Wer mein Blog regelmäßig liest, mag den Eindruck gewinnen, dass ich ein wenig überdreht oder leicht hysterisch bin. Dem ist natürlich überhaupt nicht so. Ich bin ein eher ruhiger, ziemlich unemotionaler Typ, der viel von Vernunft und Rationalität hält. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass mein Mann das schiere Gegenteil ist, aber er trägt seine Gefühle doch deutlich sichtbarer auf der Zunge. Er diskutiert gerne und ich finde sein Verhalten gelegentlich, sagen wir mal, irrational nicht 100% nachvollziehbar.
Kürzlich z.B. wurde bei seinem Arbeitgeber die Internetpolicy geändert. Es dürfen zukünftig keine privaten Emails mehr verschickt werden und die Nutzung des Internets ist gänzlich untersagt. Bis ich zu einem anderen Provider wechselte, konnten wir uns wenigstens von Privathandy zu Privathandy kostenlos SMS schreiben oder uns kostenlos anrufen. Meinem Wechsel in ein anderes Netz geschuldet, ist dies jedoch nicht mehr möglich. Mein Geizproblem (v.a. nachdem ich kürzlich Geld in ein Smartphone investiert habe) erlaubt natürlich nicht, dass ich täglich mehrere Cent ausgebe, um während der Arbeitszeiten kurze familienalltagsorganisierende Nachrichten mit ihm auszutauschen.
Wir diskutierten die Sache eine Weile und mir erschien es die beste Lösung, wenn er ebenfalls das Netz wechselte und sich ein internetfähiges Telefon besorgen würde. Mein Mann hingegen, (s.o.) wollte und wollte einfach nicht einsehen, dass dies die beste aller Lösungen für uns sei. Nachdem ich ca. zwei Wochen den Kopf über sein Nichteinsehen und seinen Starrsinn schüttelte, führten wir ein weiteres Gespräch und entschieden dann, dass es wohl das Beste sei, wir würden täglich zwischen 8.00 und 19.00 Uhr gar nicht mehr versuchen zu kommunizieren. Ein Zustand der letztendlich vor unserem Kennenlernen völlig normal war und an den man sich sicherlich problemlos wieder gewöhnen könnte.
Doch gestern Abend fiel mir der zauberhafte Film „Kitchen Stories“ wieder ein. In diesem Film kommunizieren zwei Nachbarn ausschließlich mit der Art und Weise wie oft man es klingeln lässt. Eine Internetrecherche ergab, dass diese Praxis keine Erfindung des Films war, sondern v.a. im afrikanischen Raum weit verbreitet ist. Man nennt die Technik Beeping. Sie findet v.a. in Ländern Anwendung, in denen die meisten die finanziellen Mittel gar nicht haben, Telefongespräche zu führen, in denen aber dennoch eine gewisse Erreichbarkeit gewährleistet werden soll. Den Mobilfunkanbietern ist dies ein Dorn im Auge, denn in einigen Landesteilen besitzen rund 30% der Bevölkerung ein Handy und haben jedoch noch nie einen Cent Umsatz produziert. Die ideale Technik für mich also.
Für alle, die ebenfalls kostenbewußt sind, hier ein Auszug aus unserem familieninternen Regelwerk, das aus einer Mischung von reinen Beepingmustern und morseähnlicher Kommunikation per Klingelton besteht.
