Mütter: Warum wir keine Elternzeit genommen haben

Man kann nicht immer Elternzeit nehmen. Wegen des Geldes nicht und auch weil man dafür sorgen muss, dass es einem gut geht.

„Klar hätte mein Mann es lieber gesehen, hätte ich wenigstens die zwei Müttermonate genommen.“

Sandy Griesbauer, 34 Jahre, Softwareentwicklerin, Mutter eines fünf- und eines zweijährigen Sohnes:

Als ich das erste Mal schwanger wurde, habe ich mit vielen Müttern Gespräche über das Elternsein gesucht. Dabei fiel immer wieder ein Satz: „Die wichtigste Aufgabe der Eltern ist es, dafür zu sorgen, dass es ihnen selbst gutgeht.“ Das heißt: Nur wenn wir Eltern ausgeglichen und zufrieden sind, können es auch unsere Kinder sein. Mit dieser Erkenntnis im Rücken wurde mir ziemlich schnell klar, dass ich nicht in Elternzeit gehen würde. Ich mache meinen Job nämlich unheimlich gerne und könnte es nur schwer ertragen, müsste ich ihn für längere Zeit an den Nagel hängen. […]

Klar hätte mein Mann es lieber gesehen, hätte ich wenigstens die zwei Müttermonate genommen. Aber finanziell hätten wir das definitiv zu spüren bekommen, einfach weil ich besser verdiene als er. […] Mit null Verdienstausfall hätte ich mich vielleicht darauf eingelassen. Vielleicht aber auch nicht. […] Das ist eben meine Art und Weise, für meine Familie zu sorgen: indem ich darauf achte, dass es mir gutgeht. […]

Der oben kopierte Text ist einer aus drei Berichten aus dem Artikel „Väter: Warum wir keine Elternzeit genommen haben„. Ich habe lediglich Vater/Mutter und den Namen angepasst.

Man stelle sich solche Statements in einem Artikel von einer Frau vor. Wie sähen wohl die Reaktionen in den Kommentaren aus?

„Ganz ehrlich, warum schaffen Sie sich denn dann überhaupt Kinder an?“

„Wenn Sie nicht bereit sind, für ihre Kinder kurz zu pausieren, dann muss man sich schon fragen, was Ihnen Ihre Kinder wert sind.“

„Was Sie da äußern, klingt total egoistisch!“

„Die armen Kinder!“

„Rabenmutter!“

„Wenn man 5.000 Euro netto verdient, kann es doch kein Argument sein, vorübergehend auf die Höchstgrenze von 1.800 Euro Elterngeld zurück zu fallen. Da kann man durchaus auch voraus sparen, um die Zeit zu überbrücken, oder?“

„OK, nicht gleich die ersten Lebensmonate Elternzeit nehmen, weil da der Vater wichtiger für das Baby ist… aber Elternzeit geht ja bezahlt 14 Monate – warum also nicht wenigstens die letzten beiden Monate?“

„Noch nie von Elterngeld PLUS gehört? Das sind doch alles nur faule Ausreden.“


307 Kommentare hat der oben verlinkte Artikel bislang. Ich ergänze hier mal die besten Kommentare verständnisvoller Männer Frauen:

„Warum? Weil es schädlich für die Karriere ist! Weil eine Frau keine Elternzeit nimmt! […]*

„Warum nehmen Frauen keine Elternzeit? Weil Männer auf sozial hochgestellte Frauen fixiert sind, so dass man es sich als Frau gar nicht leisten kann in Elternzeit zu gehen. Man kann sich eine Auszeit oder gar ein Hausfrau-Dasein nicht leisten, weil man sonst den Partner samt Kindern zu verlieren würde.[…]*

„Wisst ihr, zwischen Männer und Frauen gibt’s genetisch und memetisch bedingte biologische Unterschiede u. Rollenverteilung.
Nicht alles kann man mithilfe Hirnwäsche umprogrammieren, aus einem Tiger macht ihr wahrscheinlich auch keinen Vegetarier.*

Lesen Sie als nächstes einen Artikel über Material äh Paterial Gatekeeping und warum sich Väter Mütter, die sich dann nach 12 Lebensmonaten ihrer Kinder doch einbringen wollen, darüber klagen, dass der Vater sie nichts machen lässt, weil sie so ungeschickt beim Windeln wechseln sind und ihren Kindern aus Unwissenheit bei 39Grad Außentemperatur Gummistiefel anziehen. Ach ne, das waren ja die Idiot-Moms. Es ist kompliziert.

