen auf der Welt schicker wohnen als ich. Oder wenigstens größer. Mit meiner 100 qm Altbauwohnung im Zentrum Berlins, bin ich das untere Ende von dem, was man auf dieser Plattform überhaupt anbieten kann. Der Bodensatz, ganz kurz vor … ich weiß auch nicht so genau – bis jetzt fand ichs ja eigentlich ganz schön bei mir.

Andere Menschen wohnen schon mal gar nicht in Wohnungen. Wohnungen! Pah! Man wohnt in einem Haus. 200 qm Wohnfläche mindestens. Jedenfalls wenn man kinderlos ist, ansonsten natürlich mehr. Um das Haus hat man einen Garten. Im Garten steht mindestens ein Pool (es sei denn man kann vom Wohnzimmer aus direkt aufs Meer schauen) und ein Baumhaus (so groß wie meine Wohnung).

In Norwegen lebt man auf autofreien Inseln, direkt am Meer in dunkelroten Holzhäusern. Die Frauen tragen Trachten und recken freudestrahlend Gewehre in die Luft. Die Männer winken von den Booten, die zum Haus gehören Richtung Ufer, wo sieben fröhliche Kinder in selbstgewebten Ponchos zurück winken. Auf dem nächsten Bild sieht man die Familie um ein Feuer stehen, die Wangen glühen rot, die Füße wärmen sie sich mit Eisbärfell(imitat).

In den Niederlanden lebt man zwischen Mühlen, deren Schatten im Sonnenuntergang auf das eigene Anwesen fallen. Egal was das nächste Foto zeigt, der Untertitel behauptet „10 min ride with bike“ (selbst wenn es Berge mit Schneekronen sind). Die Häuschen sind alle herzzerreißend niedlich und weil sie eben so mini sind, gehört grundsätzlich noch eine Unterkunft auf Stelzen direkt an der Nordsee dazu.

In der Schweiz haben die Menschen freistehende Häuser mit Bergpanorama und sieben eigenen Kühen. Einkaufen geht per Seilbahn oder mit einem Vierradwagen, der genauso wie der Zweitwagen zum Haustausch dazu gehört. Die Wohnzimmertische sind in der Regel aus einer Baumscheibe, die man längs aus einem Baum herausgeschnitten hat.

So klicke ich mich ehrfürchtig von Unterkunft zu Unterkunft, von Land zu Land. Ich traue mich gar nicht auf eine der Anzeigen anzuschreiben. Selbst wenn da explizit steht, dass man nach Berlin möchte.

Mein Freund sagt, wir brauchen bessere Fotos. Zum Beispiel solle ich mal einen Döner in die Luft halten oder wenigstens eine Currywurst. So könnten wir auch unsere Lokalverbundenheit zum Ausdruck bringen. Andererseits will er nicht eins von den vertrauenserweckenden Pärchenfotos machen, die andere einstellen, wo beide glücklich lächeln und der Wind flott durchs Haar pfeift.

Ich weiß es doch auch nicht.

Vielleicht mache ich es wie der Typ, den ich das letzte Mal gesehen habe, als ich neunzehnhundertirgendwas in der Disco war. Der lief einfach von Frau zu Frau und fragte freundlich unterleibswedelnd „Wanna dance?“. Gut dreißig mal hörte ich „No“, „No“, „NO“, „NOOO“, „Nope“, „No“, „No“, „Noho“, „N“, „Ne“, „Nope“, „No“ und dann irgendwann eben doch „OK“. Das mit dem Unterleib würde ich evtl. weglassen, aber wenn ich vielleicht jeden Tag hundert Anzeigen anschreibe, kann ich 2050 meine Wohnung tauschen.

46 Gedanken zu „Haustausch“

  1. Ich glaube, du könntest in Berlin auch ne Hundehütte anbieten, die würde genommen werden, weil alle nach Berlin wollen. Aber wohnst du in der Sächsischen Provinz, ohne Kultur & Kanzleramt, hast du gar keine Chance zu tauschen. Da wird dein Profil nicht mal angeklickt, egal wie schön es ist. Dabei hätte ich das so cool gefunden, ein Boho Pärchen aus New York in meiner schicken Altstadt-Whg auf dem sächsischen Land und wir naja eben in New York, in so einer 20m² Kellerwohnung, die 5x soviel kostet wie unser ganzes Haus :-) Aber wir haben gute Erfahrung mit dem verteufelten airbnb gemacht, nur das wir nicht getauscht haben…

  2. Nein, das geht: ich bin auch absolut im Rückstand was die Beantwortung der Anfragen auf dem Haustauschprofil angeht. Und: wir wohnen zu dritt auf 64 komma irgendwas Quadratmetern. Immerhin mit Balkon und Innenstadt Berlin – aber, ich mit den Kindern kann gar nicht so viel reisen (wg Ferien und Flugpreis), wie ich theoretisch tauschen könnte. Und ich sehe auch Wohnungen und Häuser, die jetzt nicht soooooo schön eingerichtet sind, doch das liegt eh immer im Auge des Betrachters.
    Also nicht verzagen, dranbleiben! Das wird. (und by the way: die „Auflagen“ kenne ich von meinen Töchtern auch. Im Sommer Meer und Pool, wenns geht beides zusammen!)

  3. Schade, dass nicht mehr Menschen in normalen oder bescheideneren Wohnverhältnissen auf solchen Plattformen zu finden sind und dort nur Luxus zu finden ist. Es müsste mehr davon geben, das fände ich realistischer.

  4. Unser Haus war mal ganz okay. Zwar eher klein, aber in guter Lage. Dann allerdings zog der Hund ein und jetzt ist es mehr eine Ruine.

    Ich wünsche euch viel Glück. Hoffentlich klappt es.

  5. Liebe Patricia,

    wir wohnen auch in Berlin, eher am Rand, kleines Haus mit Garten – aber auch keinen Pool. Ergebnis: Wir sind deutlich im Rückstand was die Beantwortung der Nachrichten im Haustauschportal angeht. Ich hätte es nie für möglich gehalten weil ich die Häuser die angeboten werden auch als wesentlich hochwertiger empfinde, aber verdammt viele wollen nach Berlin – und zwar aus allen Ländern (von Australien, über Kanada, USA und Kroatien war alles dabei). Und wie sagt man immer: Auf der anderen Seite ist das Gras immer viel grüner – stimmt aber nicht :)

    Beste Grüße

  6. Einfach anfragen, man ist überrascht, was so genommen wird. Meine Eltern bieten ein Ferienhäuschen (jaja, zugegeben Häuschen) am Niederrhein an, wo alle hier aus der Gegend fragen „Wer will denn DA Urlaub machen?!?“ und haben schon getauscht mit London, Berlin ;-),…

  7. Ich hatte die Idee mit dem Haustausch auch schon, aber leider ging es mir genau wie Ihnen. Wir besitzen sogar ein Haus, aber verglichen mit dem, was auf Haustauschportalen angeboten wird, kam mir unser (zugegeben „nur“ teilsaniertes, eher kleines) Haus vor wie eine Hundehütte. Auch unsere Inneneinrichtung lässt zu wünschen übrig und erinnert nicht an „Schöner Wohnen“, wie in den meisten anderen Häusern. Daher habe ich das Haustauschprojekt für uns ad acta gelegt :(

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