Drei Mal klingeln lassen – „Bin in der Nähe, wollen wir uns um 12 Uhr zum Mittagessen treffen?“
Wiederholung des Musters – „Ja“
Fünf Mal klingeln lassen – „Denk‘ morgen bitte daran, den Sack mit den Wechselsachen der Kinder aufzufüllen.“
Zwei Mal klingeln lassen, zehn Minuten Pause, zwei Mal klingeln lassen – „Die Kinder werden heute von einer Freundin mitabgeholt.“
Drei unbeantwortete Anrufe in Folge – „Sport fällt heute aus, Kinder früher abholen.“
Drei unbeantwortete Anrufe in Folge und danach zwei Mal klingeln lassen – „Milch ist aus, bitte nach der Arbeit mitbringen.“
Es ist verständlich, dass ich hier aus Platzgründen nicht das komplette Husband Beeping darstellen kann. Der Komplexitätsgrad der Nachrichten lässt sich übrigens erhöhen, wenn man weitere Telefonanschlüsse des Partners in das System mitaufnimmt. Zum Beispiel heißt einmal am Handy klingeln lassen und einmal auf der Büronummer: „Ich gehe heute Abend mit meinen Freundinnen weg, Du musst die Kinder alleine ins Bett bringen.“ Bei dieser Technik ist natürlich in jedem Fall zu beachten, dass die Rufnummerübertragung aktiviert ist und der Mann ausreichend aufmerksam das Display des Festnetzanschlusses beachtet, um nicht versehentlich einen Anruf entgegen zu nehmen und somit völlig unnötig Kosten zu produzieren.
Langer Rede kurzer Sinn: Mit ein wenig Disziplin lässt sich das Husband Beeping sehr einfach erlernen und erspart doch so manchen Ärger im Paar- und Elternalltag.
—
@Q:
Hallo!
Bei uns im Kindergarten gab es auch einen Wechselsachenbeutel. Darin waren immer ein paar Unterhosen, Socken, tlw. Hosen, T-Shirts, Pullover etc. hinterlegt. Für alle möglichen „Notfälle“, die – gerade im jüngeren Alter – dort ja hin und wieder vorkamen. Nasse oder schmutzige Sachen wurden mit nach Haus genommen, der Wechselsachenbeutel wieder aufgefüllt, alles gut. :)
Definitiv sehr praktisch!
Wechselsachentasche der Kinder? Klingt irgendwie total nützlich, was ist das denn?
Ein alter Hut!
Das praktizieren meine Eltern seid sie Telefon haben.
Anklingeln vom Ehemann bedeutet für meine Mutter, dass die Rückkehr des Mannes aus dem Garten in 20min bevorsteht und das Essen dann praktischerweise fertig sein könnte.
Ich ernte auch immer völliges Unverständnis für meine Telefonrechnung, weil meine Eltern dem strikten Glauben erliegen ich könne Telefongespräche mit meinen Schwestern oder sogar fremden Leuten initiieren, indem ich nur kurz anrufe und um den sofortigen Rückruf bitte.
Man muß dabei aber auch beachten, dass man dann einen Klingelton einstellt, mit dem das funktioniert. Mein Handy z.B. spielt wenn es klingelt Musik. Durchgängig. Da kann ich gar nicht zählen, wie oft das nun geklingelt hat.
******************KOMMENTAROMAT**********************
Made my day
*****************/KOMMENTAROMAT**********************
Dritte Zeile der Liste mit den Signalen:
– Keinmal Klingeln gefolgt von keinmal Klingeln gefolgt von keinmal Klingeln – bedeutet
„Schatz, ich habe die Scheidung eingereicht. Die Kinder bleiben bei mir, nachdem ich jedem ein eigenes Handy versprochen habe. Wir treffen uns beim Anwalt.“
Funktioniert das wirklich? Hat dein Mann dann eine komplette Liste mit sämtlichen möglichen Botschaften auf dem Schreibtisch liegen oder weiß er das alles auswendig?
Irgendwie ist mir, als wäre es für den Arbeitgeber simpler, er würde private Mails erlauben als dass sein Mitarbeiter die ganze Aufmerksamkeit darauf verwendet, zu lauschen wie oft sein Handy klingelt und wie lange es dazwischen pausiert.
Leider hat das „Beeping“ den Nachteil, dass es nicht zuverlässig funktioniert: Neuere Telefone verschlucken z.B. das erste Klingelsignal, da dieses auch zur Übertragung der Rufnummer (sogenanntes CLIP) verwendet wird.
Übrigens war man bei ISDN schon mal weiter, als man über den sogenannten D(aten)-Kanal kostenlos kleinere Informationen verschicken konnte. Dies wurde aber von den Telefongesellschaften bald wieder unterbunden weil die Belastung der Vermittlungsstellen zu hoch war.