Und ganz am Ende würde ich wirklich gerne mal einen Artikel lesen, der nicht drei unabkömmliche Karrieristen befragt, die ins Feld führen, dass sie ja drei Mal so viel netto verdienen, wie sie in Elternzeit Elterngeld bekommen können und wie schwer es ist, ihren Kredit auf das Haus abzuzahlen und sich trotz Elternzeit den Jahresurlaub im Hotel leisten können. Das ist dermaßen ermüdend.

620 Gedanken zu „Mütter: Warum wir keine Elternzeit genommen haben“

  1. Der Text erinnert mich an ein befreundetes Paar. Er wollte unbedingt ein Kind, sie nicht. Nach längeren Gesprächen stellt sich raus: Sie will auch ein Kind, aber auf keinen Fall Elternzeit nehmen oder in Teilzeit gehen. Er war total erleichtert, denn er wollte ein Jahr zu Hause bleiben und auch danach wenn nötig beruflich kürzer treten.

    Trotzdem hat sie nein gesagt, aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung als „Rabenmutter“. Es hat mehrere Jahre, viel Zuspruch und vor allem Vorbilder aus dem Bekanntenkreis gebraucht, bis sie letztlich zugestimmt hat. Das Kind ist mittlerweile in der Kita, sie hat die ersten 2 Monate Elternzeit genommen, er die nächsten 12 und arbeitet nun Teilzeit. Beide fühlen sich wohl mit der Entscheidung.

    Zusatzinfo: Sein Vollzeitgehalt war wesentlich höher als ihres.

    Ich finde es furchtbar, wenn auf Stereotypen so sehr herum geritten wird, dass einige sich davon in ihrer Lebensgestaltung einschränken lassen. Für mich wären Äußerungen wie in dem Original-Artikel definitiv ein Trennungsgrund. Aber Leute, die nicht verinnerlicht haben, dass es auch anders geht stellen das leider überhaupt nicht in Frage.

  2. Also, ganz anekdotisch aus meiner persönlichen Filterbubble: Konservative Branche, aber progressives Unternehmen. Wir haben z.B.

    – ’ne Kita
    – einen Notfallkindergarten
    – Büros mit Spielecke
    – ein Urlaubshilfswerk, mit dem z.B. alleinerziehende Angestellte quasi umsonst in Urlaub fahren können
    – Stipendien fürs Studium der Kinder bei den Nichtsogutverdienern

    Bei uns ist es vollkommen normal, dass
    – auch die Väter wenigstens die zwei Monate Elternzeit nehmen können
    – ein Bereichsleiter sein Kleinkind mit ins Büro bringt und höchstselbst auf dem Konferenztisch wickelt (hab ich selber gesehen)
    – man(n) morgens den Chef anruft und nicht zur Arbeit erscheint, weil das Kind krank ist (habe ich öfter gemacht)

    Und wie wird das in der Realität genutzt?

    Teilzeit? Fast nur Frauen, die „was dazuverdienen“
    Elternzeit? Mein Kollege durfte nicht, weil sonst Geld für das Hausprojekt gefehlt hätte. Der Chef und das Team (fast nur Männer) haben gemeinsam einen Plan erarbeitet, dass der arme Kerl trotzdem wenigstens 7 Wochen zu Hause bleiben konnte (mit Sondergenehmigung, dass Gleitzeitkonto überziehen zu dürfen)
    Ein anderer Kollege wollte halbe/halbe machen. seine Frau hat aber ihre 12 Monate mit Zähnen und Klauen verteidigt und er musste sich mit 2 Monaten begnügen

    Anderes Thema: Jetzt wird bei uns massiv Personal abgebaut. Die meisten Männer stehen mit dem Rücken zur Wand und dem Messer zwischen den Zähnen da, weil die wirtschaftliche Existenz der Familien von ihnen abhängt. Die meisten sind durch den Nestbau (Eigenheim) zur jahrzehntelanger Vollzeitarbeit verdammt und dürfen nicht verlieren. Die Frauen? „Och ja, wir haben das so ausgelegt, dass mein Mann das auch alleine stemmen kann“ (Kollegin aus dem Nachbarbüro). Etliche sind jetzt „zufällig“ schwanger, manche gehen auch einfach.

    Fazit: Für die Frauen haben sich jede Menge neue Optionen und Möglichkeiten aufgetan, während die Männer immer noch mit den traditionellen Rollenerwartungen konfrontiert werden. Und während ihnen gleichzeitig durch die Schleifung der Arbeitnehmerrechte die Erfüllung der traditionellen Rolle als Ernährer der Familie immer mehr erschwert wird, sind die sonstigen Anforderungen massiv gestiegen. Sei es als Partner, sei es als Vater. Kein Mann, der ein bisschen was auf sich hält, wird es sich leisten, sich nicht um seine Kinder zu kümmern. Ganz im Gegenteil, es ist der dringende Wunsch von jedem Vater, den ich persönlich kenne.

    Aber gemäß der heiligen feministischen Lehre sind an der Misere natürlich ausschließlich die Männer selber schuld, während die Erwartungshaltungen vieler, sehr vieler Frauen selbstverständlich ÜBERHAUPT keine Rolle spielen.

    1. Und jetzt stell dir mal vor, die Existenzen wären nicht auf das Vollzeiteinkommen einer Person angewiesen, sondern die Paare hätten sich die Verantwortung für das Familieneinkommen aufgeteilt… (unabhängig vom Elternzeitthema).

      1. Das kann ich mir ganz wunderbar vorstellen und hätte es auch gerne so gehabt. Denn in meiner Idealvorstellung arbeitet jeder ca. in einem 2/3 Lohnjob und teilt sich Hausarbeit/Kinder etc. hälftig. Oder meinst du, ich arbeite zum Spaß seit 25 Jahren in einer Konzern – Bürohölle? Ich nenne das übrigens den Borgwürfel (ist nicht von mir, sondern vom Kiezneurotiker).

        Aber wie sieht unsere jeweilige Vita aus?

        Frau: Abitur, 2 Studiengänge abgebrochen, Berufsausbildung, 2 Jahre Vollzeit, 10 Jahre mit 2 Kindern und freiberuflicher Tätigkeit (mit freier Zeiteinteilung), nochmal 4 Jahre Studium (diesmal mit Abschluss), seit 3,5 Jahren Vollzeit.
        Mann: Abitur, Wehrdienst, Berufsausbildung, Studium, 25 Jahre Vollzeit

        Ergänzung: Wir haben immer alles an Kinderbetreuung genutzt, was maximal greifbar war (z.B. eine bezahlte „Ersatzoma“, als die Kinder noch klein waren). Wir hatten auch immer schon eine Putzfrau (warum sollte die Frau etwas tun müssen, wozu ich auch keine Lust habe?)

        Völlig überraschend haben wir einen klitzekleines Gender Pay Gap, d.h. ich trage immer noch 70% zum Gesamteinkommen bei (wie gesagt, beide in Vollzeit).

        Und jetzt frage ich dich, wer hat denn hier wohl den besseren Part so mit work life Balance?

        In meiner Filterbubble, wo die Jahresgehälter auch gerne mal sechsstellig ausfallen (meins leider nicht), haben es sich sehr viele Frauen ganz prächtig eingerichtet und ich kenne keine, die für ein Nettoeinkommen von z.B. 5.000 EUR/Monat keine Verwendung hätte.