„husband beeping“ im Ernst jetzt? Ich meine nur das Wort, nicht den Fakt (den kann man so oder so sehen)
In Italien ist das wohl weit verbreitet – heißt das „squillo“?
Eine sehr kurze, naja, „Recherche“ fand das eingedeutschte „anklingeln“, bzw. „jemanden anklingeln“.
off topic: Interessanterweise in einem Forum, in dem sich scheinbar weibliche Wesen über „ihre“ Tunesier auslassen – die männlichen Nicht-mit-Diskutanten praktizieren das sehr offensichtlich aus rein ökonomischen Gründen.
Es soll ja Leute geben, die dringende Anrufe so ganz einfach schlicht (wie zu analogen Vor-Handy-Zeiten) übers Festnetz getätigt haben. Das kann dem Göttergatten doch vom Arbeitgeber nicht verwehrt werden!
Ich werde mir das ausdrucken.
Für den Fall dass
a) mein Ehemann eines Tages ein Handy besitzen wird
b) ich eines Tages ein Handy besitze/benutze
c) er eines Tages in seinem Büro erreichbar sein sollte
d) ich diese Nummer kennen würde.
Sie sehen, hier herrschen diktatorische Kommunikationsregeln: Nullkommanull Kontakt während der Arbeitszeiten, egal zu welcher Schicht, Tage vorher Beschlossenes ist nicht mehr änderbar. Allenfalls durch spezielle Zedernholzrauchzeichen.
In der Berufsschule haben sie uns noch beigebracht, dass eine strikte „Nicht-privat-telefonieren“-Regel überhaupt nicht haltbar ist, weil man davon ausgehen muss, dass es bestimmte Dinge gibt, die man eben nicht außerhalb der Arbeitszeiten klären bzw. organisieren kann (Arzttermine, usw.).
Das war natürlich noch vor der Zeit, wo wirklich jeder ein Handy besaß, insofern weiß ich nicht, ob das so noch gilt, bzw. ich weiß auch nicht hundertprozentig, wie genau das jetzt vom arbeitsrechtlichen Standpunkt zu verstehen ist.
Private Emails ganz zu verbieten halte ich für leicht übertrieben, da würd ich ja schon überlegen, die Firma zu wechseln, aber das sagt sich natürlich sehr leicht daher.
Bei der Beeping-Technologie hätte ich auch vor allem zwei Probleme: Erstens (wie schon angemerkt wurde) müsste man erstmal testen, ob die Anzahl der Klingelversuche beim Anrufer wirklich denen beim Angerufenen entsprechen, da hab ich nämlich so meine Zweifel. Und zweitens weiß man ja gar nicht, ob der Angerufene auch wirklich mitkriegt, wenn das Telefon klingelt.
Ich würde ja doch zu Netzbetreiberwechsel und Anschaffung eines Smartphones tendieren. Es gibt doch auch schöne Tarife mit Freiminuten und Frei-SMS… wär das nix?
Ihr
italienisch anmutender TemperamentsbolzenMann ist aber auch schwer zu handhaben.Diese Sache mit dem internetfähigen Smartphone ist wirklich zu empfehlen. Meine Holde und ich praktizieren die außerhäusige Kommunikation via Twitter DirectMessages.
So eiskalt optimiert und implementiert, das ist beeindruckend. Vielleicht können Sie mir zufällig eine Frage beantworten, die mir schon länger immer mal wieder einfällt: Entspricht das Tuten, das man als Anrufer hört, eigentlich in jedem Falle (oder doch zummindest in den meisten) exakt den Klingelgeräuschen, die der Angerufene hört? Ich hatte immer mal die Sorge, dass das nicht so recht übereinstimmt…
Ihre kalte Rationalität lässt mich manchmal erschauern – ist aber bezwingend und dadurch alternativlos. Würden Sie sich vielleicht an ein ähnliches Regelwerk für die Kommunikation unter den Vertretern der Vereinten Nationen machen? Weltfrieden wäre unausweichlich.