        Nachtrag zum Zeit-Artikel: Ich finde es sehr bezeichnend, dass da drei Idioten dargestellt werden, denen ihr Sch*****Job und das Geld wichtiger sind als das Erleben mit den eigenen Kindern. So kann man schön weiter das Märchen erzählen von den verantwortungslosen Männern, die sich im Job selbst verwirklichen und den armen Frauen die ganze Arbeit aufhalsen. Das steht im krassen Widerspruch zur Realität. Für fast alle Männer ist das harte Pflicht und kein Vergnügen.

        1. Ich mache noch weiter, denn je länger ich darüber nachdenke, desto ärgerlicher werde ich. Was ist eigentlich mit diesem Zitat aus dem Artikel: „Zwar war meine Frau in Elternzeit und somit tagsüber für die Kinder zuständig, sobald ich aber in der Haustür stand, übernahm ich die Kinderbetreuung. Ich habe sie ins Bett gebracht und nachts herumgetragen, sodass ich immer wieder sehr schöne und intime Momente mit meinen Kindern hatte. An den Wochenenden investierte ich sowieso meine komplette Zeit und Energie in meine Familie.“

          Das heißt, der Mann arbeitet nicht nur Vollzeit, sondern übernimmt auch noch einen Großteil der Kinderbetreuung, obwohl die Frau in Elternzeit ist. Was zur Hölle macht eigentlich die Frau? Werktags 9/5 das Kind betreuen und den Rest der Woche hat sie frei, oder? Und wer hat hier die Doppelbelastung?

          Und noch etwas: Für ein Dach über dem Kopf sorgen und die Kohle für Essen, Kleidung etc. ranschaffen ist auch Sorge. Meine Frau zog schon ins Eigenheim ein (das ihr lt. Grundbuch zu 50% gehört), als sie noch nicht einmal eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte.

          Vor ein paar Jahren noch hätte ich mich tatsächlich als Feminist bezeichnet, aber man kann sich nur eine gewisse Zeit selbst verarschen. Früher hat der Feminismus für wertvolle und wichtige humanistische Errungenschaften gefochten, aber inzwischen ist jedes Maß verloren gegangen und um Gleichberechtigung geht es schon lange nicht mehr.

    2. Es sind beide! Wie viele unsägliche Ausreden von Männern habe ich in meinem links-aufgeklärten Akademiker-Umfeld anhören müssen, warum sie Elternzeit für Väter echt super finden, es aber ausgerechnet bei Ihnen nicht geht.
      Und wie oft nervt es mich als Chefin, dass immer die Frauen zu Hause bleiben, wenn das Kind krank ist, dass immer die Frauen Stunden reduzieren wollen, dass die Frauen sich weniger zutrauen, wenn es um Karriere geht.
      Die nicht-gleichberechtigte Denkweise ist in den Köpfen von Männern und Frauen.

  3. Ich bin ja genau die Frau, die keine Elternzeit genommen hat, aus genau den im Artikel genannten Gruenden (und noch ein paar anderen). Was ich mir dazu habe anhoeren duerfen…

  4. Sooo super, dein Artikel. Ich bin nun zwar schon über 60 aber ich hab bei meinen 4 Kindern nie Elternzeit genommen, sondern höchstens ein paar Arbeitsstunden meiner Vollzeit reduziert. Weil ich das WOLLTE. Weil ich kein bisschen abhängig sein WOLLTE. Ich kann nur den Kopf schütteln, wie wenig sich in Sachen Gleichberechtigung in den FRAUENköpfen weiterentwickelt hat.
    Ich habe oft den Eindruck, viele Frauen verteidigen ihr Recht auf Abhängig-sein mit Zähnen und Klauen (gegenüber anderen Frauen). Und die Kinder kriegen die rechte Prägung dann gleich mitverpasst. Na toll … !

  5. DANKE für diesen Artikel er ist soooo nötig (leider!)…
    Und ich freu mich schon aufs paternal gatekeeping.
    Und überhaupt auf alle dasnuf-texte!!

  6. Großes Lob für Deinen Artikel! Wir wundern uns auch oft, wie die Welt im Jahr 2018 so tickt. Ich habe hier in Frankfurt Main auch schon alles durch. Einziger Vater beim Babyschwimmen. Einziger Vater im Musikkurs. Einziger Vater der mittags vor der Kita wartet… Und man fühlt sich tatsächlich manchmal nicht „normal“. Also etwas seltsam bzw. fehl am Platz. Dabei sind ja wohl alle anderen nicht „normal“. Und dabei sind wir nichtmal ein 50-50 Paar. Ich decke höchstens ein Drittel ab und liege damit schon so weit vor dem Durchschnitt. Es ist unfassbar. Wirklich unfassbar.

  7. Ich gehöre zur Kategorie: Nach Mutterschutz gleich wieder arbeiten gehen. Die ersten Absätze könnten daher 1zu1 von mir stammen. Kein einziger Mann hat je einen blöden Kommentar fallen lassen. Nur Frauen haben dumme Sprüche gerissen und zwar vornehmlich Vollzeitmütter.

    1. Und wenn Sie’s nicht gemacht hätten, hätten Sie berufstätige Mütter augenrollend gefragt, wie Sie es denn so ohne intellektuelle Herausforderung aushalten würden zuhause.
      Irgendeine/r stört sich immer, kann man ignorieren und gleich tun, was man für richtig hält.

  8. Ich las, die ersten zwei Absätze in voller Naivität und ein wenig flüchtig (ohne zu wissen, dass Vater/Mutter vertauscht sind) und dachte: „Aha. Klingt einleuchtend.“ Und sonst nichts.

  9. Ich fand den originalArtikel interessant. Da ging es offenbar ganz mehr um wollen als können. Ich hätte es souveräner gefunden, wenn die Herren gesagt hätten: ganz ehrlich? Ich hatte echt keine Lust auf elternzeit. Das ist, finde ich, völlig legitim, wenn der andere Elternteil entsprechend Lust dazu hat und daß für die betroffenen mit der beruflichen und privaten Perspektive passt. Aber dann halt dazu stehen!

    1. Nachdem ich den ursprünglichen Artikel einige Male gelesen habe, hab ich mir das auch gedacht. Aber vielleicht ist es auch ein gutes Zeichen, dass nach Erklärungen und Ausreden gesucht wird – vielleicht heisst das, dass sich langsam was ändert und es nicht mehr lange dauert, bis man komisch angeguckt wird, weil man keine Elternzeit nimmt.

      1. Naja, die ZEIT rekrutiert die Interviewpartner sicher aus ihrem eigenen Umfeld (man hat eben nicht den Schichtarbeiter oder Müllmann gefragt!), und da weiß man natürlich, was sich die jeweilige Filterblase erwartet.
        Und ich würde mir wünschen, dass NIEMAND komisch guckt, egal, welche Variante Elternzeit jemand wählt.

        1. Ja, das ist ja eine beliebte Haltung: Dass alle alles machen können sollen und alles Privatentscheidungen sind und man nicht über Alternativen oder Beweggründe spricht. Dann muss man auch die Rahmenbedingungen nie kritisch beleuchten und da muss dann auch nie was angepasst werden. Weil: Haben ja alle frei entschieden.

          1. Nein, darauf muss man natürlich ein Auge haben, und die Stellschrauben, an denen man drehen kann, sind strukturell. Aber nichts desto trotz muss man es, insbesondere, wenn man sich auf die Fahne schreibt, pluralistisch und liberal zu sein, aushalten, wenn andere Menschen, auch Frauen, Entscheidungen treffen, die man für bescheuert hält.
            Der staatliche Weg, alles über Zwang zu regeln, wäre faschistisch, nur andersrum, um das mal salopp zu sagen.
            Es gibt, und das muss einfach klar gesagt werden, keinen Weg ohne Nachteile. Keinen einzigen. Insofern darf man die Leute schon selbst auch mitentscheiden lassen, welche Vor- und Nachteile sie sich gönnen bwz. aufbürden.

  10. Du hast zu 100% Recht, Patricia!

    Ich habe noch keine Kinder, aber das gesellschaftliche Klima, mit dem man in Deutschland als Mutter leben muss, verdirbt mir auch gehörig die Lust, überhaupt welche zu bekommen.

    1. Ich würde ungern im Alter draufkommen, dass ich auf Kinder verzichtet habe wegen so einem peanuts-Dingens wie dem gesellschaftlichen Klima. Solange Frauen nicht die Toughheit entwickeln, ihr Ding durchzuziehen*, ohne ängstlich nach links und rechts zu schielen, wird das nichts mit dem Marsch durch die Institutionen!

      * 3 Jahre Elternzeit AND PROUD OF IT!

      1. Ich sage ja nicht, dass andere Leute keine Kinder bekommen sollen, aber, gerade nachdem ich jetzt seit 5 Jahren im europäischen Ausland lebe, empfinde ich das Mütterbild und die daraus resultierenden Rahmenbedingungen in Deutschland wirklich abstoßend.
        Natürlich treffe ich nicht allein daraus eine Entscheidung für oder gegen Kinder, aber es spielt eben mit rein.

        Aber ich bin auch erst Mitte 20 und Doktorandin, die Entscheidung steht also noch gar nicht an.

  11. Klingt in dieser Formulierung genauso asozial. Und ich würde auch gerne die Argumente der Arbeiter hören, ich erlebe in meiner Firma häufiger, dass die Männer nur zwei Monate, meist auch unzusammenhängend, nehmen. Und da verdienen beide Partner ähnlich viel.
    Ich persönlich musste mir nach sieben Monaten Elternzeit öfter die Frage anhören, wer denn jetzt zu Hause bei den Kindern sei. Insgesamt wurde es aber gut akzeptiert, dass wir und die Elternzeit teilen.

    1. Wahrscheinlich weil es nichts mit Vater oder Muttersein zu tun hat, sondern mit Ausreden und Egoismus und vielleicht auch Faulheit.
      Das Herumdrehen zeigt nur nochmal deutlicher was es für einen Shitstorm gegeben hätte, wenn sich da drei Frauen mit diesen Worten hingestellt hätten und wie akzeptiert es nach wie vor ist, wenn Männer das tun. Immerhin nehmen 2/3 eben keine Elternzeit. Was ja auch heißt: 2/3 aller Frauen finden das i.O. und richtig.
      Die, die Elternzeit nehmen, sind die Ausnahmen und selbst da: wie oft höre ich, dass da erstmal 2 Monate Urlaub gemacht werden, in denen die Männer dann auch nicht unbedingt mit anpacken.

  12. „Warum schafft man sich dann überhaupt Kinder an?“ Diese Diskussion führte ich auf der letzten Geburtstagfete der Nachbarin. Während der Gatte im Kreuzschritt da stand. Wir werden wohl nicht mehr eingeladen. ? (me: Mutter ohne Elternzeit)

  13. Ich hätte mir in dem @zeitonline-Artikel auch den Kommentar eines Arbeiters ohne Karriereplan gewünscht.
    Unter Akademikern u.ä. ist es heute üblich, dass Väter sich für keine/minimale Elternzeit rechtfertigen, d.h. das Bewusstsein hat sich schon gewandelt, das Verhalten weniger.

      1. Hier mal die „Nichtakademikerblase“
        Ich bin als Mutter nach 7 Monaten wieder arbeiten gegangen. Vollzeit. Im Einzelhandel. Er ist als Vater sieben Monate im Anschluss zuhause geblieben. Als Softwareentwickler. Grade arbeiten beide nochmal Teilzeit bis das Kind einen Kindergartenplatz bekommt. Über Geld haben wir nicht nachgedacht. Eher darüber wie man die Elternzeit effektiv nutzen kann um nicht nur möglichst viel kostbare und trotzdem Krankenversicherte Zeit mit dem kleinen Menschen verbringen zu können sondern auch die Care Arbeit möglichst gerecht zu verteilen. Danke für dein Blog. Immer wieder!

  14. Ich habe bei meinen beiden Kindern jeweils 7 Monate EZ genommen und mir haben ständig Leute (meist Frauen und ungefragt!!!) erklärt, warum das ja bei ihnen/ihrem Mann auf keinen Fall möglich wäre.
    Gründe sind oft andere Prioritäten und Angst vor mangelnder Akzeptanz im Beruf.

    1. Und andere Prioritäten sind doch bitte okay. Mich befremdet dieses *shockhorrorkeineElternzeit-Denken ungemein. Ein bisschen unduldsam und intolerant finde ich das.
      Man könnte davon ausgehen, dass sich die Eltern überlegt haben, wie sie die Jahre bis 3 ihres Kindes gestalten. Aber anscheinend ist es auch für die Seelenhygiene der „Progressiven“ nötig, den anderen wahlweise Faulheit, Egoismus, Patriachat, Geldgeilheit oder was auch immer zu unterstellen, wenn sie nicht das tun, was man selbst tun würde.

      1. Es ist total unduldsam. Denn persönlich finde ich nicht, dass man die schlechten Rahmenbedingungen dulden sollte.
        Viele reden sich das schön und sagen, dass es eine individuelle, private Entscheidung ist. Dabei wird übersehen, dass die Bedingungen wie z.B. Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Teilzeitfalle, Gehaltsgefälle, Ehegattensplitting (etc.) den Rahmen stecken, in denen Paare dann angeblich völlig frei entscheiden.

        1. Warum sind die Rahmenbedingungen schlecht, wenn sie Paaren ermöglichen, eine weite Option an Vereinbarungen zu treffen? Es ist ja wohl nicht wahr, dass alle Mütter, die vollzeitabeitswillig wären, daran scheitern, dass es keine Kinderbetreuungsplätze gibt, dass sie in die Sozialberufe geprügelt werden, dass sie weinend vor den Altar bzw. aufs Standesamt gezwungen werden.
          Frauen sind nicht nur Opfer widriger STrukturen – die wählen schon auch selber und ja, frei.
          In den Niederlanden ist die Teilzeitquote bei Frauen ohne Kinder wesentlich höher als bei Männern ohne Kinder, d.h. da tauschen bewußt Frauen Geld gegen Zeit, ohne dazu durch widrige Kitaöffnungszeiten oder was immer dazu gezwungen zu werden.

  15. Natürlich könnte ich meinen Kind Nachhilfeunterricht bezahlen, aber dann könnte ich mir die teure Designertasche nicht mehr leisten und die wichtigste Aufgabe die man als Elternteil hat, ist doch, dass es einem selbst gut geht.

  16. Vielen Dank! Food for thoughts. Schlimm genug, dass ich (Kinder vor Elternzeit/Vätermonaten bekommen) in die Hausfrauenfalle getappt bin und eine Dekade gebraucht habe, da wieder rauszukommen (die Ehe hat’s auch nicht überlebt). Ihr Jüngeren macht’s bitte besser. Immerhin: Das Unternehmen, in dem ein Erziehungszeit-williger Freund meines damaligen Mannes vor 16 Jahren höre, Elternzeit sei für ihn EdeKa (Ende der Karriere), hat sich inzwischen bewegt. Quer durch die Abteilungen nehmen Väter und Mütter Elternzeit und Homeoffice-Tage und eine Betriebs-Kita gibt’s inzwischen auch.

    1. Ich musste bei diesem Kommentar „Unter 4.000 netto kann man ja nicht leben“ an Alleinerziehende denken und hab mich gefragt, wie man diesen Hohn aushält (ist ja bestimmt nicht das einzige Mal).

  17. Ich fand die Aussagen der Väter auch unerträglich (und habe mich beim Lesen schon gefragt, ob du wohl darüber schreibst).

    Mein Mann und ich haben Elternzeit 8/6 geteilt. Allerdings haben unserer beider Arbeitgeber da ohne Probleme mitgespielt. Im Gegenzug habe ich aber mitbekommen, dass mein AG Vätern, die mehr als 2 Monate gewollt haben, mit Nicht-Verlängerung gedroht hat. Ob wir uns das als Familie getraut hätten (beide damals befristet angestellt), weiß ich nicht.

    1. Wahrscheinlich klinge ich immer, als müsse es um jeden Preis 50/50 sein. Tatsächlich glaube ich natürlich auch, dass es Konstellationen gibt, die es schwierig machen (befristete Anstellung z.B.). Ich glaube aber auch, dass in den allermeisten Fällen nicht mal überlegt wird, welche Alternativen es gibt.
      Viele behaupten doch einfach nur, der Arbeitgeber wolle das nicht. Oder setzen sich gegen Minimalwiderstände nicht durch oder tun so, als habe man das Problem als berufstätige Frau nicht auch. Plötzlich verkriechen sich dann die achso harten Businesstypen und können sich nicht durchsetzen. Der 2. der Männer im verlinkten Artikel sagt z.B.: „Da hätte ich mich unloyal ggü. meines Arbeitgebers gefühlt.“ Ggü. seiner Frau und seiner Familie hat er diese Gefühle anscheinend nicht.

      1. Das Gleiche habe ich bei dem unloyal-Satz auch gedacht. Oder noch schlimmer: fordert die Frau ein, dass er sich einbringt, nimmt er wahrscheinlich sogar ihr Verhalten als unloyal war.

      2. Mir war es wichtig, eine Lösung zu finden, mit der wir beide gut leben können. Im ersten Jahr war meine Frau ganz zu Hause, ich einen Tag pro Woche. Im zweiten Jahr haben wir uns abgewechselt. Sie ging zwei Tage arbeiten, ich drei. Natürlich hat das immer auch einen finanziellen Aspekt. Meine Frau verdient deutlich weniger als ich. Aber wir haben das Glück, das wir so zurecht kommen.
        Mein Arbeitgeber hat erstmal Nein gesagt, als ich Elternteilzeit beantragt habe. Ein Brief an die Geschäftsleitung und der Einsatz meines Teamleiters haben letztlich überzeugt. Nachteile am Arbeitsplatz hatte ich nicht.
        Die großartige Zeit mit meinen Kindern und die fantastische Bindung die wir dadurch haben würde ich jedenfalls nie wieder hergeben.
        Ich möchte anderen Vätern Mut machen: traut euch! Ich war mit auch zuerst nicht sicher, ob das wirklich alles richtig ist. Heute bin ich so froh, den Schritt gewagt zu haben.

  18. Das i-Tüpfelchen war die Aussage des Herrn am Schluß, dass er evtl. auch bei voller Gehaltszahlung wahrscheinlich keine Elternzeit genommen hätte. Spätestens da ging mir die Hutschnur hoch.

  19. Ich habe ein paar Monate Elternzeit genommen, finanziell war es ein halber Genickbruch. Nach knapp 5 Monaten bin ich Teilzeit wieder eingestiegen, aber es gab das Elterngeld plus noch nicht. Also finanziell sinnlos, wollte nur nicht so lange raus sein. Und jo, ich bin Softwareentwicklerin.
    Mein Mann war noch in Ausbildung, da geht Elternzeit gar nicht ohne wiederholen zu müssen, also hat er zähneknirschend verzichtet. Sonst hätte er es gemacht.

  20. danke! Beim lesen des original Artikels musste ich ein bisschen würgen. Von den Jungs möchte ich mich als Mann nur distanzieren. Das Klima, das durch sie in Unternehmen herrscht, wird entsprechend familienunfreundlich sein. Schade

    1. ja, das ist nochmal ein anderer Aspekt. Bei meinem letzten Arbeitgeber haben einige Männer mehr als 6 Monate Elternzeit genommen. Folge: Bessere Vertreterregelungen (was auch im Krankheitsfall und Urlaub hilft), bessere Doku, mehr Familienfreundlichkeit für alle.

  21. Diese Antworten spiegeln leider unsere aktuelle Gesellschaft wieder.

    Um Veränderung anzustoßen, wäre es mal interessant, die Väter zu fragen, ob sie denn überhaupt Lust auf Elternzeit hätten.

  22. ******************KOMMENTAROMAT**********************
    Genau! Gerne gelesen!
    *****************/KOMMENTAROMAT**********************

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